Redner(in): Horst Köhler
Datum: 6. April 2009
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2009/04/20090406_Rede.html
Der erste Nobelpreis für Medizin im Jahre 1901 ging an einen Deutschen: Emil von Behring. Der bisher letzte ebenfalls: Am 10. Dezember 2008 haben Sie, lieber Herr Professor zur Hausen, diese hohe Auszeichnung entgegengenommen. Ein großer Tag für Sie, ein großer Tag für das Deutsche Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft, und nicht zuletzt ein großer Tag für die Wissenschaft in Deutschland!
Es hat mich sehr gefreut, dass Sie für den Festakt im Stockholmer Konzerthaus das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland angelegt hatten. Denn damit haben Sie - der vielfach und auch international Geehrte - Ihre Verbundenheit mit unserem Heimatland gezeigt. Heute darf ich Ihnen nun - gleichsam im Nachhall Ihrer Stockholmer Sternstunde - das Große Verdienstkreuz mit Stern überreichen. Dieser Stern wird noch sichtbarer machen: Sie haben Großes geleistet, Sie haben sich um unser Land und um die Menschen verdient gemacht.
Wissenschaftlicher Fortschritt dient den Menschen: Das liegt nicht immer so klar auf der Hand wie in Ihrem Falle. Ihre Arbeiten haben den Weg gebahnt für eine Impfung, die heute Frauen in der ganzen Welt vor Gebärmutterhalskrebs schützen kann.
Krebs vermeidbar zu machen - das ist ein großer Menschheitstraum. Auf kaum einen Bereich der Medizin werden so viele Hoffnungen gesetzt wie auf die Krebsforschung. Sie, lieber Herr Professor zur Hausen, haben gezeigt: Der mühsame wissenschaftliche Kampf gegen diese Krankheit lohnt sich. Und noch etwas Wichtiges haben Sie gezeigt: Es lohnt sich, auch scheinbar abseitige Wege zu beschreiten. Mit Ihren visionären Thesen zur Rolle von Viren bei der Entstehung von Krebs sind Sie zunächst - sagen wir es freundlich - auf Skepsis gestoßen. Aber Sie haben sich davon nicht beirren lassen."Beharrlichkeit" - fast alle Porträts, die ich über Sie gelesen habe, schreiben Ihnen diese Eigenschaft zu. Beharrlich sind Sie Ihren Weg gegangen, haben sich unabhängig gemacht von wissenschaftlichen Dogmen und von außerwissenschaftlichen Interessen. Deswegen konnten Sie auch recht gelassen bleiben, als zur Preisverleihung Kritik am Nobelpreiskomitee - und wohlgemerkt: nicht an Ihren wissenschaftlichen Verdiensten - laut wurde.
Mit Beharrlichkeit setzen Sie sich heute dafür ein, nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen gegen die von Ihnen entdeckten Viren zu impfen. Und ebenso beharrlich kämpfen Sie dafür, diese Impfung viel preiswerter zu machen, damit auch die Menschen in den Entwicklungsländern davon profitieren können. Für Ihr Engagement in Afrika - etwa mit der International Union Against Cancer in Tansania- möchte ich Ihnen ganz besonders danken.
Afrika - Südafrika insbesondere - gehört neben der Wissenschaft Ihre Leidenschaft - daran dürften Sie, liebe Frau Professor de Villiers, nicht ganz unschuldig sein. Auch mir liegt dieser Kontinent voller Wunder und voller Wunden sehr am Herzen. Und ich weiß, wie wertvoll Unterstützung wie die Ihre ist, um die Menschen dort besser medizinisch zu versorgen und wirksamer vor Infektionskrankheiten zu schützen. Dazu braucht es nicht zuletzt mehr Forschung - vor allem, was die Bekämpfung von HIV / AIDS betrifft. Mit der Entdeckung des AIDS-Erregers haben Francoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier die Grundlagen dafür gelegt. Deswegen war es gerade mit Blick auf die Herausforderungen in Afrika besonders stimmig, dass sie mit Ihnen gemeinsam den Medizin-Nobelpreis erhielten.
Lieber Herr Professor zur Hausen, Ihre Enkeltochter hat - so berichten Sie - schon sehr entschieden den Wunsch geäußert: Ich will auch einen Nobelpreis. Ein hohes Ziel - zumal für eine Dreijährige. Aber ich bin überzeugt: Wo sich Zielstrebigkeit paart mit Begeisterung und Anstrengung mit Begabung, da ist vieles möglich für die junge Generation in unserem Land.
Wir "Großen" müssen unsererseits alles dafür tun, dass junge Menschen überhaupt Ziele für sich entdecken - gerade auch in den Naturwissenschaften. Und wir müssen mehr dafür tun, dass sie diese Ziele erreichen können - es muss ja und wird nicht immer der Nobelpreis sein. Wir brauchen konsequente Nachwuchsförderung vom Kindergarten bis zur Hochschule. Und wir brauchen Mentoren, die zeigen, wie aufregend Wissenschaft sein kann, und Vorbilder, die vorleben, wie weit man mit Beharrlichkeit kommen kann. Ich habe gehört, lieber Herr Professor zur Hausen, dass Sie als Schüler von Robert Koch - dem zweiten Medizinnobelpreisträger aus Deutschland - fasziniert waren. Wir sind gespannt, wer die Nobel-Reihe künftig fortsetzen und sich dabei auf Sie berufen wird! Jetzt aber wollen wir Ihr Vorbild erst einmal kräftig leuchten lassen - mit dem Stern des Großen Verdienstkreuzes.