Redner(in): Johannes Rau
Datum: 30. Januar 2003

Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2003/01/20030130_Rede3.html


Sehr geehrter Herr Rektor, meine Damen und Herren, ich will nun die protokollarische Möglichkeit nicht wahrnehmen, alle so zu begrüßen, wie sie es verdient hätten. Sie haben ja einen Teil dessen auch schon vorweggenommen, Herr Rektor. Ich sage es also mit dem Gesangbuch-Vers "Propheten groß und Patriarchen schön, auch Christen insgemein", ich freue mich, dass sie da sind.

Ich bin in diesem europäischen Jahr, in dem wir an die Behinderten erinnern, in die Diakonie Neuendettelsau gekommen, weil ich es falsch finde, weil ich es für gefährlich halte, unser Leben so darzustellen, wie die Werbung es tut - als seien wir alle nur strahlend, gesund und fröhlich, als seien wir alle Menschen, die in Wirklichkeit nur als Verbraucher interessant sind.

Das Jahr der Behinderten kann uns daran erinnern, dass wir es zu tun haben mit einer Welt unterschiedlicher Qualitäten. In dieser Welt gibt es nicht nur Linke und Rechte, in der gibt es nicht nur Konservative und Progressive, sondern in der gibt es Fröhliche und Traurige, Gesunde und Kranke, Einsame und Gesellige. Wir sind eine Gesellschaft, in der jeder seinen Anspruch auf menschenwürdiges leben realisieren können muss.

Ich wünsche Ihnen allen, vor allen Dingen denen, die hier ihre Arbeit tun, dass sie Geduld und Beharrlichkeit und Freude an ihrem Tun haben, weil sie spüren und wissen, dass das Wort aus dem Alten Testament nach wie vor gilt: "Seid getrost, tut eure Hände nicht ab, denn euer Werk hat seinen Lohn."

Sehr geehrter Herr Rektor, meine Damen und Herren, ich will nun die protokollarische Möglichkeit nicht wahrnehmen, alle so zu begrüßen, wie sie es verdient hätten. Sie haben ja einen Teil dessen auch schon vorweggenommen, Herr Rektor. Ich sage es also mit dem Gesangbuch-Vers "Propheten groß und Patriarchen schön, auch Christen insgemein", ich freue mich, dass sie da sind.