Redner(in): Johannes Rau
Datum: 9. April 2003

Anrede: Herr Ministerpräsident,meine Herren Präsidenten,
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2003/04/20030409_Rede.html


hochansehnliche Festversammlung!

Herr Ministerpräsident,

meine Herren Präsidenten,

hochansehnliche Festversammlung! Inzwischen gibt es in den neuen Ländern 18 Institute der Max-Planck-Gesellschaft, dazu noch eine Forschungsstelle und ein Teilinstitut für Plasmaphysik in Greifswald. Das gilt heute als eines der bedeutendsten Kompetenzzentren weit über Europa hinaus. Es gibt in den neuen Ländern 17 Fraunhofer-Institute und -Einrichtungen mit über 1450 Mitarbeitern undes gibt 34 Einrichtungen der sogenannten "Blauen Liste".

Solche Forschungseinrichtungen können zusammen mit den Universitäten der Kern sein für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung. Es fehlt allerdings immer noch das kräftige Standbein der Industrieforschung. Da muss sich noch einiges tun, damit sich forschungsintensive Unternehmen hier ansiedeln. Solange aber eine schwache Weltkonjunktur zusammen kommt mit geopolitischen Risiken, mit der Bedrohung durch den Terrorismus, mit hohen Ölpreisen und mit den auch durch Bilanzskandale bedingten Einbruch der Aktienkurse, solange ist der wirtschaftliche Aufschwung noch nicht wirklich in Sicht - das muss man ehrlich sagen. Darum zum Schluss: Wir dürfen heute keine wirtschaftlichen oder sogar politischen Katastrophenszenarien an die Wand malen oder falsche historische Vergleiche ziehen. Deutschland ist heute und wird auch in 20 Jahren noch die stärkste Wirtschaftskraft in Europa sein. Deutschland ist eine stabile Demokratie sowieso. Die neuen Länder stecken aber mitten in einem schwierigen Strukturwandel und es wird eine Generation dauern, bevor dieser Wandel vollzogen ist. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Die Menschen hier sind gut ausgebildet und sie sind leistungsbereit. Dieses Kapital wird sich auf Dauer auszahlen. Wir leben heute in einem modernen, wohlhabenden Land, das die Kraft hat, die anstehenden Reformen sozial ausgewogen und die Wirtschaft fördernd umzusetzen. Gerade das ist doch das Markenzeichen einer sozialen Marktwirtschaft. Darum sollte niemand resignieren, darum sollte niemand rückwärts gewandt argumentieren. Wir sollten gemeinsam mithelfen, die Kräfte zu bündeln, damit wir Wohlstand für alle auch in Zukunft sichern können. Darauf sollten wir unsere Kraft und Energie richten und nicht darauf, die einen gegen die anderen auszuspielen. Wir brauchen tatkräftige Unternehmer und wir brauchen gut ausgebildete, leistungsfähige Arbeitnehmer. Wir brauchen starke Wirtschaftsverbände und wir brauchen moderne und starke Gewerkschaften. Gemeinsam können wir die wirtschaftliche und die gesellschaftliche Zukunft unseres vereinten Vaterlandes erfolgreich gestalten. Helfen sie alle dabei mit!