Redner(in): Johannes Rau
Datum: 7. Juni 2002
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2002/06/20020607_Rede2.html
Verehrter Herr Neven DuMont, verehrter Herr Schütte, Herr Bundeskanzler, meine Herren Ministerpräsidenten, meine Damen und Herren,
I. ich möchte Ihnen ganz herzlich gratulieren zu einem in der Tat eindrucksvollen Jubiläum in einer Stadt, die erwiesenermaßen gerne feiert. Sie hat nicht nur eine eigene Jahreszeit dazu. In Köln und bei DuMont wird gerne und viel gefeiert: 1999 feierte der Kölner Stadt-Anzeiger 50 Jahre Wiedererscheinen nach dem Krieg. Anfang 2001 wurde die Mitteldeutsche Zeitung in Halle zehn Jahre alt. Ende 2001 feierte der Kölner Stadt-Anzeiger seine 125-jähriges Jubiläum. Und in diesem Jahr bin ich gern dabei, wenn Sie 200 Jahre Verlag DuMont Schauberg feiern. Sie werden auch in den nächsten Jahren aus dem Feiern nicht herauskommen: 2004 wird der Express 40. Im Jahre 2005 ist es 200 Jahre her, dass Markus Neven DuMont das Druckhaus übernommen hat. Und 2006 wird der Buchverlag 50. Und so weiter.
Ich kann Ihnen nicht zusagen, bei jedem Anlass dabei zu sein. Eines jedoch bleibt festzuhalten: Zur Medienstadt Köln gehörenauchder WDR, RTL und Viva. Vorallen anderen gehört jedoch der Verlag M. DuMont Schauberg dazu - der ist nicht nur am ältesten, sondern feiert auch die meisten Feste.
II. Als es mit dem Verlag losging - übrigens vor weit über 200 Jahren - druckten die Drucker Bertram und Peter Hilden für die Kölner Uni die "Relationes Extraordinariae" ( außerordentliche Bekanntmachungen ) und Gebetbücher. Sein Nachfahre Alfred Neven DuMont macht so etwas ähnliches noch heute. Der gibt nämlich den Bundesanzeiger heraus, in dem alle von mir gezeichneten Gesetze stehen. Und welche da in nächster Zeit stehen werden, das ist nicht ohne Interesse.
Es gibt noch vieles mehr, was diesen Verlag auszeichnet. Den Kölner Stadt-Anzeiger, die Kölnische Rundschau, den Express, die Mitteldeutsche Zeitung, ungezählte Bücher in drei Buchverlagen.
An vielen anderen Unternehmen sind Sie beteiligt. 3400 Mitarbeiter, eine Zeitungsauflage von etwa einer Million täglich, über 500 Millionen Jahresumsatz, der viertgrößte Zeitungsverlag Deutschlands und einer von den besonders profitablen. Jedenfalls bisher.
III. Wenn wir heute hier feiern, dann ist das auch Anlass zu herzlichem Dank dafür, dass es so anspruchsvolle Regionalzeitungen in Deutschland gibt, wie Sie sie verlegen.
Der Kölner Stadt-Anzeiger setzt weit über die Türme des Kölner Doms hinaus Akzente als überregionale Stimme des Rheinlandes. Er hat immer gestritten für die Freiheit der Presse. Er hat immer wieder staatlichen Regulierungsversuchen erfolgreich widerstanden. Mich hat besonders beeindruckt, dass er sich für die Rechte und den Schutz von Minderheiten eingesetzt hat. Denn auch das ist eine Sache, die nicht von der Tagesordnung verschwinden darf.
Ihre Mitwirkung bei der Aktion "Arsch huh" gegen Fremdenhass hat mich damals besonders gefreut und bewegt. Sie zeigt, dass Sie so weltoffen und so liberal sind wie die Stadt, in der der Stadt-Anzeiger gemacht wird. Und wie auch immer die Perspektiven sein mögen, eines jedenfalls ist wichtig: Zeitungen sind unersetzlich, sie sind unschlagbar im Regionalen und im Lokalen. Und ich wünsche mir bei aller Wertschätzung für Fernsehen, Radio und Internet, dass das in Zukunft so bleibt.
IV. Es gibt natürlich Anlass zur Medienkritik. Immer wieder. Manchmal ist diese Kritik überzogen. Ich finde es überzogen, wenn eine bekannte Journalistin sagt, der Journalismus sei zu einer "nachfrageorientierten Dienstleistung zur Mobilmachung großer Kaufkraftgruppen" degeneriert. Ich halte das für übertrieben.
Aber die Sorge, die daraus klingt, halte ich für berechtigt. Denn wir müssen dafür sorgen, dass die Grenzen zwischen Journalismus und PR nicht immer fließender werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die zunehmende Ökonomisierung der Medienlandschaft nicht ins Unendliche geht. Wir müssen dafür sorgen, dass Zuschauer und Leser nicht etwas als Service angeboten werden, das doch versteckte Werbung ist, dafür habe ich heute gerade wieder ein paar Beispiele gefunden außerhalb Ihres Wirkungsbereiches.
Ich denke, es ist immer wieder gut, wenn wir in Politik und Medien das Gespräch miteinander suchen. Und wenn wir darauf achten, dass Politiker nicht die mühselige parlamentarische Kleinarbeit vernachlässigen - und allein die mediale Präsenz suchen als politische Akteure. Die Sache darf nicht in den Hintergrund treten. Die Show, das Bild darf nicht zentral werden; oft wird in der Politik schon in der Konzeptionsphase die mediale Wirkung überprüft. Das ist richtig und berechtigt. Aber Sachpolitik darf nicht verdrängt werden, sonst verlieren wir den politischen und demokratischen Grundkonsens. Es darf nicht so weit kommen, dass das Bild von der Sache an die Stelle der Sache tritt.
Es ist die Aufgabe von Journalisten, Verlegern und Politikern, der zunehmenden Ökonomisierung der Medien und der zunehmenden Orientierung der Politik an den Medien - klar entgegenzuwirken.
V. Einer tut das seit 50 Jahren mit bemerkenswerter Kraft und Ausdauer. Sie, lieber Alfred Neven DuMont. Sie sind ein politischer Verleger im besten Sinne.
Sie sind sich Ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Und Sie sind ein guter Verleger, nicht nur weil Sie wirtschaftlich so erfolgreich sind, sondern weil Sie deutlich machen, dass Bücher und Zeitungen und Zeitschriften zu verbreiten etwas anderes ist als Autos oder Zahnpasta zu verkaufen - so wichtig Autos und Zahnpasta auch sind.
Sie bleiben im Gespräch mit dem Leser. Sie sind ein liberaler Demokrat wie er im Buch steht. Als Kunstmäzen haben Sie viel für die Kultur-Stadt Köln getan, in der Sie Ehrenbürger sind. Und inzwischen tun Sie nicht nur viel in Köln und für die Kölner, sondern als Honorarprofessor an der Universität Halle geben Sie den Studierenden Ihre Erkenntnisse weiter.
Sie selber haben einmal gesagt, die Zeitung sei mehr als ein kaufmännisches Unternehmen und mehr als ein Politikum, ein Kulturinstitut. Ich wünsche Ihnen, Herr Neven DuMont und Ihnen, Herr Schütte und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass das so bleibt und dass Sie weiterhin die Kraft und die Freude haben, sich einzumischen. Und wenn ich sage, Sie sind mehr als ein kaufmännischer Unternehmer, dann habe ich ja damit nicht gesagt, dass der kaufmännische Erfolg Ihnen versagt bleiben soll. Man kann auch mehr sein als ein kaufmännischer Unternehmer und trotzdem ein guter Kaufmann. Ich wünsche Ihnen die richtige Kombination, viel Erfolg, manche Feier und viele Werktage, die jede Feier rechtfertigen. Glückauf!