Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 7. Januar 2013

Untertitel: Bundespräsident Joachim Gauck hat beim Mittagessen zu Ehren des Präsidenten der Hellenischen Republik, Karolos Papoulias, am 7. Januar 2013 in Schloss Bellevue eine Ansprache gehalten: "Unser Ausstellungsbesuch heute Vormittag hat mir erneut vor Augen geführt, wie viel Gutes Deutschland und Griechenland gemeinsam zu leisten in der Lage sind. Eine begeisternde Schau, zustande gekommen in vorbildlicher Zusammenarbeit. Die Kult- und Sportstätte Olympia bezeugte die Einheit in der Vielfalt der griechischen Poleis, die Gemeinsamkeit im Wettbewerb. Wer dächte da nicht an Europa unsere heutige gemeinsame Polis, für die wir gemeinsam Verantwortung tragen!"
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2013/01/130107-Praesident-Griechenland.html


Kalimera Ich heiße Sie und Ihre Delegation noch einmal herzlich in Berlin willkommen. Sie kommen in ein Land und zu Menschen, die Sie aus eigenem Erleben sehr gut kennen. Auch insofern ist das ein außergewöhnliches Zusammentreffen, und ich freue mich darüber.

Unser Ausstellungsbesuch heute Vormittag hat mir erneut vor Augen geführt, wie viel Gutes Deutschland und Griechenland gemeinsam zu leisten in der Lage sind. Eine begeisternde Schau, zustande gekommen in vorbildlicher Zusammenarbeit. Die Kult- und Sportstätte Olympia bezeugte die Einheit in der Vielfalt der griechischen Poleis, die Gemeinsamkeit im Wettbewerb. Wer dächte da nicht an Europa unsere heutige gemeinsame Polis, für die wir gemeinsam Verantwortung tragen!

Griechenland befindet sich in einer tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise. Gerade die ganz normalen Bürger schultern seit jetzt drei Jahren enorme Lasten. Ich wage mir gar nicht auszumalen, was geschähe, wenn im deutschen öffentlichen Dienst die Gehälter um bis zu 30 Prozent gekürzt und Renten um bis zu 40 Prozent beschnitten würden. Was den Menschen in Griechenland abverlangt wird, wissen wir in Deutschland, auch das politische Deutschland, sehr wohl. Aber auch viele Griechen sagen, dass sich die Lage in ihrem Land dauerhaft nur bessern kann, wenn in Staat und Gesellschaft die erforderlichen Reformen durchgeführt werden. Das wird Zeit und Ausdauer brauchen. Das ist auch Ihre Auffassung, Herr Präsident. Am Ende aber, da bin ich sicher, werden sich die Anstrengungen auszahlen, vor allem für die Griechinnen und Griechen selbst.

Wir Deutsche unterstützen Sie auf diesem Weg. Wir wollen, dass Ihr Land einen neuen Aufbruch schafft. Griechenland ist für uns ein unverzichtbarer Teil der Europäischen Union. Ganz Europa schaut auf Griechenland, ganz Europa bangt mit Griechenland, weil für die meisten von uns offensichtlich ist, was für die Union insgesamt auf dem Spiel steht. Die Regierung Samaras hat sich auf den Weg gemacht, Vertrauen der Partner zurückzugewinnen. Die Bundeskanzlerin hat mir darüber berichtet. Auch dies wird nicht von heute auf morgen gelingen. Ich bin jedenfalls froh, dass die Bundesregierung bei der Modernisierung Griechenlands hilft etwa im Bereich der öffentlichen Verwaltung oder im Gesundheitswesen. Bilateral, über die Deutsch-Griechische Partnerschaft und die Deutsch-Griechische Versammlung; aber auch im Verbund mit unseren europäischen Freunden in der "Task Force Griechenland". Ich bin froh, dass dies funktioniert.

Herr Präsident, die letzten Jahre waren nicht einfach für die deutsch-griechischen Beziehungen. Das sagen uns die Umfragen, das sagt uns der Blick in die Medien. Lag es nur an den Folgen der Krise und an den Folgen der Versuche, sie zu bewältigen in Griechenland wie hier in Deutschland? Waren es auch die mitunter verletzenden, böswilligen und bisweilen unverantwortlichen Kommentierungen in der Presse, hier wie dort, die zusätzlich Öl ins Feuer gegossen haben? Vielleicht liegt die Ursache auch darin, dass wir nicht intensiv miteinander im Gespräch geblieben sind, weil wir uns zu lange mit an und für sich erfreulichen Feststellungen begnügt haben: dass geschätzt eine Million Griechen seit Ende der fünfziger Jahre in Deutschland gelebt, studiert und gearbeitet haben und mit meist guten Erinnerungen in ihre Heimat zurückgekommen sind. Und dass umgekehrt der Name Griechenland für viele Deutsche von einem großen Zauber begleitet war und ist sei es aus humanistischer Bildung, sei es wegen der olympischen Idee, sei es wegen unvergesslicher Urlaubserlebnisse mit gastfreundlichen und liebenswerten Menschen. Sie haben heute in unserer Pressebegegnung im Martin-Gropius-Bau daran erinnert. Jetzt sprechen wir nach meinem Eindruck wieder mehr miteinander als übereinander. Vieles ist zwischen unseren beiden Ländern neu in Bewegung gekommen, zahlreiche Initiativen sind entstanden. Das ist gut so.

Sie, Herr Präsident, sind im Widerstand gegen die deutsche Besatzung als Kind und Jugendlicher groß geworden. Sie haben dreizehn Jahre in Deutschland gelebt und von Köln aus zusammen mit anderen Exil-Griechen den Kampf gegen das Obristen-Regime in Ihrer Heimat geführt. Die Deutsche Welle hatte Ihnen allen dafür eine Stimme gegeben. Mit diesem mich sehr beeindruckenden Lebenslauf stehen Sie ganz persönlich für die engen bürgerschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Der berufliche Werdegang Ihrer Frau an der Universität Köln und der Ihrer drei Töchter, die bis heute in Deutschland leben, zeigt, wie gut die Integration der griechischen Bevölkerungsgruppe in Deutschland immer wieder gelungen ist. Wir wissen, was wir an unseren griechischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern haben. Sie gehören zu uns und bereichern unser Land. Ermutigen wir sie, noch mehr als Brücke zwischen Deutschland und Griechenland zu wirken als bisher! Ich denke, im Herzen und in der Willenskraft dieser Menschen, die bei uns leben und zugleich Griechenland in einmaliger Weise verbunden sind, liegt eine großartige Chance für unser Miteinander in Europa.

In diesem Sinne, Herr Staatspräsident, erhebe ich mein Glas und trinke auf Ihr persönliches Wohl, auf eine gute Zukunft des griechischen Volkes, das das Fundament Europas geprägt hat, und auf die deutsch-griechische Freundschaft und Partnerschaft. Uns allen ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2013!