Redner(in): Roman Herzog
Datum: 9. Oktober 1997
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Roman-Herzog/Reden/1997/10/19971009_Rede.html
Ich heiße Sie alle herzlich willkommen im Schloß Bellevue in Berlin.
Sie können sich vorstellen, daß ein Bundespräsident manches tun muß, wozu ihn die Pflicht veranlaßt. Aber Sie dürfen mir glauben: die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes gehört zu den angenehmeren Seiten eines Bundespräsidenten-Daseins.
Nicht etwa deshalb, weil man sich bei einer Ordensverleihung der Sympathie der bzw. des Geehrten sicher sein kann. Ich möchte nicht ausschließen, daß dies im Einzelfall auch so ist. Aber in einem demokratischen Staat ist die Ordensverleihung kein fürstlicher Gunsterweis, um sich Loyalität zu sichern. Heutzutage sind Orden der bescheidene Dank des demokratischen Staates für herausragende persönliche Leistungen!
Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes hat die meisten von Ihnen - wie mir meine Mitarbeiter berichtet haben - überrascht. Das spricht für Ihre Bescheidenheit, die manche sogar zu der Frage veranlaßt hat, ob sie eine Auszeichnung überhaupt annehmen sollten.
Ich will nicht verhehlen, daß in Deutschland der Mißbrauch von Ehrenzeichen in den Zeiten der Diktatur eine Belastung und Diskreditierung darstellte. Aber ich meine, daß die Demokratie auch solche äußeren Zeichen der Wertschätzung und des Dankes nicht den Diktatoren überlassen darf!
Durch die Verleihung dankt der Staat Ihnen für Ihre persönliche Leistung, die Sie für das Gemeinwohl erbracht haben. Umgekehrt demonstrieren Sie als Bürger ihre Verbundenheit zu unserem demokratischen Staat, indem sie diesen Orden annehmen und tragen.
Die heutige Ordensverleihung ist für mich ein Anlaß zur Freude. Zum einen gibt sie mir Gelegenheit, Ihnen allen, die Sie viel für unser Gemeinwesen tun, Dank zu sagen. Zum anderen beweist der Anlaß, daß in unserer Gesellschaft, in der die Werteordnung sich sehr stark verändert, weiterhin Maßstäbe existieren und Werte gelebt werden, die für den Bestand eines demokratischen Rechtsstaates und für ein funktionierendes humanes Zusammenleben notwendig sind.
Hier versammelt ist ein Querschnitt unserer Bevölkerung. Es sind unter Ihnen weithin bekannte Gesichter und Namen. Die Mehrzahl von Ihnen gehört jedoch zu der Gruppe solcher Bürger, die nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Unter Ihnen sind Menschen, die sich kirchlich, karitativ oder sozial engagiert haben, für Arbeitslose, Behinderte, Opfer von Verbrechen, Obdachlose und Kranke. Es sind Bürgerrechtler unter Ihnen. Es sind Wissenschaftler unter Ihnen, deren berufsbedingter Neugierde wir bedeutende Forschungserfolge und Entwicklungen verdanken. Bei einigen von Ihnen ist der Umweltschutzgedanke die treibende Kraft. Es sind Bürger unter Ihnen, die ihre Kreativität in Erfindungen und Innovationen umzusetzen vermögen. Den Journalisten unter Ihnen haben wir Information und Meinungsvielfalt, die natürlich auch Kritik einschließt, zu verdanken.
Wenn Deutschland sich auch heute noch einer hohen Musikkultur rühmen kann, so haben wir das nicht zuletzt auch denjenigen unter Ihnen zu verdanken, die die unterschiedlichen Musikrichtungen hier vertreten, von der Rockmusik über Musicals bis hin zur Oper und zur klassischen Instrumentalmusik.
Überhaupt ist die Erhaltung und Weiterentwicklung aller Arten von Kultur wichtig. Engagement im Denkmalschutz - sei es in Aschersleben, sei es woanders - ist eine Aufgabe, für die es sich lohnt, einzutreten. Auch unsere heutige Bauweise ist ein sichtbares Zeichen unserer Kultur. In der Architektur, im Design, im Film spiegeln sich unsere Lebens- und Arbeitsweise wieder. Dies alles ist letztlich Abbild unserer Gesellschaft.
Ihnen allen gebührt unser herzlicher Dank. Ihre Arbeit - so unterschiedlich und vielfältig die Facetten sein mögen - ist für uns außerordentlich wichtig. Wir sind auf diese Leistungen angewiesen, auch um am Weltmarkt bestehen zu können, um Arbeitsplätze zu sichern, um mit diesem Wissen die Basis für solide Lebensgrundlagen anderer zu schaffen, um die Innovationskraft und den Kulturstandort Deutschland unter Beweis zu stellen. Ohne Ihre Mitmenschlichkeit, ohne Ihre Bereitschaft zu - oft ehrenamtlichem- außergewöhnlichem Engagement wären wir um vieles ärmer. Bitte machen Sie weiter!
Ich möchte nicht verhehlen, daß ich mit Ihrer Auszeichnung noch einen zusätzlichen Zweck verfolge. Ich möchte unsere Mitbürger davon überzeugen, daß es sich lohnt, sich für eine gute Sache einzusetzen. Nicht etwa deshalb, weil man hinterher vielleicht mit einem Orden rechnen kann - dafür kann ich nicht garantieren - , sondern gerade auch dann, wenn dafür keine unmittelbare staatliche Gegenleistung zu erwarten ist. Die Gegenleistung - das wissen Sie aufgrund Ihrer eigenen Erfahrung viel besser als ich - besteht vor allem in der Genugtuung über kleine oder große Erfolge und in der Dankbarkeit derjenigen, denen die unmittelbare Hilfe und Unterstützung gilt.
Seien Sie mir nochmals herzlich willkommen. Ich freue mich auf das Zusammensein mit Ihnen.