Redner(in): Johannes Rau
Datum: 8. April 2002

Anrede: Verehrter Herr Professor Schiedermair,Herr Ministerpräsident,
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2002/04/20020408_Rede.html


Frau Professorin Schipanski,

meine Damen und Herren!

I."Gegen Angriffe kann man sich wehren. Gegen Lob ist man machtlos.", hat Siegmund Freud gesagt. Wer eingeladen ist, ein Grußwort zu sprechen, der tut also gut daran, erst einmal zu loben.

Es fällt ja auch nicht schwer, am Deutschen Hochschulverband viel Lobenswertes auszumachen:

Der Hochschulverband ist eine gewichtige Interessenvertretung der Hochschullehrer, der seine Positionen ausgesprochen beharrlich und wirksam verteidigt hat, und zwar gegenüber der Hochschulpolitik jeglicher Couleur. Als jemand, der selber über acht Jahre lang Wissenschaftsminister gewesen ist, weiß ich immer noch gut, wovon ich spreche.

Nicht zuletzt zeichnet den Hochschulverband eine für die heutige Zeit außergewöhnliche personelle Kontinuität an der Spitze aus:

Ich will gewiss nicht in die innerverbandliche Meinungsbildung für die am Mittwoch stattfindende Präsidentenwahl eingreifen, aber ich komme nicht umhin, Herr Professor Schiedermair, Ihnen für eine über zwanzigjährige und erfolgreiche Amtszeit zu danken, in der Sie ja manche hochschulpolitische Schlacht geschlagen haben.

II. Aber das größte Lob verdienen Sie nach meiner Überzeugung für die Wahl des Themas: Studieren heute: Erwartungen an die universitäre Ausbildung ". Darüber wollen Sie Einsichten gewinnen, aus denen hoffentlich neue Anstöße für neues Handeln ausgehen. Das wird geschehen aus dem Blickwinkel von Studierenden und Professoren, aus der Sicht der Wirtschaft und der Politik.

Ich will die vielen anderen hochschulpolitischen Themen nicht klein schreiben, aber bei manchem Streit um Reformen an unseren Hochschulen und um notwendige Anpassungen an veränderte Verhältnisse scheint mir allzu oft die Hauptsache aus dem Blickfeld zu geraten.

Man kann nicht oft genug daran erinnern, dass Forschung und Lehre die wichtigsten Aufgaben unserer Hochschulen sind und dass die zentrale Frage für die Lehre ist und bleibt: Wie machen wir ein besseres Studium möglich?

Übrigens aller Resignation zum Trotz: Über dieses Thema hat Philipp Melanchthon 1513 in Wittenberg seine Antrittsvorlesung gehalten - also vor Gründung des Hochschulverbandes.

Nun liegt ja für die Hochschulen keine Pisa-Studie vor, aber das Kernproblem, auf das uns der internationale Vergleich für die schulische Ausbildung verweist, stellt sich auch für die Ausbildung an unseren hohen Schulen. Übertragen auf die Universität müsste im Mittelpunkt allen Nachdenkens die Frage stehen:

Wie ermöglichen wir ein Studium, das fachliches Verständnis, fachübergreifende Problemlösungs- und Handlungskompetenz und geistige Selbstständigkeit vermittelt; ein Studium, das leistungsschwächere und leistungsstärkere Studierende so gut wie irgend möglich fördert und fordert, ein Studium, das gerechte Bildungschancen schafft.

III. Ich bin kein Experte für international vergleichende Bildungsforschung, und ich will schon gar nicht unserer Hochschulausbildung so schlechte Zensuren erteilen, wie die Pisa-Studie das für unsere Schulen offenbar getan hat.

Der internationale Ruf unserer Hochschulen kann so schlecht nicht sein, wenn in den Vereinigten Staaten, wo man sich ja schon seit langer Zeit der besten Köpfe aus der ganzen Welt bedient, jeder dritte ausländische post-doc und jeder fünfte Professor in den Naturwissenschaften aus Deutschland kommt.

Das ist ein Zeichen für die hohe Qualität unserer Hochschulausbildung und darauf dürfen Sie als Hochschullehrer zu Recht stolz sein.

Die Abwanderung junger Akademikerinnen und Akademiker ist aber auch ein Alarmsignal, das wir nicht überhören dürfen, sondern das wir durch praktisches Handeln abstellen sollten.

Warum gibt es diesen brain-drain überhaupt und warum läuft er nicht umgekehrt oder wenigstens wechselseitig?

Da mag die Einführung der Juniorprofessur durch die fünfte Novelle des Hochschulrahmengesetzes kein Allheilmittel sein, aber vielleicht bringt sie doch mehr jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mehr Selbstständigkeit. Die suchen sie ja heute an angelsächsischen Hochschulen und finden sie dort offenbar auch.

Vielleicht bietet die Juniorprofessur auch für mehr ausländische hochqualifizierte Nachwuchskräfte einen Anreiz, bei uns zu forschen, ohne Verpflichtung zu der für sie fremden Habilitation, um sich als Hochschullehrer qualifizieren zu können. Das ist bis heute ja ein seltener Ausnahmefall.

IV.

Weil ich das neue Hochschulrahmengesetz angesprochen habe, will ich dazu noch einige wenige Bemerkungen machen:

Ich kann die Unruhe über die Neuregelung der Befristungsregeln für Qualifizierungsstellen gut verstehen, und wir haben ja darüber diskutiert mit der Spitze der Wissenschaftsorganisationen, Herr Minister Zöllner, denn jedes befristete Arbeitsverhältnis bringt Unsicherheit über die berufliche Zukunft.

Wir sollten aber alle gemeinsam darauf achten, dass von der Wortwahl in der öffentlichen Debatte nicht eine ungewollte und schädliche Wirkung auf unsere Hochschulabsolventen ausgeht: Verunsicherung und Abschreckung gegenüber einer wissenschaftlichen Laufbahn. Ich hoffe, dass die sogenannte "Klarstellung" ein positives Signal ist.

Ich habe es für wenig hilfreich gehalten, wenn in der öffentlichen Debatte um das Hochschulrahmengesetz während der letzten Wochenin einigen Wortmeldungen von "Massenentlassungen" an unseren Hochschulen die Rede war; und ich halte es für geradezu fahrlässig, wenn der heutige wissenschaftliche Nachwuchs als "lost generation" abgeschrieben wurde.

Tatsächlich haben nämlich Habilitierte oder Habilitierende mehr Chancen als ihre Vorgängergenerationen, weil im Laufe der nächsten zehn Jahren nahezu die Hälfte aller Hochschullehrer ihr Ruhestandsalter erreichen.

Haben die Probleme beim Generationswechsel der Hochschullehrer gerade in den Geisteswissenschaften nicht häufig mehr mit der fachlichen Umwidmung von Professorenstellen innerhalb der Hochschulen zu tun? Sind sie nicht Ausdruck einer beklagenswert sinkenden Wertschätzung der sogenannten "weichen Fächer" ?

Bei manchen der aktuellen Streitigkeiten stelle ich mir die Frage: Warum gelingt es vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht, die Haltung, die sie in ihrer Wissenschaft stark gemacht hat, auch gegenüber neuen Herausforderungen an den Hochschulen einzunehmen - ich meine die Neugier und die Lust auf Neues?

V.

Niemand kann bestreiten, dass mit der aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Personalstruktur und mit der aus der deutschen Universitätstradition überkommenen Habilitation großartige Leistungen an unseren Hochschulen erbracht worden sind. Die Frage ist aber doch, ob nicht noch mehr und noch Besseres möglich ist, damit wir künftig international besser bestehen können.

Dass wir im internationalen Vergleich auf manchen Feldern Aufholbedarf haben, das sollte uns, auch ohne Pisa-Studie für die Hochschulausbildung, einige allseits bekannte oder doch bekannt zugebende Daten vor Augen führen.

Da ist zunächst einmal unsere deutlich zu niedrige Quote an Hochschulabsolventen. Das "Forum Bildung" hat vor kurzem noch einmal zu Recht festgestellt, dass die seit etwa zwanzig Jahren stagnierende Quote von Nachwuchskräften mit einem Hochschulabschluss, ich zitiere "zunehmend zu einer Zukunftsfrage für Gesellschaft und Wirtschaft" wird.

Wir dürfen die Tatsache, dass bei uns nur sechzehn Prozent eines Altersjahrgangs einen Hochschulabschluss machen, nicht länger ignorieren.

Wir liegen damit nicht nur erheblich hinter Großbritannien, hinter den Vereinigten Staaten, hinter Kanada oder Japan zurück, sondern auch deutlich unter dem Durchschnitt aller OECD-Staaten, aller dreißig.

Ich kenne die Argumente zu solchen internationalen Vergleichen, die uns das leichter machen wollen: Dass man das Niveau des Hochschulabschlusses kaum miteinander vergleichen könneoder dass einige der berufsqualifizierenden Abschlüsse unserer dualen Berufsausbildung in anderen Ländern häufig von Hochschuleinrichtungen vergeben werden.

Solche Hinweise dürfen aber nicht von der bedrohlichen Tatsache ablenken, dass zehn Prozent Universitäts- und sechs Prozent Fachhochschulabsolventen angesichts zurückgehender Jahrgangsstärken schon in absehbarer Zeit nicht mehr ausreichen, um die aus dem Berufsleben ausscheidenden Akademiker zu ersetzen. Wir wissen aber, dass gut ausgebildete Menschen - vor allem in den naturwissenschaftlichen und technischen Berufen - unerlässlich sind für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.

Wer internationalen Datenvergleichen misstraut, dem sollten wenigstens die relativ sicheren Verlaufsstatistiken im eigenen Land die Augen öffnen: Danach ist der Anteil der Studierenden an allen Auszubildenden, nach einer Tabelle der Kultusministerkonferenz aus dem Sommer weit unter das Niveau der frühen neunziger Jahre zurückgefallen.

Das heißt: Wir haben bei der Qualifikation im tertiären Bildungsbereich nicht etwa aufgeholt, sondern wir sind weiter zurückgefallen.

Dieser Befund ist um so problematischer, als uns alle Prognosen übereinstimmend sagen, dass wir in den kommenden Jahren mehr Hochschulabsolventen brauchen - zuletzt sagte uns das der Bericht der Bund-Länder Kommission für Bildungsplanung unter dem Titel "Zukunft von Bildung und Arbeit" - .

Die seit Jahren stagnierenden Zahlen an Absolventen haben zu einem guten Teil mit der im internationalen Vergleich ebenfalls immens hohen Quote an Studienabbrechern zu tun. Ich will die Prozentzahlen hier nicht noch einmal nennen. Sie kennen sie für Ihre Fächer besser als ich.

Man kann den hohen Anteil der Studierenden, die ihr Studium aufgeben, mit plausiblen Argumenten zu erklären versuchen. Dass Abbrecher nicht immer Versager sind, spiegelt sich in zunehmend besser werdenden Berufschancen wieder. Für viele aber, die die Hochschulen ohne Abschluss verlassen, ist das eine oft lebenslang zu tragende persönliche Niederlage.

Wenn weit mehr als ein Drittel der Studienanfänger ihr Studium abbrechen, dann ist das auch eine Verschwendung von materiellen und vor allem von intellektuellen Ressourcen. Wir können uns diesen Verzicht auf Qualifikation nicht mehr länger erlauben, wenn wir nicht zurückbleiben wollen - und das meine ich nicht nur ökonomisch.

Das "Forum Bildung" hat wichtige und richtige Vorschläge gemacht, wie wir die Zahl der Hochschulabsolventen steigern und wie wir die Studienabbruchquoten senken können. Das sind Themen, über die sich eine Auseinandersetzung auch während Ihrer Tagung lohnt.

VI.

Seit ich mich in der Bildungspolitik engagiere - und das sind mehr als vierzig Jahre - kenne ich natürlich die Klagen und den Ruf nach mehr Geld. Höhere Anforderungen durch mehr Studierende, das kann niemand leugnen, aber allein am Geld kann es nicht liegen, dass wir im internationalen Vergleich nicht so gut da stehen.

Die jährlichen Ausgaben pro Studierenden liegen in den Vereinigten Staaten, in der Schweiz oder in Kanada deutlich höher, aber immerhin liegt Deutschland erheblich über dem Durchschnitt der OECD. Wegen der weit überdurchschnittlich langen Studiendauer gibt unser Land für jedes abgeschlossene Studium sogar zusammen mit der Schweiz und Österreich am meisten Geld aus; der OECD-Schnitt liegt gerade mal bei der Hälfte der deutschen Ausgaben je Hochschulabsolvent.

Natürlich brauchen wir für Verbesserungen auch mehr Geld. Ich bleibe dabei, dass wir für Bildung weniger ausgeben, als wir uns leisten können. Es gibt aber auch noch viel mehr Raum, mit den vorhandenen Mitteln produktiver umzugehen.

VII.

Darum warne ich vor dem "Schwarze Peter" Spiel, das in der Bildungspolitik so beliebt ist. Sie kennen es und vielleicht Sie haben es schon mitgespielt:

Da schieben die Hochschulen die hohen Abbruchquoten, die überlange Studiendauer, die Stagnation auf die mangelnde Studierfähigkeit, also auf die Mängel und Defizite an den Gymnasien. Die Schulen drücken die Verliererkarte auf die mangelnde Förderung der Sprachfähigkeit an den Vorschulen. Schule und Kindergarten schieben den "Schwarzen Peter" den Eltern zu. Die Eltern verweisen auf die Gesellschaft, die Bürgerinnen und Bürger halten sich an die Politik und dann beginnt das Spiel von Neuem.

Das hat auf Dauer nur begrenzten Unterhaltungswert.

Alle, die Verantwortung tragen, müssen darüber nachdenken, was sie in ihrem eigenen Verantwortungsbereich tun können, bevor sie mit viel Intelligenz und Energie darüber nachdenken, was am besten andere tun könnten und tun sollten.

VIII.

Politik und Staat können für die Reform des Studiums Rahmenbedingungen, Prüfungsordnungen und allgemeine Studienordnungen vorgeben.

Bessere Lehre und Reformen im Studium sind und bleiben originäre Hochschulangelegenheiten, und die Qualität der Lehre wird bestimmt durch die Qualität der Lehrenden.

Unsere Hochschulen können nur so gut sein wie die Hochschullehrer, die dort forschen und lehren. Die meisten Lehrenden tun und geben ihr Bestes. Dafür verdienen sie unseren Dank und unsere Anerkennung. Frau Professorin Noelle-Neumann hat auf Ihrem vorletzten Verbandstag über Ihre allgemeine hohe Anerkennung gesprochen und auf alle Umfragen verwiesen.

Seit Jahren gibt es fast in jedem Land Studienreformkommissionen. Viel Geld wurde für moderne Modellversuche eingesetzt. Manches landete eher zwischen Buchdeckeln als in den Hörsälen. Vielleicht sollten wir für einen neuen Anlauf weniger nach teurem und bei Qualitätsvergleichen oft fragwürdigem Benchmarking fragen und mehr von guten Beispielen lernen.

Es gibt gute Beispiele genug:

Es gibt viele Fakultäten, die ihre Studierenden in der Hälfte der Zeit und mit deutlich geringeren Abbruchquoten als andere zum Studienabschluss führen.

Es gibt zunehmend Hochschulen, bei denen die Evaluation der Lehre und der Lehrberichte zum Alltag gehören. Ich hoffe, dass Sie solche Erfahrungsberichte in diesen Tagen miteinander erörtern.

IX.

Was kann das Ziel dessen sein, was wahres Wissen, was wissenschaftliche Ausbildung bringen kann?

Was soll man für eine Zukunft studieren, die keiner kennt?

Niemand kann heute verlässlich vorhersagen, wie viele Frauen und Männer in zehn oder zwanzig Jahren in welchen Berufen arbeiten werden und welche Befähigungen nötig sind. Wer heute nach maßgeschneiderten Studiengängen ruft, der kann der Gefahr erliegen, dass die Studierenden, wenn sie ihr Examen machen, auf dem Arbeitsmarkt keine Angebote finden.

Hört man auf manche Management- und andere Berater, dann muss der künftige Hochschulabsolvent leistungsstark und belastbar sein, flexibel, vielseitig einsetzbar, anschluss- und anpassungsfähig, team- und kooperationsbegabt, selbstverantwortlich und unternehmerisch, mobil und mehrsprachig, optimistisch und hoch motiviert, kommunikativ und sozial kompetent und darüber hinaus ein Leben lang lernbereit.

Die immer schneller und alles umwälzende Globalisierung, so hören wir, verlange von der Ausbildung, dass der Mensch flexibel sei, die flexible Verwendbarkeit auf einem sich ständig wandelnden Arbeitsmarkt. Er soll die Befähigung haben, sich "als Unternehmer seiner Arbeitskraft" immer wieder neu vermarkten zu können.

Da wird vom "multiplen Selbst" geredet, einer Art Patchwork-Biografie, die angesichts der immer kürzeren Verfallszeiten des vorhandenen Wissens ein ständig "geupdatetes" Wissen braucht. Dann werden Hochschulaufenthalte nur noch "Boxen-Stops" für immer neue Blitzkarrieren und "Start-ups". Die Studierenden werden leere Festplatten, auf denen die Signale des Arbeitsmarktes gespeichert werden.

Wenn solche Zukunftsszenarien richtig wären, dann könnten es sich unsere Universitäten leicht machen: Man brauchte statt eines Studiums einen Bauchladen an Wissensangeboten, aus denen man wie beim Surfen das gerade Passende auswählt.

Mir fällt auf, hier ist immer nur von Eigenschaften die Rede im Passiv. Wer in Zukunft Gewinner sein soll, der soll flexibel sein - gegenüber welchen Zwängen eigentlich?

Der Einzelne würde zu einem, der sich anpasst und der sich möglichst gut einpasst.

Dann ist kein Platz für selbständiges und freies Denken, für aktives Gestalten und Verantwortung für andere zu übernehmen. Der Dienst an der Gesellschaft und an der Gemeinschaft nimmt in solchen Zukunftsentwürfen keinen Platz mehr ein.

X.

Das Tröstliche, meine Damen und Herren, an solchen Prognosen ist, dass sie nicht eintreten müssen. Gesellschaftliche Entwicklungen sind nicht zwangsläufig wie Naturgesetze, und wir sollten einem solchen Denken früh genug widerstehen: Mit einer Bildung, die "objektive Wissenschaft mit subjektiver Bildung erfüllt", so hat Wilhelm von Humboldt das definiert. Das bleibt richtig, auch wenn sich das Wissen in den zurückliegenden zweihundert Jahren vervielfacht hat.

Nach meinem Verständnis einer universitären Ausbildung muss das Ziel sein und bleiben: Wissen und Werte in Einklang miteinander zu bringen.

Der technische und soziale Wandel bringt immer neue Herausforderungen. Das Potential der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten hat nur dann eine humane Verwirklichungschance, wenn es im Einklang mit unseren Werten steht, auf deren Geltung wir uns immer wieder neu verständigen müssen.

Eine vom Staat garantierte freie Wissenschaft ist mehr als die Produktion und die Aneignung von Wissen zu fremdnützigen Zwecken. Die an einer Universität betriebene Lehre und Forschung sollte, wenn das Wort "universitas" seinen Wert behalten soll, Wissenschaft ganzheitlich erfassen als Motor gesellschaftlicher und technologischer Veränderungen und als Bewältigungsstrategie und als Hoffnungsinstanz für den Wandel.

Darum hielte ich es für einäugig und für kurzsichtig, wenn an unseren Universitäten die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften leichtfertig zu Gunsten vordergründig besser zu verwertender Fächer gekappt würden.

Wer die Zukunft nicht nur hinnehmen will, sondern gestalten, der muss wissen, woher er kommt. Die Abwertung der Kulturwissenschaften können wir nur stoppen, wenn die "weichen" Fächer vor den "harten" nicht flüchten, sondern wenn sie sich ihnen stellen und wenn sie ihnen auch harte Fragen stellen.

Ich wünsche Ihnen Erfolg auf der Suche nach guten und weiterführenden Antworten auf die Fragen, was wir zur Verbesserung des Studiums tun können.

Rheinland-Pfalz ist ja nicht nur ein gastliches Land, sondern auch ein Land, das die Wissenschaftspolitik der Bundesrepublik maßgeblich vorangebracht und geprägt hat, und darum bin ich gern nach Koblenz gekommen.