Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 25. Oktober 2013

Untertitel: Bundespräsident Joachim Gauck hat am 25. Oktober bei der Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an die Gewinner der Deaflympics und der World Games eine Ansprache gehalten: "Mit dieser Verleihung feiern wir eine Premiere: Zum ersten Mal werde ich gleich die Goldmedaillengewinner der World Games mit dem Silbernen Lorbeerblatt ehren und zwar gemeinsam mit den Gewinnern der Deaflympischen Sommerspiele. Dass hier Sportlerinnen und Sportler mit und ohne Hörminderung zusammenkommen, ist nicht nur ein schönes Symbol für die Vielfalt des Sports. Es zeigt auch, wie gut wir unsere Unterschiede gemeinsam leben können."
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2013/10/131025-Verleihung-Silbernes-Lorbeerblatt.html


Vor nicht allzu langer Zeit haben Sie wunderbare Erfolge erlebt: spannende Wettkämpfe, jubelnde und betrübte Athleten in Sofia oder im kolumbianischen Cali. Ihre Erinnerungen an die Spiele, an die Stimmung auf den Rängen, die haben Sie hoffentlich bis heute in Ihrem Gedächtnis bewahrt und heute mitgebracht hierher ins Schloss Bellevue. Sie dürfen heute durchaus für etwas Stadionatmosphäre sorgen! Ich hoffe, dass Sie sich wohl fühlen hier bei uns.

Ich jedenfalls fühle mich wohl, wenn ich Menschen meine Anerkennung aussprechen kann, in einer Zeit, in der wir oftmals über Fehler, Mängel, Sorgen, über Minderleistungen klagen. Da freuen wir uns hier im Haus ganz besonders, dass es in diesem Land so viele Menschen gibt, denen wir danken können: für ehrenamtliches Handeln, für herausragende wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen oder für Ihre großartigen Leistungen als Sportlerinnen und Sportler, für Ihre Vorbildwirkung für die Jugend. Deshalb kommt es von Herzen, wenn ich Sie hier willkommen heiße.

Viele von Ihnen haben vielleicht noch gar nicht so realisiert, dass sie mit dem Silbernen Lorbeerblatt die höchste staatliche Auszeichnung verliehen bekommen, vergleichbar mit dem Bundesverdienstorden. Das Besondere an Ihnen ist, dass Sie jünger sind als der Durchschnitt derer, die den Bundesverdienstorden tragen. Sie sind in einem Alter, in dem andere nur davon träumen, die höchste staatliche Auszeichnung zu bekommen.

Wir sind hier heute umgeben von einem ganz positiven sportlichen Geist. Und wir selber, Daniela Schadt und ich, wir erinnern uns an so manche Begegnung auf der sportlichen Ebene, ganz besonders an Sportereignisse, die nicht so sehr im Mittelpunkt der medialen Betrachtung standen: nämlich an die Special Olympics in München, wo die geistig behinderten Sportler sich in einer hinreißenden Weise miteinander gemessen und aneinander gefreut haben. Und wir denken an die Paralympics in London, die uns noch mehr beeindruckt haben als die Olympischen Spiele. Ich erwähne das, weil beide Ereignisse unseren Horizont erweitert haben. Wir konnten Leistungsbereitschaft und Spitzenkräfte auch dort sehen, wo der Fokus der Fernsehberichterstattung nicht hinreicht.

Vielleicht denken auch Sie hier und heute an manches schöne Ereignis zurück, an Siegtore in letzter Sekunde etwa. Aber vielleicht ist Ihnen auch nicht nur ein Sieger vor dem geistigen Auge, sondern irgendein Läufer, der als Allerletzter sich ins Ziel gequält und trotzdem den Beifall des Publikums auf sich gezogen hat.

Mit der Verleihung heute feiern wir übrigens eine Premiere: Denn zum ersten Mal werde ich gleich die Goldmedaillengewinner der World Games mit dem Silbernen Lorbeerblatt auszeichnen und zwar gemeinsam mit den Gewinnern der Deaflympischen Sommerspiele. Dass hier Sportlerinnen und Sportler mit und ohne Hörminderung zusammenkommen, das sehen wir nicht nur als ein schönes Symbol für die Vielfalt des Sports. Es zeigt auch, dass wir es zunehmend lernen, als Unterschiedliche Gemeinsamkeit zu leben.

Denn letztlich ist es doch das Verbindende, das Sie hier zusammenführt: Sie alle haben hart trainiert und kennen das Gefühl schmerzender Muskeln. Sie alle mussten sich dem Wettbewerb stellen, Sie wollten das auch. Und Sie alle mussten Ihr Bestes geben. Sie alle stehen für Spitzenleistungen und für ehrliches Kräftemessen, und dazu noch ohne Doping. Von Ihnen allen geht das Signal aus, dass es sich lohnt, Mühen in Kauf zu nehmen, sich anzustrengen und auf ein Ziel hinzuarbeiten. Und damit, mit dieser Haltung, weisen Sie über Ihren Sport hinaus. Ich darf Ihnen sagen: Damit werden Sie auch zu so etwas wie Vorbildern für die ganze Gesellschaft!

Wahrer Sportsgeist kennt keine Grenzen und er sollte auch nie nur die Gewinner im Blick haben. Deshalb möchte ich auch jenen gratulieren, die bei den World Games eine Bronze- oder Silbermedaille gewonnen haben und heute nicht hier im Saal sind, und genauso denjenigen, die es nicht aufs Podest geschafft haben. Auch ihnen gilt mein Respekt!

Die Deaflympics sollten dieses Jahr eigentlich, Sie erinnern sich, in Athen ausgetragen werden, mussten aber wegen der Krise dort abgesagt werden. Viele von Ihnen hatten sich sicher schon auf die Stadt gefreut. Athen und der olympische Gedanke, das gehört zusammen. Aber wie das manchmal so ist, Politik und Ökonomie kommen mit guten Absichten in den Weg, und so sind Sie dann nach Bulgarien gereist, wo Gott sei Dank die Spiele dann stattfinden konnten.

Alles in allem haben Sie in Sofia 44 Medaillen gewonnen. Herzlichen Dank und herzlichen Glückwunsch für so viel Erfolg! Ganz besonders stark waren diesmal die Tennisspieler: Sie holten dreimal Gold für Deutschland! Und auch die erfolgreichste deutsche Athletin der Deaflympics ist eine Tennisspielerin: Heike Albrecht aus Niederzier in Nordrhein-Westfalen gewann gleich drei Medaillen Gold im Einzel und im Mixed, Bronze im Doppel.

Zwei Medaillen hat die Schwimmerin Linda Neumann gewonnen. Sie ist hier in Berlin zu Hause und muss hier gleich noch einmal an den Startblock, denn sie wird ein paar Worte an uns richten. Ich möchte diese beiden Athletinnen stellvertretend für alle anderen erwähnen, obwohl ich sie natürlich am liebsten alle nennen würde: die Radsportler, die Schützen, das Bowling-Team, die Hand- und Fußballer. Und dann gibt es ja Sportarten, von denen ich und mancher von Ihnen vielleicht auch noch nie etwas gehört hatte. Allen jedenfalls gratuliere ich von Herzen zu Ihrem Erfolg!

Ein Mann, der das deutsche Team nach Sofia begleitet hat, fehlt heute in diesem Saal: Karl-Werner Broska, der Präsident des Deutschen Gehörlosen-Sportverbandes, ist vor kurzem, am 2. Oktober, gestorben. Wenn wir an ihn denken, erinnern wir uns daran, dass Karl-Werner Broska als junger Mann selbst ein überzeugender erfolgreicher Sportler war, und dass er dem Sport bis ganz zuletzt treu geblieben ist. Über 40 Jahre lang hat er sich ehrenamtlich für die Gehörlosen eingesetzt. Und für dieses außergewöhnliche Engagement wurde er 2005 mit dem Verdienstkreuz am Bande geehrt. Sicher wäre er jetzt sehr stolz auf Sie, auf "seine" Sportlerinnen und Sportler, die in Sofia so erfolgreich abgeschnitten haben.

Auch die World Games, die Spiele der nicht-olympischen Sportarten, fanden in diesem Sommer an einem interessanten Ort statt: in Cali, in Kolumbiens drittgrößter Stadt. Daniela Schadt und ich waren vor kurzem in diesem Land, das so geprägt ist von wie es manchmal heißt endemischer Gewalt. Und es hat uns sehr gefreut und bewegt, dass wir aktive Menschen dort getroffen haben, die zum ersten Mal so etwas wie eine Hoffnung auf friedliche Zustände empfinden. Es hat mich auch tief beeindruckt, dort auf Menschen zu treffen, die den Fortschritt in Demokratie und Wirtschaft organisieren. Die World Games, die für Frieden und Verständigung, für "Fair Play to the Planet" stehen, passten, so empfinde ich es jedenfalls, sehr gut an diesen Ort.

Das deutsche Team dort in Cali hat die Erwartungen übertroffen: 15 Gold- , 7 Silber- und 8 Bronzemedaillen waren es zum Schluss, so dass wir als Deutsche auf Platz vier im Medaillenspiegel landeten und so starke Länder wie die Vereinigten Staaten oder China hinter uns lassen konnten. Auch der erfolgreichste Athlet dieser Spiele kam aus Deutschland, es ist der Rettungsschwimmer Marcel Hassemeier. Vier Goldmedaillen, zwei im Einzel, zwei in der Staffel und dazu noch einmal Silber! Herzlichen Glückwunsch!

Und auch das Tanzen gehört zu den World Games. Während meines Besuchs in Kolumbien wurden meine Begleiter und ich einmal mit Sambamusik empfangen und meine temperamentvolle Lebensgefährtin Daniela sprang sofort auf und fing an, mit dem kolumbianischen Botschafter Samba zu tanzen, mitten auf der Straße. Das fiel uns ein, als wir von den Tänzern und ihrem Erfolg hörten. Irgendwie können wir uns das sehr gut vorstellen, wie man dort in einem großen Stadion tanzt. Claudia Köhler und Benedetto Ferruggia haben in Cali vor einer enormen Kulisse getanzt, vor 16.000 Zuschauern in der Stierkampfarena. Das muss schon was gewesen sein! Standardtanz, Sieger mitten in einer Salsa-Hochburg ein schönes Bild.

Sie alle haben Deutschland vorbildlich vertreten, in Bulgarien, in Kolumbien und vor den Augen der Zuschauer überall auf der ganzen Welt. Sie sind exzellente Botschafter unseres Landes, gerade auch, weil Sie seine ganze Vielfalt repräsentieren, seine unterschiedlichen Talente und Fähigkeiten und weil Sie für Werte stehen, die weit über den Sport hinausweisen: für individuelle Anstrengung und Fair Play, aber auch für die Anerkennung anderer Menschen.

Tragen Sie diesen Geist bitte weiter, in Deutschland und über die Grenzen hinaus! Dann wäre viel gewonnen und zwar für uns alle.

Ich danke Ihnen.