Redner(in): Horst Köhler
Datum: 13. Juni 2008
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2008/06/20080613_Rede.html
Ein erlebnisreicher Tag in Bayern geht zu Ende. Und ich glaube im Namen aller sagen zu dürfen, dass diese Reise nach Bayern für uns ein Gewinn war und uns alle in vielfältiger Weise bereichert hat. Ihnen, Herr Ministerpräsident, danke ich für die großzügige Gastfreundschaft des Freistaates Bayern.
Bayern hat sich uns in vielen Facetten präsentiert - von der Andechser Kirchturmspitze bis zum Blick aus dem Kontrollzentrum Oberpfaffenhofen ins All. Das erinnerte uns wieder daran, wie einzigartig schön und gleichzeitig fragil unser Blauer Planet ist. Unser gemeinsamer Ausflug hat uns einen Horizont eröffnet, der von der barocken Pracht der Sommerresidenz der bayerischen Kurfürsten, in der wir heute Abend zu Gast sind, bis zu den Zukunftswerkstätten der Automobilindustrie reicht. Wir haben alle gespürt, wie eng in Bayern Tradition und Moderne zusammen liegen und wie fruchtbar die Mischung von beiden sein kann.
Der heutige Besuch zeigt uns, dass Heimat und Weltoffenheit keine Gegensätze sind. Denn - wie der deutsche Philosoph Odo Marquard sagt - "Zukunft braucht Herkunft". Dazu gehört das Bewusstsein der eigenen Geschichte und der eigenen Kultur. Denn nur wer das Eigene kennt und schätzt, kann dem Neuen, dem Anderen mit selbstbewusster Neugier begegnen.
Diese Neugier ist für die Menschheit angesichts der globalen Herausforderungen überlebenswichtig. In unserer einen Welt, die auf vielfältige Weise ökonomisch, ökologisch und sozial vernetzt ist, kommt es darauf an, dass wir alle voneinander lernen. Kein Staat, und sei er noch so mächtig, kann seinem Volk eine gute Zukunft sichern, ohne Rücksicht auf die anderen zu nehmen.
In unserer globalisierten Welt sind wir wechselseitig voneinander abhängig und müssen uns daher mehr und mehr mit anderen Kulturen auseinander setzen. Wir sollten das als Chance sehen, unsere eigenen Möglichkeiten zu erweitern. Denn wer die Verantwortung für die eine Welt ernst nimmt, der muss zuhören können, er muss blinde Flecken in der eigenen Wahrnehmung erkennen und bereit sein zum Kompromiss. Erst damit schaffen wir die lebendige und globale Lerngemeinschaft, in der gemeinsam um die besten Lösungen für eine gute Zukunft gerungen werden kann.
Die gegenwärtige Nahrungsmittelkrise zeigt uns auf eindringliche Weise, dass in unserer einen Welt alles mit allem zusammenhängt. Es geht darum, den armen Ländern eine faire Chance zu geben, eigene Ernährungssicherheit zu erreichen. Dazu muss der Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums in den Entwicklungsländern selbst, aber auch in der Entwicklungszusammenarbeit mit den Industrieländern Priorität eingeräumt werden. Dazu gehört meines Erachtens auch, dass Exportsubventionen für Agrarprodukte aus Europa und den USA jetzt mit klarer Terminsetzung auslaufen sollten.
Und mit der Herstellung von Agrosprit dürfen wir nicht ein Loch stopfen und zugleich ein weitaus größeres aufreißen. Wir können und wollen Agroenergie nutzen, um den Klimawandel zu bekämpfen und die Abhängigkeit vom Öl zu verringern. Aber die Nachfrage nach Agrosprit darf weder die Ernährung Hungernder gefährden noch dazu beitragen, dass weiter tropische Regenwälder abgeholzt werden und großflächigen Monokulturen weichen müssen.
Ich freue mich daher, dass es vor zwei Wochen in einem ersten, wichtigen Schritt auf der Bonner Naturschutzkonferenz gelungen ist, sich weltweit auf die nachhaltige Produktion und Nutzung von Agrokraftstoffen und auf einen besseren Schutz der Wälder zu verständigen.
Wir müssen endlich begreifen: Es geht um nichts weniger als eine kooperative Entwicklungspolitik für den ganzen Planeten. Mit der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen wurde dafür im Jahr 2000 eine gute Grundlage gelegt. Jetzt kommt es darauf an, die darin gesetzten Ziele auch wirklich zu erreichen. Und wir alle wissen, wie weit wir - leider - noch von der Halbierung der Armut bis 2015, der Eindämmung von Gewalt und Konflikten und dem Schutz der Umwelt entfernt sind. Ich möchte Sie ermutigen, an diesen zentralen Aufgaben nach besten Kräften mitzuwirken.
Ich hoffe - und ich bin eigentlich fast sicher - dass Sie dieser Besuch auch neugierig gemacht hat, mehr von Deutschland kennen zu lernen. Ich kann Sie darin nur bestärken. Sie haben in Ihren Heimatländern eine wichtige Rolle als Vermittler eines differenzierten Deutschlandbildes. Reisen Sie und sprechen Sie mit den Leuten in Deutschland: Erleben Sie die kulturelle Vielfalt, die wirtschaftliche und wissenschaftliche Dynamik und das starke zivilgesellschaftliche Engagement in unserem Land. Lernen Sie die Gastfreundschaft meiner Landsleute kennen. Vor allem möchte ich aber, dass Sie sich in unserem Land, in Ihrem Gastland, wohl fühlen!
Mir war es jedenfalls eine Freude, den Diplomaten aus aller Welt dieses schöne und leistungsstarke Bayern zeigen zu können. Danke dafür, Herr Ministerpräsident! Zur Bildergalerie )