Redner(in): Johannes Rau
Datum: 3. Juni 2002

Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2002/06/20020603_Rede.html


I. Der übliche erste Satz, wenn viele Gäste da sind, heißt: "Willkommen im Schloss Bellevue". Diesen Satz kann und darf ich heute Morgen ergänzen und sagen: "Willkommen im Park von Schloss Bellevue am schönsten Sommertag, den der Juni uns bisher bereitet hat".

Wir sind miteinander eingeladen zur Woche der Umwelt. Mehr als 8.000 Gäste haben sich angekündigt. 160 Aussteller sind schon da, sie präsentieren uns Verfahren und Forschungsergebnisse und neueste Produkte. Dafür möchte ich jedem einzelnen danken, denn jeder einzelne von Ihnen hat etwas ganz besonderes zu bieten, und zusammen können wir Deutschland und der Welt zeigen: Umweltschutz ist überlebenswichtig. Umwelttechnik hat eine große Zukunft.

Besonders danken möchte ich der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, die meine Mitarbeiter und mich in der Vorbereitung so engagiert unterstützt hat. Herzlichen Dank, Herr Professor Tietmeyer, Ihnen und Ihrer ganzen Mannschaft. Auch den Sponsoren gilt mein Dank, denn ohne Sponsoren wäre das hier heute eine sehr trockene Angelegenheit.

II. Ich hoffe, dass Sie alle sich hier wohlfühlen werden.

Das gehört nämlich auch dazu und wir alle werden nicht müde, so hoffe ich, es zu sagen, weder der Bundesumweltminister, den ich herzlich grüße, noch ich: Umweltschutz, von dem ich gesagt habe, er ist überlebensnotwendig, Umweltschutz ist kein Thema der Askese, es geht nicht um "immer weniger" und "immer teurer", es geht um mehr Lebensqualität für alle in einer intakten Umwelt. Es geht darum, den Umweltverbrauch mit moderner Technik zu vermindern. Wir brauchen mehr technische Innovation und nicht weniger, damit wir mit weniger Energie und mit weniger Rohstoffen erfolgreich wirtschaften und besser leben können.

Es geht um ganz harte ökonomische Fakten: Umweltschutz schafft Arbeitsplätze. Heute hängt mehr als eine Million Arbeitplätze in Deutschland von der Umweltwirtschaft ab. Dazu gehören eine Fülle von High-tech Berufen, die wir ohne den Umweltschutz nicht hätten. Das können noch viel mehr werden, und darum dürfen wir uns auf unseren Lorbeeren nicht ausruhen. Um es mit Churchill zu sagen: Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle.

Wer sich die Schwellenländer ansieht, der weiß, dass der Weltmarkt für moderne Umwelttechnik fast unbegrenzt ist. Er wird weiter boomen, und daran wollen wir teilhaben. Unsere Voraussetzungen sind gut: Weltweit gesehen sind wir Spitze auf vielen Feldern der Umwelttechnik und der Umweltforschung. Diesen Vorsprung wollen wir halten und ausbauen. Darum dürfen wir nicht in die alten Diskussionen zurückfallen, die Ökonomie und Ökologie gegeneinander stellen.

Es hat lange gebraucht bis zu der Erkenntnis, dass auf Dauer eine Produktion oder Produkte ökonomisch nur vernünftig sein können, wenn sie ökologisch verantwortbar sind. Hinter diese Erkenntnis dürfen wir nicht zurückfallen.

Wir brauchen neue Technologien und wir brauchen noch mehr Wissen, um mit den Ressourcen der Welt sparsamer umzugehen. Wir müssen Stoffkreisläufe schließen und umweltfreundliche Produktionstechnologien und Produkte fördern: In der Energieerzeugung, in der Wasserwirtschaft, im Verkehr und in der Landwirtschaft.

Da braucht sich übrigens auch das Bundespräsidialamt nicht zu verstecken: Auf dem Dach des Amtes haben wir - wie auf dem Dach meines privaten Hauses - eine Solaranlage installiert, die Jahr für Jahr gute Erträge bringt.

Die Politik und die öffentliche Verwaltung können ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten. Die Menschen erwarten aber zu Recht von den Unternehmen, dass sie neben dem wirtschaftlichem Erfolg zunehmend auch schlüssige Antworten geben auf soziale und ökologische Fragen.

Umweltschutz und Nachhaltigkeit in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen sind ja kein Selbstzweck. Es geht darum, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu erfüllen, dass die Entwicklung künftiger Generationen nicht gefährdet wird. Das muss der Maßstab unseres Handelns sein. Dazu werden wir heute und morgen in den Foren gewiss viele anregende Diskussionen erleben.

III. In 84 Tagen, am 26. August, wird in Johannesburg der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung beginnen.

Dieser Weltgipfel hat bedeutende und wegweisende Vorläuferkonferenzen: Zum einen die Konferenz von Rio de Janeiro vor zehn Jahren und, von manchen schon vergessen: Der erste Umweltgipfel der Vereinten Nationen. Er fand fast auf den Tag genau vor dreißig Jahren, am 5. Juni 1972, in Stockholm statt. Beide Termine waren Meilensteine auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung.

Leider haben wir nach der Rio-Konferenz manche Rückschläge erlebt. Die wachsende Arbeitslosigkeit in den neunziger Jahren hat das Thema Umwelt in den Hintergrund gedrängt. Das war ein Fehler. Wir können aber auch Erfolge verzeichnen:

Zu den großen Erfolgen rechne ich auch die vielen Initiativen im Rahmen der lokalen Agenda 21. Städte und Gemeinden haben zusammen mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern, mit vielen Verbänden, mit den Kirchen und der Wirtschaft konkrete Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt: in der Städtebaupolitik, im Umgang mit dem Rohstoff Wasser, in der Verkehrspolitik, in der Finanzpolitik und in vielen anderen Bereichen. Die guten Ergebnisse machen Mut und Hoffnung und spornen an, diesen Weg weiter zu gehen. Dazu möchte ich alle Bürgerinnen und Bürger ermuntern, und dafür möchte ich all denen danken, die sich mit Rat und Tat schon in den vergangenen Jahren beteiligt haben.

Ich hoffe, dass die Konferenz von Johannesburg möglichst konkrete Empfehlungen für das geben wird, was wir im eigenen Land und weltweit ganz praktisch tun müssen, damit der Globus in einigen Jahrzehnten nicht "quietscht und eiert", wie es in einem alten Lied aus der "Mundorgel" heißt.

Ich hielte es auch für richtig, wenn die vielen Umweltprogramme und die vielen Sekretariate der Vereinten Nationen endlich zu einer kraftvollen Umwelt-Organisation zusammengefasst würden. Die hätte dann mehr Gewicht innerhalb der Vereinten Nationen, und sie würde die Durchsetzungsfähigkeit der Vereinten Nationen in Umweltfragen erheblich steigern. Ich wünsche mir eine intensive Diskussion darüber, damit wir auch über das Kijoto-Protokoll noch mal in einen weltweiten Dialog kommen. Vielleicht gibt uns dazu ja das morgige Gesprächsforum zur Johannesburg-Konferenz interessante Anregungen.

Ich heiße Sie noch einmal herzlich willkommen. Ich wünsche Ihnen interessante Begegnungen und Gespräche in einer anregenden Atmosphäre.

Noch eine Bemerkung zum Schluss: Die Bundesstiftung Umwelt, die hier vorne sitzt, hat sich bei den Herstellern vergewissert, dass die Produkte, die wir heute und morgen hier auf der Woche der Umwelt bekommen, nach allem, was wir bisher über den Weg der belasteten Futtermittel wissen, nicht mit Nitrofen belastet sind. Ich finde das wichtig, zu wissen, damit wir unbeschwert das, was die Sponsoren uns geboten haben, Ihnen nicht zurückgeben.

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.

Sie alle sollen sich hier wohlfühlen, wie das viele Gäste im Schloss Bellevue und in seinem Park tun können. Meine Hoffnung, meine Bitte, meine Erwartung ist, dass wir nicht entmutigt, nicht mit dem Blick auf die eigenen Schuhsohlen und auf die eigenen Fußspitzen, sondern fröhlich an die Arbeit gehen. Der Ernstfall ist immer der Alltag und neben den Ernstfällen gibt es auch so schöne Anlässe, wie diese Woche der Umwelt, die ich gerne eröffne.

Herzlich Willkommen im Park von Schloss Bellevue.