Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 19. März 2016

Untertitel: Der Bundespräsident hat am 19. März beim Benefizkonzert des Bundespräsidenten in Bayern zugunsten der Deutschen Hospiz- und PalliativStiftung und dem Hospizverein Bamberg e. V. eine Ansprache gehalten: "Es gehört ganz wesentlich zu unserer Kultur, dass wir alle in Würde leben, aber auch sterben können. Dazu gehört die Hilfe für Menschen in Not. Dazu gehört auch die liebevolle und verlässliche Begleitung auf dem letzten Weg, den niemand allein und verlassen gehen sollte."
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2016/03/160319-Benefizkonzert-Bamberg.html


Wie vielfältig unser Land ist, das erfahre ich immer wieder, wenn ich unterwegs bin. Und wie engagiert so viele Bürgerinnen und Bürger in so vielen verschiedenen Bereichen sind, das ist einfach eine Freude, zu sehen. Ich erfahre das bei meinen Begegnungen allerorten oder auch, wenn ich engagierte Bürgerinnen und Bürger ins Schloss Bellevue nach Berlin einlade. Deswegen nehme ich die Gelegenheit heute gerne wahr, um meine Freude darüber auszudrücken, dass unser Land eben nicht nur geprägt ist von Problemen, sondern auch von den Netzwerken der engagierten Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen nicht nachlassen, dieses Netzwerk zu pflegen, das Netzwerk des Engagements, des Miteinanders und Füreinanders.

Es gibt da noch etwas anderes, das sich seit langen Jahren, oft seit Jahrhunderten, in unserem Land wie ein Netzwerk ausgebreitet hat, das ist der Reichtum der deutschen Kultur in allen unseren Regionen. Es gibt Länder, da konzentriert sich alles in der Hauptstadt. Aber unsere Hauptstadt Berlin bedeutet bekanntlich nur einen Teil der Kultur, die Deutschland prägt. Das sind auch nicht allein die Landeshauptstädte und Metropolen, sondern an ganz vielen verschiedenen Orten spielt kulturell die Musik.

Weil das so ist in Deutschland, haben schon meine Vorgänger dafür gesorgt, dass die Benefizkonzerte des Bundespräsidenten überall im Land einmal stattfinden. Heute also in Bamberg, von dem natürlich alle wissen, dass hier schon lange ein Schwerpunkt kulturellen Lebens ist.

Und jetzt freue ich mich, dass in meinem Rücken die wunderbaren Bamberger Symphoniker darauf warten, endlich loslegen zu können. Ein Orchester, das seit Jahrzehnten ein Begriff ist für die Musikwelt. Und gerade in diesen Tagen feiert es seinen siebzigsten Geburtstag; dazu möchte ich sehr herzlich gratulieren.

Ich freue mich sehr, dass wir unter der Leitung von Maestro Jonathan Nott heute ein so schönes und interessant zusammengestelltes Programm hören werden.

Ich freue mich überhaupt, hier in Franken zu sein, in dieser traditionsreichen deutschen Kulturlandschaft. Ich kann natürlich heute Abend nicht alles erleben. Es gibt ja auch Franken, die sind nur stolz auf ihren Wein oder auf ihr Bier oder auf die Kochkunst. Alles zusammen werden wir wohl heute Abend nicht genießen können. Musik aber reichlich, vom anderen aber immerhin etwas nachher beim Empfang.

Ich will diese Gelegenheit nutzen, um auf die Bedeutung der regionalen Bindung zu sprechen zu kommen. Viele denken ja, wenn der Begriff Region in Reden auftaucht oder wenn Menschen über regionale Prägungen sprechen, dann fängt schon bald das Hinterwäldlertum an. Aber gerade hier in Bamberg, seit über tausend Jahren Sitz eines Bistums und immer wieder Zeuge von den vielfältigen Wechselfällen der Geschichte, erkennen wir, dass erkennbare Herkunft und Weltoffenheit zwei Seiten derselben Medaille sind.

Kein Zweifel: Im Weltreich der Musik befinden wir uns inmitten einer Weltkultur. Aber dennoch gilt, dass wir auch etwas sehr Wichtiges verlieren, wenn wir nicht erhalten würden, was uns eben auch prägt und was wir selber spürbar mitgestalten können unsere Stadt, unsere engere Umgebung, unsere Region, unser Land, kurz: unsere Heimat. In Bamberg weiß und spürt man das, in Franken und in ganz Bayern sowieso.

Und nun speziell zu diesem Abend:

Meine Damen und Herren, Sie alle haben sich mit dem Kauf der Eintrittskarte für dieses Konzert zunächst selber einen großen Gefallen getan. Ich denke, dass werden wir gleich hören, wenn die Musiker loslegen.

Aber Sie haben damit auch eine gute Tat vollbracht. Traditionell werden mit dem Erlös des Benefizkonzertes Einrichtungen oder Projekte unterstützt, die Bundespräsident und Ministerpräsident je für sich auswählen. In diesem Jahr habe ich mich dafür entschieden, mit Ihrer Hilfe die Deutsche Hospiz- und PalliativStiftung zu unterstützen, deren Akademie sich besonders um die Fortbildung der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter kümmert.

Es gehört ganz wesentlich zu unserer Kultur, dass wir alle in Würde leben, aber auch sterben können. Dazu gehört die Hilfe für Menschen in Not. Dazu gehört auch die liebevolle und verlässliche Begleitung auf dem letzten Weg, den niemand allein und verlassen gehen sollte.

Gerade mit diesem heutigen lebensbejahenden Konzertprogramm können wir heute Abend unseren tiefen Wunsch ausdrücken, dass das Leben bis zum Ende bejaht sein möge, dass es so zu Ende gelebt werden kann.

Und jetzt wünsche ich uns allen einen freudigen und, wer weiß, vielleicht sogar unvergesslichen Abend.