Redner(in): Johannes Rau
Datum: 24. April 2002
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2002/04/20020424_Rede.html
Ihr Land genießt wegen seiner alten Kultur und wegen der Gastfreundschaft und der Freundlichkeit seiner Bewohner einen großen Ruf. Vielen meiner Landsleute, die Ihr schönes Land besuchen, ist wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass die freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern weit in die Vergangenheit zurückreichen.
Wer weiß denn schon, dass die thailändische Nationalhymne von einem Deutschstämmigen komponiert wurde? Das kam so: 1867 wurde Jacob Feit aus Trier zum Instrukteur der königlichen Hofkapelle bestellt. Unter anderem hat er die Königshymne für großes Blasorchester arrangiert. Er blieb im Lande und heiratete hier; sein jüngster Sohn aus dieser Ehe, Peter, hat 1931 die thailändische Nationalhymne komponiert.
Aber auch andere Deutsche haben in Thailand im ausgehenden 19. und früheren 20. Jahrhundert eine wichtige Rolle gespielt:
Der Eisenbahn-Ingenieur Karl Bethge kam 1888 nach Bangkok und arbeitete sich bis zum Generaldirektor der thailändischen Staatsbahnen hoch.
Theodor Collmann war ab 1904 Generaldirektor des thailändischen Post- und Telegrafiewesens.
Karl Döring, seit 1906 Assistenz-Ingenieur im Königlich Siamesischen Eisenbahndepartement, war so erfolgreich, dass er schon drei Jahre später von König Chula Longkorn mit dem Bau seines Palasts beauftragt und zum Ersten Architekten des Königs ernannt wurde. Sein Buch "Siam, Land und Volk" von 1923 ist bis heute ein wichtiges Dokument der deutschen und der thailändischen Kultur geblieben.
Wir Deutschen empfinden es als besondere Auszeichnung, dass uns das thailändische Königshaus offenbar besonders ins Herz geschlossen hat. Bereits vor über 100 Jahren waren Angehörige der königlichen Familie zur militärischen Ausbildung in Deutschland. Ein Sohn König Chula Longkorns zum Beispiel hat in seiner Jugend die Kadettenschulen in Potsdam und Kassel besucht. Das Interesse hat sich aber auch auf viele andere Gebiete erstreckt. Bis heute kommen Angehörige der königlichen Familie immer wieder nach Deutschland. Unvergessen ist vielen meiner Landsleute noch immer, wie König Bhumibol und Königin Sirikit bei ihrem Deutschlandbesuch 1960 die Herzen der Menschen gewonnen haben. Erst vor wenigen Wochen hatte ich die Gelegenheit, Prinzessin Sirindhorn im Schloss Bellevue zu empfangen.
Die Aus- und Fortbildung von thailändischen Soldaten wird übrigens bis heute mit großem Erfolg fortgesetzt. Thailändische Offiziere studieren an den Hochschulen der Bundeswehr und nehmen an Generalstabslehrgängen teil. Ab der kommenden Woche wird zum ersten Mal auch ein deutscher Offizier in Thailand ausgebildet werden: Er wird eine einjährige Fachausbildung in Tropenmedizin bei der thailändischen Marine beginnen.
Ein wichtiger Termin während meines Aufenthaltes in Thailand wird morgen der Besuch beim "Thai-German Institute" sein. Das ist ein besonders erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt zur beruflichen Fortbildung junger Menschen. Seit 1959 arbeiten Deutschland und Thailand auf dem Feld der Entwicklungspolitik sehr fruchtbar zusammen. Vor kurzem wurden gemeinsam neue Leitlinien erarbeitet, so dass diese Zusammenarbeit weiter erfolgreich fortgesetzt werden kann.
In den vergangenen Jahren hat Thailand einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufstieg erlebt. Unsere Beziehungen sind daher nicht nur von der Entwicklungszusammenarbeit und vom Tourismus geprägt, sondern zunehmend auch von einem vorteilhaften Handelsaustausch. Deutsche Unternehmen und Unternehmer haben sich nicht nur während der Zeiten stürmischen wirtschaftlichen Wachstums in Thailand engagiert. Nach 1997, zu den Zeiten vorübergehender Schwierigkeiten, hat es keinen Exodus deutscher Unternehmer aus Thailand gegeben. Im Gegenteil, sie sind geblieben und haben in großem Maße investiert. Das spricht für das gewachsene Vertrauen unserer Unternehmen in Ihr Land.
Morgen werde ich an einem Festakt zum 40-jährigen Bestehen der deutsch-thailändischen Handelskammer teilnehmen. Dieses Jubiläum unterstreicht die engen wirtschaftlichen Kontakte, die in guten wie schwierigen Tagen Bestand hatten und die gewiss auch in Zukunft Bestand haben werden.
Es ist nicht schwer, die Gründe dafür ausfindig zu machen, warum Thailand bei deutschen Investoren einen solch guten Ruf genießt. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft sind in der Verfassung fest verankert. Die Presse Thailands genießt einen hervorragenden Ruf. Ihr Land, Herr Ministerpräsident, ist ein Anker der Stabilität in einem unruhigen Teil der Welt.
Aber nicht nur das. Wie ich eingangs sagte: Die Schönheit Ihres Landes, sein Reichtum an kulturellem Erbe und die sprichwörtliche Freundlichkeit seiner Menschen tragen das ihre dazu bei, dass sich Thailand bei den Deutschen so großer Beliebtheit erfreut. Ich bin überzeugt davon, dass das so bleiben wird.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie nun bitten, mit mir das Glas zu erheben und einen Toast auszubringen auf das Wohl von Ministerpräsident Thaksin und seiner Gattin, auf eine glückliche Zukunft des thailändischen Volkes und auf die fortdauernde Freundschaft zwischen unseren Ländern.