Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 19. Februar 2013
Ich möchte Ihnen berichten, was mich heute in besonderer Weise bewegt hat. Sie, Herr Ministerpräsident, haben es mir in mehrfacher Weise leicht gemacht. Und auch Sie, meine Damen und Herren, die Sie hier die bayerische Bevölkerung vertreten: bei diesem Bürgerempfang, als Delegierte der Staatskanzlei aus allen sieben Regierungsbezirken. Sie haben mich erfreut mit Ihren Trachten, mit Ihren guten Gedanken, Geschenken. Und einfach durch Ihr Sosein.
Bayern, das ist eine Quelle von eigenständiger Mitverantwortung von Bürgerinnen und Bürgern, die für diese Verantwortung nicht bezahlt werden, sondern sie als Freiwillige auf sich nehmen. Sie machen damit unser Land nicht nur zu einem guten Land, sondern zu einem schönen Land. Es gibt viele Gründe, von einem "guten Land" zu sprechen. Politische, ökonomische, kulturelle, Gründe, die aus der Schönheit unserer Landschaften herrühren. All das gibt es.
Aber es gibt nichts Schöneres als einen Bürger, der sich diese Bezeichnung verdient dadurch, dass er sein Herz und seinen Kopf öffnet für unser Gegenüber. Für Menschen, die an unserer Seite sind und für Aufgaben, die auf unser Tun warten. Und deshalb ist für mich der allerschönste Schmuck einer Stadt, einer Landschaft eben nicht nur die schönen Gebäude und diese wunderschöne Altstadt, sondern es sind Sie, meine Damen und Herren. Ich möchte Ihnen als Ihr Präsident danken für all das, was Sie geleistet haben in Ihren Kirchgemeinden, in Ihren Vereinen, in der Freiwilligen Feuerwehr, in der Bildungsarbeit, bei der Bemühung um Integration von sozial Schwachen, aber auch von Zugewanderten.
Auch an einem recht trüben, dunklen Tag mit schlechtem Wetter, auch an solchen Tagen leuchtet Bayern. Nicht nur München das weiß ja jeder. Nein, Bayern, es leuchtet! Den Hauptgrund habe ich eben benannt, aber dann gibt es andere, über die ich einiges wusste, aber nicht alles. Ich wusste, dass Bayern ein prosperierendes Land ist. Dass es da schon Menschen gibt, auch in Regierungsämtern, die ihr Selbstbewusstsein nicht verbergen, sondern in aller Ruhe sagen, es geht seinen Gang und es geht gut. Das hat mir imponiert, muss ich sagen. Hier habe ich eine Eindeutigkeit gehört heute in München, bei der Staatsregierung. Wir machen das und wir machen es gut. Das war nicht parteipolitisch gemeint, sondern damit waren alle Landsleute im Freistaat gemeint, die das so richten, in der Kultur, in der Wirtschaft, in der Politik, im Sport.
Warum erwähne ich das? Weil ich glaube, dass, wenn uns etwas gelungen ist, wir uns das auch bewusst machen müssen. Wir dürfen uns als Deutsche, die wahrlich genug auf dem Kerbholz haben, wir dürfen uns als Menschen, wenn uns etwas gelungen ist, auch darüber freuen. Und wir dürfen Gott und den Menschen danken, dass wir es erleben, dass unser Land zur Blüte gekommen ist.
Unter dem Stichwort Erfolg kann ich den Besuch bei dem Technologiezentrum in Oberpfaffenhofen verbuchen. Aber es ist noch eine andere Begegnung, die mich bewegt hat, die ich heute hier in der Universität in Regensburg hatte. Eine Begegnung mit den Studierenden, die sich dem Osten widmen, die zum Teil auch aus den östlichen Ländern kommen und die für mich auf sehr eindrückliche Weise ein lebendiges Bild davon abgegeben haben, dass wir auf dem Wege sind, als Bayern, als Sachsen, als Deutsche vielleicht doch in mehreren Identitäten zu leben. Wir haben junge Leute gehört, die Eltern haben in östlichen Ländern und die so gut deutsch sprechen wie wir alle. Ich habe eine interessante Bemerkung zu hören bekommen: Als ich dort war, in Polen, dachte ich immer, ich sei Pole. Als ich in München lebte, für ein Semester, fühlte ich mich eigentlich als Deutscher. Das heißt also, wenn ich ihn fragen würde,"Was bist Du jetzt eigentlich?", würde er möglicherweise sagen,"ein Europäer".
Ist es nicht wunderbar, dass dieses Bayern, das für einige Menschen in anderen Teilen Deutschlands eine zeitlang als ein bisschen hinterwäldlerisch abgestempelt wurde, nun auf so vielen Gebieten vorn ist? Ich schweige mal vom Sport. Vorn in der Universitätslandschaft, , in der Kultur und nun auch vielleicht bei der Förderung des europäischen Denkens. Das würde mir natürlich sehr gut gefallen. Da gibt es nämlich noch Entwicklungspotential. Wir schauen alle in Europa gern Richtung Westen. Da brauchen wir Menschen, die auch imstande sind, in Richtung Osten zu schauen. Auf diejenigen, die gerne in Europa sein wollen. Die sich manchmal mehr freuen als wir, in Europa sein zu dürfen. Weil sie eben zu lange draußen waren, hinter dem Eisernen Vorhang. Und hier gibt es noch genügend Menschen, die sich daran erinnern, an diese schlimmen Zeiten. Und deshalb freue ich mich, dass an der Universität dieser Studiengang existiert, wünsche ihm viel Erfolg und Aufmerksamkeit der staatlichen Bildungspolitik.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, lieber Herr Ministerpräsident. Sie haben mich begleitet und gefühlt, dass ich als evangelischer Deutscher aus Mecklenburg-Vorpommern, also mit einer ganz anderen Prägung, trotzdem immer das Gefühl habe, ich komme nach Hause, wenn ich Menschen treffe, die etwas wollen, die Bürger sein wollen, die ihr Herz und ihren Verstand einsetzen, um unser Gemeinwesen zu einem guten Gemeinwesen zu machen.
Und so gesehen, kann es dann geschehen, dass wir überall in Deutschland, aber auch überall in Europa, wenn wir auf Menschen treffen, die uns dies Gefühl vermitteln, ein Heimatgefühl bekommen, das über regionale Prägungen hinausgeht.
Ich finde es wunderbar, dies zu erleben und deshalb glaube ich ganz sicher, dass ich wiederkommen werde. Ich habe mich sehr, sehr gefreut, ich gratuliere Ihnen zu den Erfolgen Ihrer Regierung, gratuliere der Opposition im Lande, dass sie so geduldig und treu die Demokratie liebt und ihre Rolle ausfüllt. Und gratuliere all denen, die unser Land schmücken, auch mit Schönheit und Kultur. Und die immer mal wieder, wie uns die Regensburger Domspatzen das eben auf lateinisch gesungen haben, dem Herrn ein neues Lied singen.