Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 3. Juni 2014

Untertitel: Bundespräsident Joachim Gauck hat am 3. Juni anlässlich der Verleihung des Philipp Franz von Siebold-Preises für besondere Verdienste um das gegenseitige bessere Verständnis der Kulturen und Gesellschaften Japans und Deutschlands an Motomu Tanaka eine Ansprache gehalten: "Sie fördern den wissenschaftlichen Dialog zwischen Japanern und Deutschen, bringen Studenten und Doktoranden, Assistenten und Professoren aus beiden Ländern zusammen und stiften so Begegnungen und Beziehungen."
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2014/06/140603-Siebold-Preisverleihung-Humboldt.html


Ich freue mich, Sie, verehrte Gäste, aus diesem sehr speziellen Anlass im Schloss Bellevue begrüßen zu können. Heute darf ich wieder den Philipp Franz von Siebold-Preis verleihen. Schon immer ging es in der Wissenschaft darum, Grenzen zu überschreiten und neue Welten zu entdecken, riesengroße ebenso wie winzig kleine. Philipp Franz von Siebold, der Arzt und Wissenschaftler, entdeckte den Kosmos Japan für die Europäer er erforschte Flora und Fauna, Kunst und Kultur. Sie dagegen, lieber Herr Tanaka, widmen sich als Biophysiker einem ganz anderen Universum: der komplexen Welt der Atome, Moleküle und Zellen.

Grenzen überwinden Sie dabei gleich in mehrfacher Hinsicht: In Ihrem Labor arbeiten Physiker, Chemiker und Biologen zusammen, über Fächergrenzen hinaus. Sie kooperieren mit Forschern aus aller Welt. Ein Gelehrter wie Immanuel Kant konnte im 18. Jahrhundert noch Bedeutendes für die Wissenschaft leisten, ohne Königsberg zu verlassen. Heute aber lassen sich bahnbrechende Erkenntnisse, wie sie in Ihrem Labor entstehen, nur noch durch Zusammenarbeit gewinnen, durch den offenen Austausch von Wissen.

Grenzen überwinden Sie, lieber Herr Tanaka, aber auch auf eine sehr konkrete Weise: Seit vielen Jahren schon pendeln Sie insbesondere zwischen Deutschland und Japan, und ich vermute, Sie werden mir nicht widersprechen, wenn ich sage, mittlerweile sind Sie hier wie dort zu Hause. Ich freue mich jedenfalls sehr, dass ich heute einen Wissenschaftler für seine Verdienste um die deutsch-japanischen Beziehungen auszeichnen kann, der in beiden Ländern fest verwurzelt ist, der also, anders als im klassischen Kontrapost, gleich zwei Standbeine hat eines in Kyoto und eines in Heidelberg. Lieber Herr Tanaka, Sie verkörpern die deutsch-japanische Verbindung, und zwar auf geradezu ideale Weise!

Sie fördern den wissenschaftlichen Dialog zwischen Japanern und Deutschen, bringen Studenten und Doktoranden, Assistenten und Professoren aus beiden Ländern zusammen und stiften so Begegnungen und Beziehungen. Sie bauen, ganz selbstverständlich und en passant, Brücken zwischen Ost und West, zwischen unseren Kulturen und Gesellschaften. Sie sorgen dafür, dass es jungen Forscherinnen und Forschern heute nicht so geht wie dem Frosch im Brunnen, von dem ein japanisches Sprichwort sagt, dass er vom großen Meer nichts wisse. Dafür danke ich Ihnen von Herzen!

Ich freue mich immer, wenn ich sehe, wie gut die internationale Verständigung in der Wissenschaft bereits gelingt, wie groß dort die Neugier ist. Gar keine Frage: Die Gemeinschaft der Wissenschaftler ist ein Vorbild für unsere Gesellschaften. Denn wenn wir die politischen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen wollen, müssen wir gewachsene Verbindungen stärken, neue Verbindungen schaffen, die Menschen noch näher zueinander bringen, und zwar überall auf der Welt.

Lieber Herr Tanaka, Sie haben sich verdient gemacht um die deutsch-japanische Freundschaft. Deshalb verleihe ich Ihnen nun den Philipp Franz von Siebold-Preis 2014.