Redner(in): Horst Köhler
Datum: 9. Oktober 2008

Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2008/10/20081009_Rede.html


Wenn wir Europäer auf den afrikanischen Kontinent blicken, sehen wir nur allzu oft uns selbst. Wir machen uns ein Bild von Afrika, das weniger mit der heutigen Lebenswirklichkeit in den afrikanischen Gesellschaften zu tun hat, als damit, wie wir den Kontinent sehen möchten.

Dieses Bild verstellt aber nicht nur uns die Sicht, sondern ist bis heute eine Bürde für afrikanische Künstler und Intellektuelle, die sich lange als Gefangene des westlichen Blicks fühlten und ihre eigene Sprache und ihre eigenen Bilder wieder finden mussten.

Es ist also höchste Zeit, dass wir einen neuen und differenzierten Blick auf den Kontinent werfen. Filme können uns dabei helfen. Sie erzählen Geschichten über das heutige Afrika, aus der Perspektive der Afrikaner, in ihren eigenen Worten und Bildern, oft in der mündlichen Tradition der Geschichtenerzähler.

Afrikanische Filmemacher haben sich längst von postkolonialen Sichtweisen entfernt und ganz neue Themen und Ausdrucksformen entwickelt. Sie sparen kritische Fragen nicht aus, beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Globalisierung auf ihre Länder, mit Migration, Kriegen, Umweltproblemen oder Krankheiten. Sie erzählen aber auch über eine afrikanische Mittelschicht, über junge Menschen, die ihre Zukunft aktiv gestalten wollen. Der Film, den wir heute gemeinsam sehen werden, ist dafür ein gutes Beispiel. Sein Hauptdarsteller hat die Idee des Films so beschrieben: "Unser Film handelt von Menschen und Ideen in der Mitte. Er erzählt von den Grautönen, nicht von Schwarz oder Weiß."

Ich freue mich, dass das Haus der Kulturen der Welt eine so umfassende Schau zum afrikanischen Filmschaffen präsentiert. Ein Blick in das Programm macht deutlich, wie viele unterschiedliche Blickwinkel und Filmsprachen der Kontinent zu bieten hat.

Ich bin oft in Afrika gewesen und weiß, wie vielfältig und reich die Kulturen des Kontinents sind. Leider wird Afrika in unserer Wahrnehmung oft auf einen Hilfeempfänger reduziert und nicht als Partner auf Augenhöhe gesehen. Genau darum geht es mir bei meinem eigenen Projekt "Partnerschaft mit Afrika". Die Industrie- und Schwellenländer müssen Afrika als Partner ernst nehmen: politisch, wirtschaftlich und eben auch kulturell.

Deshalb setze ich mich auch dafür ein, dass Gegenwartskunst aus Afrika in Deutschland wahrgenommen wird: Literatur, Film und bildende Kunst. Gerade hatte ich afrikanische Poeten bei mir zu Gast in Schloss Bellevue, heute sprechen wir über Filme aus Afrika und im nächsten Jahr werden die Staatlichen Museen zu Berlin auf meine Anregung hin zeitgenössische bildende Kunst aus Afrika präsentieren. Viele von Ihnen engagieren sich selber seit vielen Jahren für diese Themen. Ich möchte Sie deshalb einladen, das Medieninteresse, das im Zuge dieses Ausstellungsprojekts in Berlin entstehen wird, auch für Ihre eigenen kulturellen Aktivitäten zu nutzen. Lassen Sie uns den Frühsommer des kommenden Jahres zu einem Sommer der afrikanischen Kultur in Berlin machen. Lassen Sie uns gemeinsam an einem neuen Afrika-Bild in Deutschland arbeiten.

Viele der heute anwesenden afrikanischen Regisseure leben und arbeiten sowohl in Afrika, als auch in Europa oder den USA. Ich sehe auch hier im Publikum Afrikaner, die in Deutschland leben. Migration zwischen den Kontinenten, aber auch innerhalb Afrikas ist für viele afrikanische Gesellschaften zu einem bestimmenden Muster geworden. Dies spiegelt sich auch in afrikanischer Kunst, in Büchern und Filmen wider. Dabei stellen die in Europa lebenden Afrikaner eine wichtige Brücke zwischen den Kontinenten und den Kulturen dar. Dieses Potential ist noch lange nicht ausgeschöpft. Ich freue mich deshalb besonders, dass sich auch die Berliner Initiative "Afrikamera 2008" am Festival beteiligt und uns eine interessante Auswahl von Filmen des Filmfestivals in Burkina Faso zeigen wird. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr solcher Initiativen aus der afrikanischen Diaspora heraus in Deutschland entwickeln und von uns allen genutzt werden.

Ich möchte allen danken, die dieses Festival ermöglicht haben, insbesondere Herrn Scherer, dem Intendanten des Hauses der Kulturen der Welt und seinem Team sowie den Organisatoren von Afrikamera 2008. Nun wünsche ich uns allen einen vergnüglichen Filmabend und interessante Gespräche.