Redner(in): Horst Köhler
Datum: 3. Mai 2010
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2010/05/20100503_Rede2.html
Seien Sie alle ganz herzlich willkommen hier in Schloss Bellevue. Ich freue mich sehr über diese illustre Tischgemeinschaft, die heute zu Ihren Ehren, lieber Herr Burda, zusammengekommen ist.
Wie viele Leben passen in ein Leben? Diese Frage ist gar nicht so paradox, wie sie sich anhört, vor allem dann nicht, wenn man auf Ihr Leben schaut. Keine Angst, liebe Gäste, ich werde jetzt nicht die Biographie unseres Jubilars referieren, zumal hier im Kreis bestimmt einige sind, die sich mit Hubert Burdas Lebensgeschichte weit besser auskennen.
Aber die Frage "Wie viele Leben passen in ein Leben?" kommt mir eben doch in den Sinn, wenn ich Revue passieren lasse, was ich von Ihnen, Herr Burda, weiß.
Jeder von uns wird von seiner Herkunft geprägt - und wenn das zwei so starke Persönlichkeiten sind - genauer: zwei starke Verlegerpersönlichkeiten - wie in Ihrem Fall, dann wird das nicht ganz ohne Spuren bleiben. Da dürfte Ihnen einiges in die Wiege gelegt worden sein, was das Verlagsgeschäft angeht, in dem Ihnen später so glänzende Erfolge vergönnt waren.
Manchmal will man aber gerade das nicht, was einem in die Wiege gelegt wird. Sie wollten lieber malen und waren fest entschlossen, Maler zu werden. Ihr Studium der Kunstgeschichte war, wie man lesen kann, ein Kompromiss - und dann hat Ihnen der Vater auch noch eine Frist gesetzt, bis wann Sie fertig zu sein haben. Sie haben sozusagen um die Wette studiert und promoviert. Das war lange vor Bologna.
Ein Kunsthistoriker im Verlagsgeschäft, das sind schon einmal zwei Leben. Aber im Verlagsgeschäft selber hat man Sie in allen möglichen Rollen finden können, als Geschäftsführer, als Chefredakteur, als Blatterfinder, als Produktmanager, als Medienunternehmer. Das allein ist schon viel für ein einziges Leben.
Unser Land lebt von erfolgreichen Unternehmern, von mutigen und erfindungsreichen Machern, es lebt von denen, die auf diese Weise mit ihren Mitarbeitern Wohlstand und Arbeit schaffen. Zu diesen Menschen gehören Sie, und Ihrem Mut und Erfindungsgeist hat unser Land viel zu verdanken.
Ich nenne nur ein Beispiel: Es gehörte eine große Portion Mut dazu, ein neues Nachrichtenmagazin auf den Markt zu bringen. Da muss man schon von seiner Idee sehr überzeugt sein - und natürlich auch ein Händchen dafür haben, die richtigen Leute zu finden, die an dieselbe Idee glauben und sie umsetzen können. Sie haben es geschafft - und das hatte zu Beginn fast niemand für möglich gehalten.
Vielleicht hat dieser Sinn für das Mögliche, für das Neue und für das Überraschende, das dann gelingt, eben doch sehr viel mit Ihrem - soll ich sagen: ersten? - Leben zu tun. In der Kunst geht es ja immer auch um das Mögliche, die Utopie. Die Kunst haben wir unter anderem, um der Wirklichkeit die Möglichkeit gegenüberzustellen - der Welt, wie sie ist, eine Welt, wie sie sein könnte.
Wer so eine Haltung tief in sich aufgenommen hat, wer davon im Innersten geprägt ist, der wird auch als Verleger, als Unternehmer, als Chefredakteur, die entscheidende Idee mehr haben, der wird nicht zufrieden sein mit dem jeweiligen Stand der Dinge, der sucht nach neuen Möglichkeiten.
So überrascht es mich auch überhaupt nicht, dass Sie sich vorgenommen haben, anschließend einige Worte zu den medialen Veränderungen zu sagen. Ich freue mich darauf, und ich bin sicher, wir werden eine interessante Diskussion führen.
Ich habe davon gesprochen, wie viel unser Land innovativen Unternehmern verdankt. Unser Land verdankt aber auch denen sehr viel, die sich engagieren für das Gemeinwesen, für die Kultur, für die Mitmenschen.
Zu diesen Menschen gehören Sie mit Ihren vielen Leben ebenfalls. Auch Ihrem kulturellen und gesellschaftlichen Engagement verdankt unser Land sehr viel.
Ich greife nur ein Beispiel heraus:
Sie haben 1975 einen Literaturpreis gestiftet, den Petrarca-Preis, und dafür eine hervorragende Jury gefunden. Der Preis war sehr schnell anerkannt. Was aber vielleicht noch bewundernswerter ist, ist die Tatsache, dass Sie mit Ihren Mitstreitern 1995 gesagt haben: Es reicht, der Petrarca-Preis läuft erst einmal aus. Wer den Mut hat zu Neuem, der muss auch die Kraft haben, etwas zu beenden oder ruhen zu lassen, auch wenn es sehr erfolgreich ist. Sie haben dann einen neuen Preis ins Leben gerufen, den Hermann-Lenz-Preis für deutschsprachige Lyrik. Und wie man mir zugeflüstert hat, soll auch der jetzt auslaufen - und es wird wieder einen Petrarca-Preis geben.
Sich nicht auf Erfolgen auszuruhen, Ausschau zu halten nach neuen Herausforderungen: das zeichnet Sie aus als Unternehmer und als Mäzen. Das zeichnet Sie aber auch aus als den Initiator vieler wichtiger gesellschaftlicher Aktivitäten und Einrichtungen.
Aufzählen kann und will ich das nicht alles, aber ein Beispiel doch herausgreifen: Ihr besonderes Engagement für die deutsch-jüdische Aussöhnung, die Ihnen so sehr am Herzen liegt. Wie sehr Ihre Bemühungen in dieser Hinsicht geschätzt werden, kommt darin zum Ausdruck, dass Ihnen die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen wurde.
Ganz gewiss tun Sie sich mit der Förderung auf so vielen Gebieten der Kunst auch selber einen Gefallen, denn Sie lieben die Kunst und die Literatur, Sie sind gerne mit Künstlern und Schriftstellern zusammen. Aber es ist ja nicht verboten, dass Engagement von Glück und Zufriedenheit begleitet wird. Das darf und soll sogar so sein.
Nehmen Sie dieses Essen zu Ihrem runden Geburtstag als ein Dankeschön, das ich als Bundespräsident im Namen so vieler aussprechen möchte, für die Sie sich eingesetzt haben.
Peter Handke hat einmal über ein Treffen der Schriftsteller im Rahmen des Petrarca-Preises geschrieben: Für eine kleine Zeit waren da die Verstreuten so glücklich wie selbstverständlich, so rein wie wortlos vereint, und das war auch schon das ganze Fest: Große Zeit! , es gibt so etwas also auch heutzutage noch, diese und jene Stunde lang, und die verfliegt nicht wie eine bloße Stimmung."
Das zeigt nicht nur, welches Geschenk der Preis und das damit verbundene Treffen für die Schriftsteller war. Es soll auch ausdrücken, was ich uns für diesen Mittag wünsche.
Herzlichen Dank.