Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 21. März 2014
Untertitel: Bundespräsident Joachim Gauck hat am 21. März an einer Feier zum Newrozfest in der Alevitischen Gemeinde Berlin teilgenommen. In seiner Rede sagte er: "Engagieren Sie sich weiterhin so aufgeschlossen in diesem, unserem Land für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie, für die Werte von Aufklärung und Humanismus, für die Gleichheit von Mann und Frau, für Offenheit und Respekt."
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2014/03/140321-Newroz-Fest.html
Ich bin sehr gerne hier und begrüße mit Ihnen zusammen den Frühling und ein damit beginnendes neues Jahr!
Feiern verbindet: mit der Familie und mit Freunden. Mit den Gemeindemitgliedern, die alles hier so schön vorbereitet haben. Mit allen, die heute Ihre Freude teilen. Das sind viele: Allein in Deutschland feiern heute Hunderttausende das Newroz-Fest Menschen unterschiedlicher Sprachen und Nationalitäten, Gläubige und Nichtgläubige, Zugewanderte oder hier Geborene, vor allem kurdischer, aber auch iranischer oder afghanischer Herkunft, nicht allein Aleviten, sondern auch Angehörige der Baha ' i. Weltweit sind es mehrere hundert Millionen.
Das heutige Fest vermag uns zu verbinden also über geographische, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg. Und es verbindet mit den Vorfahren, mit ihren Traditionen und ihren Hoffnungen, mit ihren Vorstellungen von der Welt und davon, wie wir Menschen zusammenleben sollten. Ein Fest, dessen Wurzeln über mehrere tausend Jahre zurückreichen das ist etwas Kostbares in unseren rasanten Zeiten. Für die UNESCO gehört "Newroz" oder "Nouruz","Naurus" oder wie es auch immer genannt wird daher auch zum immateriellen Weltkulturerbe der Menschheit.
Wir haben in unserem Land Teil an diesem Erbe. Denn mit den Menschen haben sich auch die verschiedensten Feste hier in Deutschland beheimatet. Sie mögen auf den ersten Blick sehr unterschiedlich sein, manchmal auch fremd. Wer aber genauer hinschaut, erkennt dahinter das Gemeinsame auch im Newroz-Fest: den Moment, in dem unsere alltäglichen Besorgungen und Sorgen ruhen, in dem wir uns einreihen in den Gang des Jahres und uns vergewissern, dass wir Teil von etwas sind, das bedeutungsvoller und größer ist als wir selbst.
Hoffentlich verbindet der heutige Tag Sie, die Aleviten, darum auch mit Nachbarn, die neugierig werden und fragen: Was feiert Ihr denn da eigentlich? Ich bin jedenfalls sehr gespannt: auf das, was ich heute über das Newroz-Fest erfahren werde ich weiß, dass es für Sie eine ganz besondere, auch religiöse Bedeutung hat. Ich bin gespannt auf das, was Ihr Kinder Euch wünscht, und natürlich auf den Semah. Je mehr wir einander begegnen, je mehr wir uns austauschen, miteinander feiern, desto weniger können wir an Vorurteilen festhalten und dürfen uns selbst eine Meinung bilden. Ein Land, das den Verschiedenen eine gute, gemeinsame Heimat sein soll, braucht Offenheit füreinander und Respekt voreinander. Das ist einer der Gründe, warum ich heute als Ihr Bundespräsident bei Ihnen bin.
Wie wenig selbstverständlich es ist, wenn wir mit so verschiedenen Familiengeschichten, Festtagen, Glaubensbekenntnissen, Lebenseinstellungen oder Überzeugungen gut zusammenleben das erkennen wir, wenn wir uns umschauen und sehen, wie es in anderen Teilen der Welt aussieht, wie viel Gewalt und Diskriminierung, Intoleranz und Hass es gibt. Ein gutes Zusammenleben der Verschiedenen kommt nicht von allein. Es braucht neben Offenheit und Respekt auch viel Einsatz und den gemeinsamen Willen, Probleme zu lösen.
Das ist der zweite Grund, aus dem ich heute hier bin: Ich möchte Ihnen danke sagen, stellvertretend für alle, die sich so wie Sie engagieren. Mit den Bildungsangeboten Ihrer Gemeinde, mit Ihrer kulturellen, religiösen und sozialen Arbeit vermitteln Sie den Halt, die Werte, die Orientierung, die jeder braucht, um sein Leben selbständig zu meistern."Danke" möchte ich auch dem Verband sagen, der hinter Ihnen steht und von dessen Mitgliedern so viele jetzt vor mir stehen. Er feiert in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag. Sie haben schon einiges erreicht, über das wir uns alle gemeinsam freuen können: dass Sie als Religionsgemeinschaft anerkannt sind und es in mittlerweile neun Bundesländern regulären alevitischen Religionsunterricht in deutscher Sprache an Grundschulen gibt. So hat Ihre Religionsgemeinschaft hier Rechte erlangt, die Ihnen anderswo bis heute verwehrt sind.
Ich möchte Sie ermutigen: Engagieren Sie sich weiterhin so aufgeschlossen in diesem, unserem Land für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie, für die Werte von Aufklärung und Humanismus, für die Gleichheit von Mann und Frau, für Offenheit und Respekt. Bringen Sie sich weiter ein in unsere öffentlichen Angelegenheiten, erheben Sie Ihre Stimme im Dialog. So kommen wir zusammen weiter.
Jetzt wollen wir gemeinsam feiern. Allen, die heute in Deutschland Newroz begehen, wünsche ich ein segensreiches Jahr!