Redner(in): Christian Wulff
Datum: 8. März 2012
Ich möchte mich erst einmal bedanken, dass Sie ins Schloss Bellevue gekommen sind.
Diesen Anlass heute hatte ich mir eigentlich erst für 2015 vorstellen können. Ich hätte es allerdings als Niedersache auch wissen können. Aus der Region stammt Wilhelm Busch. Und von ihm stammt der schöne Satz: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Ich empfinde heute Bedauern, das werden Sie nachvollziehen können, aber vielmehr empfinde ich Dankbarkeit und Zuversicht. Dankbarkeit für wundervolle Begegnungen mit eindrucksvollen Menschen, die sich einsetzen für ihre Nächsten, in ihrer Umgebung, für unser Land. Hier und in der ganzen Welt.
Mein erster Dank gilt daher den Bürgerinnen und Bürgern in unserer so überaus aktiven Bürgergesellschaft. Bei allen Gesprächen in der Welt habe ich immer wieder darauf hingewiesen, wie lebhaft bei uns die Verbände und Vereine sind und wie wichtig das Ehrenamt ist.
Ich danke für die hervorragende Zusammenarbeit dem Bundesrat und dem Präsidenten des Bundesrates gerade auch für seinen Einsatz in den letzten Wochen, dem Präsidium des Bundesrates und den Ländern, weil ich davon überzeugt bin, dass der Föderalismus eine Stärke Deutschlands ist.
Ich danke dem Bundestag, dem Präsidenten, dem Präsidium, den Fraktionsspitzen. Ich danke den vielen Ausschüssen und Gremien, denn ich hatte in den letzten zwei Jahren mit zwölf Ausschüssen und Gremien intensive inhaltsreiche und gute Gespräche und bin weiterhin der Überzeugung, dass das Parlament die Herzkammer der Demokratie - unserer Demokratie ist und dort die Entscheidungen hingehören und getroffen werden.
Ich danke der Bundesregierung, insbesondere unserer Bundeskanzlerin, dem Vizekanzler, dem Außenminister und allen Ministerinnen und Ministern für die gute Zusammenarbeit, die stete Unterstützung und die Kooperation, auf die unser Grundgesetz auch angelegt ist, beispielsweise bei der völkerrechtlichen Vertretung Deutschlands im Ausland.
Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundespräsidialamtes, von denen viele oft Übermenschliches geleistet haben, gerade auch in den vergangenen Monaten. Und ich danke ganz herzlich meiner Frau Bettina, die unser Land auf großartige Weise überzeugend und mit einem enormen Zeiteinsatz repräsentiert hat.
Ich hoffe, dazu beigetragen zu haben, dass ein Nachdenken über unser deutsches "Wir" entstanden ist. Wir haben eine gemeinsame Zukunft und die liegt in den Köpfen und Herzen der bei uns lebenden Menschen. Sie hängt davon ab, dass jeder und jede seine Talente entfalten und einsetzen kann und auch tatsächlich einsetzen will. Dass wir offen sind füreinander, für Vielfalt und Wandel.
Und sie hängt davon ab, dass wir klare unzweideutige Zeichen setzen, wenn unser Zusammenleben und unsere freiheitliche Demokratie bedroht ist deshalb war die Gedenkfeier für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt exakt vor zwei Wochen ein so wichtiges Signal nach innen und nach außen, und ich freue mich, dass auch der türkische Botschafter hier unter uns ist.
Der Dialog der Kulturen ist von entscheidender Bedeutung, schauen wir nur auf den Umbruch in der arabischen Welt, auf die Konflikte im Nahen Osten, auf die Konflikte mit Iran. Das besorgt uns, das treibt uns um, das muss im Mittelpunkt der Debatten stehen und insofern ist die Weltgemeinschaft tatsächlich eine Schicksalsgemeinschaft.
Bei unzähligen Botschafterakkreditierungen und
-verabschiedungen, das gehört zu den schönsten Aufgaben als Bundespräsident, habe ich immer gespürt - wie auch bei meinen Reisen - welch hohe Wertschätzung unser Land in der Welt genießt: ob in Japan, in Brasilien, in der Türkei oder in Israel. Der Besuch dort hat mich besonders berührt. Ich habe sofort gespürt, wie wichtig es war, dass junge Leute darunter meine Tochter Annalena mit dabei waren, um zu zeigen: Wir Deutschen fühlen uns verantwortlich dafür, dass die Erinnerung an die Schrecken der Schoah auch in Zukunft nicht verblasst.
Unser Weg in die Welt führt immer zuerst über Europa. Daran sollten wir gerade in diesen Wochen immer wieder erinnern. Die Europäische Einigung ist unsere gemeinsame großartige Errungenschaft. Sie muss uns jede Anstrengungen wert sein.
Und es gibt noch eine Reise, die mir in besonderer Erinnerung ist: der Staatsbesuch in Afghanistan. Dort habe ich Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten getroffen, die mir von ihren Erfahrungen in ihrem gefährlichen Einsatz berichtet haben. Auch im Inland habe ich viele Gelegenheiten genutzt, mich mit Soldatinnen und Soldaten zu treffen, um ihnen zu zeigen, dass wir Anteil nehmen, dass wir uns kümmern, dass wir uns der Bedeutung ihrer Arbeit bewusst sind. Die Begegnungen mit den Soldaten und deren Zusammenhalt untereinander haben mich tief beeindruckt.
Deswegen bin ich Ihnen, Herr Bundesverteidigungsminister de Maizière, besonders dankbar, dass Sie mir mit dem Großen Zapfenstreich die Gelegenheit geben, mich von den Soldatinnen und Soldaten zu verabschieden und die enge Verbundenheit mit den Soldaten zu zeigen. Denn sie alle leisten einen gefährlichen, sie leisten vor allem aber einen großartigen Dienst, auf den unser Land zu Recht stolz ist.
Vielfalt, Weltoffenheit, Freiheit und sozialer Ausgleich das macht unser Land aus und stark. Ich wünsche deshalb am heutigen Tage Deutschland von ganzem Herzen eine politische Kultur, in der die Menschen die Demokratie als wertvoll erkennen und sich gerne für die Demokratie einsetzen, mit hoffentlich vielen positiven Erfahrungen.
Ich gehe mit dem Gefühl der Neugier und Vorfreude auf das, was kommt. Ich bin seit 37 Jahren politisch aktiv. In der Schule, der Universität, in meiner Heimatstadt Osnabrück, im Land Niedersachsen und in der Bundespolitik. Jede und jeder von Ihnen weiß, das war eine Zeit mit Höhen und Tiefen, wobei man manchmal aus den Niederlagen am meisten gelernt hat. Aber vor allem war es eine Erfahrung, dass es wichtig und letztlich erfüllend ist, sich politisch zu engagieren. Ich ermutige gerade junge Menschen, sich auf das Wagnis der Politik einzulassen.
Meiner Nachfolge wünsche ich eine glückliche Hand für Deutschland und breite Unterstützung in Deutschland, weil man die benötigt als Bundespräsident. Und ich kann Ihnen sagen, dass meine Frau und ich uns weiterhin engagiert für unser Land, an das wir glauben, und seine Menschen für die wir uns verantwortlich fühlen, einsetzen werden.