Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 10. September 2014
Untertitel: Bundespräsident Joachim Gauck hat am 10. September die Ausstellung "VorBILDER. Sport und Politik vereint gegen Rechtsextremismus" im Deutschen Historischen Museum eröffnet. In seiner Ansprache sagte er: "Wir, die demokratischen Bürger, tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass Hass und Intoleranz keinen Nährboden und keine Zustimmung finden und dass jeder in unserem Land selbstbestimmt und ohne Angst leben kann".
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2014/09/140910-Ausstellung-Vorbilder-DHM.html
Die Ausstellung, die wir hier heute Nachmittag eröffnen, zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass wir miteinander verbunden sind, in diesem Falle Sport und Politik. Wir bilden ein starkes Team im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Das ist nicht erst seit heute der Fall, sondern das ist ein bewährtes Bündnis, das wir heute in einer besonderen Weise mit dieser Ausstellung würdigen.
Ein Team, in dem ganz verschiedene Typen und Talente zusammenwirken, um unsere offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen: So möchte ich uns, die wir heute hier versammelt sind, definieren. Was ich dabei besonders schön finde: Sie, die Mitwirkenden, tun das mit einem Lächeln auf dem Gesicht, entschlossen aber nicht grimmig, nicht verbissen. Ich finde das besonders wichtig, weil wir Rechtsextremisten nicht unsere Angst schenken wollen. Das haben wir überhaupt nicht vor, sondern in großer Entschlossenheit, verbunden mit Gelassenheit, treten wir ihnen entgegen.
Die Fotos von Angelika und Bernd Kohlmeier spiegeln wider, was unsere freiheitliche Gesellschaft auszeichnet. Und sie zeigen, warum es sich lohnt, immer wieder für sie einzutreten. Wir sehen da die vielen Gesichter unseres Landes und wir erkennen auf einen Blick: Vielfältigkeit, Vielfalt begegnet uns, sie bereichert uns, inspiriert uns und lässt Neues entstehen. Und wir erkennen auch, es macht Freude, wenn wir uns einander zuwenden und uns austauschen. Diese Freude ist stärker als jeder Hass.
Mein herzlicher Dank gilt allen, die sich vor der Kamera gezeigt haben. Die ihr Gesicht, ihre Person gezeigt und in den Dienst unserer gemeinsamen Sache gestellt haben. Und dieser Dank, er gilt auch vielen Menschen, die die Initiative "Sport und Politik verein ( t ) gegen Rechtsextremismus" unterstützen. Sie alle stehen für das Miteinander der Verschiedenen, das an vielen Orten dieses Landes täglich gelebt wird nicht nur in der Weltmeistermannschaft und in Sportvereinen, sondern zum Beispiel auch in Parteien oder Unternehmen, in Stadtteilen und Schulen, überall dort, wo Vernunft und Empathie und Solidarität gedeihen, wo Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur, unterschiedlicher Orientierung zueinander finden und ihr Miteinander gestalten. Die miteinander leben.
Alle diese Bürger beweisen Tag für Tag, dass Toleranz und Demokratie nicht einfach abstrakte Prinzipien sind, sondern auch so etwas wie ein Lebensgefühl. Eine Haltung, die es uns möglich macht, konstruktiv zu streiten und Kompromisse zu finden. Denn es geht ja nicht immer nur harmonisch zu, weder in einer Fußballelf noch in unserer Gesellschaft insgesamt. Wir wissen es doch alle: Wo unterschiedliche Menschen miteinander leben, da entstehen auch Konflikte. Und das Besondere an unserer Demokratie ist ja nicht etwa, dass sie perfekt sei. Wir alle wissen, dass sie das nicht ist. Aber sie gibt auch angesichts dieser Konflikte Regeln vor. Es sind Regeln, die noch wichtiger sind als Spielregeln des Sports. Faire Debatten und die Lösung von Konflikten werden begünstigt, wenn wir uns an Regeln halten. Sie werden überhaupt erst möglich dadurch. Und unsere Demokratie verlangt von unseren Bürgern, einander zu respektieren und diese Regeln miteinander zu praktizieren.
Diese Werte und diese Haltung, sie bilden das Fundament unseres Zusammenlebens. Und sie werden heute in unserem Land von einer ganz großen Mehrheit unserer Bevölkerung geteilt. Aber wir haben es gehört, wir wissen und erleben es: Es gibt nach wie vor Menschen, die sich ganz bewusst außerhalb dieses Konsenses der Mehrheitsgesellschaft stellen. Menschen, die Vielfalt verachten, die Intoleranz predigen, die ihren Hass, worin auch immer er gründet, gegen vermeintlich "Andere" richten. Und wir ahnen, wenn wir das sehen, dass es wahrscheinlich nie eine Gesellschaft geben wird, die von allem Dunklen und allem Bösen befreit sein wird.
Deshalb ist es zeitlos wichtig, dass wir wachsam bleiben. Demokratie und Freiheit, es klingt wie eine Banalität, aber dieses Wissen muss immer wieder erworben werden. Demokratie und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeiten und sie müssen immer wieder neu errungen und auch verteidigt werden. Wir, die demokratischen Bürger, tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass Hass und Intoleranz keinen Nährboden und keine Zustimmung finden und dass jeder in unserem Land selbstbestimmt und ohne Angst leben kann.
Die vielen Couragierten, die sich bereits gegen Rechtsextremismus engagieren, sind Vorbilder für die ganze Gesellschaft. Sie machen Anderen Mut, ihre Stimme zu erheben, wenn Menschen diskriminiert, gedemütigt oder angegriffen werden ob das nun im Stadion geschieht oder am Arbeitsplatz oder in der U-Bahn.
Wir Demokraten sind ein starkes Team, und wir stehen für ein großes Ziel: für eine freie und offene Gesellschaft. Dieses Ziel wollen und werden wir verteidigen. Und vor allem wollen wir dafür werben, denn was uns selbstverständlich erscheint, erklärt sich nicht immer gleich von selbst. Deshalb ist es gut, Frau Kohlmeier, Herr Kohlmeier, dass wir diese Ausstellung heute hier in Berlin, im Zentrum unserer Hauptstadt, sehen können. Ich bin dankbar dafür, dass es sie gibt und bin all denen dankbar, die sie unterstützt haben. Ich bin mir sicher, dass sie noch viel mehr Menschen begeistern wird für das Miteinander der Verschiedenen und für den Beitrag, den jede und jeder Einzelne dazu leisten kann.