Redner(in): Johannes Rau
Datum: 25. September 2003
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2003/09/20030925_Rede2.html
I. Ich freue mich darüber, dass ich heute bei Ihnen, hier an der Führungsakademie der Bundeswehr, zu Gast sein darf und zu Ihnen sprechen kann. Mehrere meiner Amtsvorgänger sind hier gewesen. Das zeigt, wie wichtig diese Ausbildungseinrichtung ist. Zum ersten Mal verabschiedet ein Bundespräsident einen Generalstabs- und Admiralstabslehrgang am Ende seiner Ausbildung.
Ich gratuliere Ihnen herzlich zum erfolgreichen Abschluss Ihrer Ausbildung. Das ist ein froher und ein guter Tag für Sie und für Ihre Familien, aber es ist auch ein guter Tag für uns alle: Seit mehr als fünfundvierzig Jahren bildet die Führungsakademie hervorragend qualifizierte, leistungswillige und motivierte Stabsoffiziere aus. Die Akademie und ihre Absolventen prägen also die Bundeswehr entscheidend und leisten damit einen wichtigen Beitrag zum demokratischen Selbstverständnis unseres Landes.
Die Ausbildung an der Führungsakademie der Bundeswehr hat auch in anderen Ländern einen herausragenden, gelegentlich legendären Ruf. Jeder Lehrgang ist davon geprägt, auch dieser. Etwa ein Viertel von Ihnen sind Gäste aus den Streitkräften anderer Länder. Sie kommen aus fünfzehn verschiedenen Staaten und ich grüße Sie, die Sie aus anderen Ländern kommen, heute ganz besonders. Ich freue mich darüber, dass Sie zusammen mit Ihren deutschen Kameraden über die Sicherheitspolitik der Zukunft nachdenken und dass Sie gemeinsam die Kenntnisse und die Fähigkeiten erwerben, die Sie brauchen, damit der Friede in unserer Welt sicherer und die Sicherheit friedlicher werden kann.
Den Frieden zu sichern, das ist eine ständige Aufgabe und bleibende Herausforderung. Ihre gemeinsame Ausbildung - mit den unverzichtbaren Reisen von denen wir gehört haben und den Einblicken in andere Systeme - leistet dazu einen guten und wichtigen Beitrag. Sie haben in den vergangenen beiden Jahren gewiss viel übereinander und auch voneinander gelernt: Andere Sichtweisen verstehen, den anderen in seinen Eigenarten akzeptieren und respektvoll miteinander umgehen.
Gemeinsam haben Sie viel erlebt und gewiss auch die Erfahrung gemacht, dass Sie Ihre Ziele nur gemeinsam erreichen können und dass Verschiedenheit dabei kein Hindernis ist, sondern ein Gewinn sein kann.
Ich möchte Sie herzlich bitten, diese guten Erfahrungen mitzunehmen in Ihre Heimatländer und für die Einsicht zu werben, dass wir miteinander alles und dass wir gegeneinander nichts erreichen können.
Sie haben in den vergangenen zwei Jahren eine besonders anspruchsvolle Ausbildung durchlaufen. Sie haben nicht allein militärische Fähigkeiten erworben, sondern sich vor allem intensiv mit sicherheits- und gesellschaftspolitischen Fragen beschäftigt.
Ich kann mir und Ihnen daher eine sicherheitspolitische Tour d ' horizon ersparen. Das wäre am Ende einer so langen Ausbildung nicht angemessen.
Gerne möchte ich aber einige Überlegungen zu der Frage anstellen, welche Aufgaben auf unsere Sicherheitspolitik zukommen und welche Aufgaben auf Sie als Offiziere in einer Welt, die sich auf vielen Feldern stark verändert.
II. Mit dem Ende der Spaltung Europas und der Teilung Deutschlands haben sich die politischen Rahmenbedingungen für uns alle grundlegend verändert. Lange gültige sicherheitspolitische Grundsätze, die als unumstößlich galten, spielen keine Rolle mehr.
Aus Gegnern sind Bündnispartner geworden. Alte Konfliktpotentiale haben sich verringert oder sie sind vollständig verschwunden.
In den vergangenen zehn Jahren haben wir aber auch die bittere Erfahrung machen müssen, dass das Ende des Ost-West-Konfliktes nicht das Ende kriegerischer Gewalt auf der Welt war, ja nicht einmal in Europa. Unsere Welt ist leider nicht friedvoller geworden.
Ihre Ausbildung, meine Herren, hat nur wenige Tage nach den schrecklichen Terroranschlägen des 11. September 2001 begonnen. Spätestens da mussten wir erkennen: Unser Land ist zwar gegenwärtig nach allem Ermessen nicht mehr militärisch bedroht, aber Gewalt, Krieg, Unterdrückung und Terror irgendwo auf der Welt können sich auch auf uns auswirken und unsere Sicherheit gefährden und unsere Mitbürger treffen.
Die Veränderungen und Entwicklungen der zurückliegenden Jahre haben Folgen für die Instrumente unserer Politik und auf unsere Bündnisse. Das betrifft die Europäische Union, die Vereinten Nationen, aber auch die Bundeswehr und die NATO. Darauf muss sich die Bundesrepublik Deutschland einstellen. Das erfordert neues Denken - nicht nur bei der Bundeswehr, aber eben auch dort. Das wissen die Soldaten. Sie erwarten es auch.
III. Die Bundesregierung hat dazu erste Beschlüsse gefasst. Diese Entscheidungen sind die Grundlage für eine breite Diskussion darüber, wie deutsche und europäische Sicherheitspolitik im Rahmen der NATO künftig nach der Meinung der Bundesregierung aussehen sollte. Diese Debatte muss jetzt aber auch geführt werden. Ich halte sie für außerordentlich wichtig. Wenige politische Weichenstellungen haben so weitreichende Auswirkungen für unser Land und für unsere Gesellschaft wie diese.
Vor allem wünsche ich mir eine breite öffentliche Diskussion darüber, wie sich unser sicherheitspolitisches Denken ganz grundlegend gewandelt hat. Gelegentlich frage ich mich, ob in einer breiten Öffentlichkeit überhaupt richtig wahrgenommen wird, wie weit wir uns in der Praxis von dem verabschiedet haben, was jahrzehntelang die allgemein akzeptierte Aufgabe der Bundeswehr gewesen ist. Ich staune oft, dass so Vieles doch so beiläufig geschieht. Sind wir uns der Konsequenzen bewusst, die sich daraus ergeben, dass im Zeitalter der Globalisierung jede Verwerfung in dieser Welt auch negative Folgen auf uns haben kann?
Wir müssen über die Frage sprechen, unter welchen Bedingungen wir künftig welche Verantwortung wahrnehmen wollen. Dabei spielt die Frage nach dem Einwirkenaufandere Staaten und gegebenenfalls sogar dem Eingreifeninanderen Staaten eine wichtige Rolle.
Ich weiß, dass viele der Handelnden - Sie auch - nach Orientierung suchen. Wo liegen unsere Interessen?
Als europäische Mittelmacht müssen wir uns immer fragen, welchen Beitrag wir für Freiheit und Verteidigung der Menschenrechte leisten wollen:
Mit dem Afghanistan-Konzept der Bundesregierung scheint ein erster Schritt getan - dieser Prozess muss weitergeführt werden.
Aus vielen Gründen ist die breite Palette ziviler Mittel das bevorzugte Instrument deutscher Außenpolitik - mehr noch als vielleicht in anderen Ländern.
Also: Vor der Entscheidung über den Einsatz militärischer Mittel müssen alle zivilen Möglichkeiten ausgeschöpft sein.
Militärische Gewalt ist kein Mittel wie jedes andere. Militärische Gewalt muss wirklich ultima ratio sein, nicht prima ratio und auch nicht ultima irratio.
Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass es zu Situationen kommen kann, in denen der Einsatz militärischer Mittel unumgänglich ist. Auch darüber, wie dieser Einsatz aussehen soll, müssen wir uns Gedanken machen:
Wofür sind wir bereit, notfalls unsere Soldaten einzusetzen?
Welche Aufgaben soll unsere Bundeswehr in Zukunft wahrnehmen können?
Welche finanziellen Mittel müssen wir bereit stellen,
was bedeutet das für die Wehrpflicht,
was bedeutet das für die personelle Stärke der Streitkräfte?
Die Frage nach den Aufgaben muss beantwortet werden. Die Antwort darauf ist die wichtigste Grundlage für alle weitergehenden Überlegungen.
Lassen Sie mich hier einen Gedanken zu den Aufgaben der Bundeswehr anfügen: Es kann Situationen geben, in denen die humanitäre Arbeit ziviler Organisationen militärischen Schutz braucht. Diese beiden Aufgaben - humanitäre Hilfe und militärische Sicherung - sollten aber klar von einander getrennt sein, wo immer das möglich und sinnvoll ist. Militärische Sicherung kann die Notwendigkeit der Konfrontation einschließen. Humanitäre Hilfe hingegen muss dem Grundsatz unbedingter Neutralität verpflichtet sein und bleiben.
Dass wir über die neuen Aufgaben der Bundeswehr eine breite Debatte führen müssen, das hat auch ganz praktische Gründe: Es geht um die Lebensplanung der Soldaten, der Zivilbediensteten und ihrer Familien. Auch wenn Verteidigungspolitik gewiss kein Unterfall der Wirtschaftsförderung ist - es geht auch um Standorte und ihre Bedeutung für die Region.
Nicht zuletzt geht es um die Frage, welche Auswirkungen strukturelle Veränderungen der Bundeswehr für den Zivildienst haben. Was bedeutet das für die Arbeit vieler sozialer Dienste, Verbände und Institutionen, die sich um hilfsbedürftige Menschen kümmern?
Diese Debatte muss intensiv und ernsthaft geführt werden. Und sie muss jenseits des "Zahlenwerks" geführt werden, das aus verständlichen Gründen immer schnell breiten Raum einnimmt. Ich wünsche mir, dass sich an dieser Diskussion nicht nur die Parteien und Verbände, die Medien, die Bundeswehr, der Zivildienst und die Friedensforschung beteiligen, sondern auch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen einen neuen, einen gesellschaftlichen Grundkonsens über die Aufgaben der Bundeswehr. Das können die Angehörigen der Bundeswehr zu Recht erwarten. Aber die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auch.
Sie haben als Angehörige der Bundeswehr ein besonderes Interesse an diesem Klärungsprozess. Darum bitte ich Sie: Beteiligen Sie sich rege und bringen Sie Ihr Engagement und Ihren Sachverstand ein.
IV. Die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen haben nicht nur Auswirkungen auf die Bundeswehr selbst. Sie fordern auch einen neuen Typus des Stabsoffiziers. Die klassischen Fertigkeiten sind auch weiterhin gefragt. Darüber hinaus werden Sie als militärische Führer und als Ratgeber aber zunehmend auch in nicht-militärischen Fragen gefordert sein. Dazu gehören Kontakte mit der Bevölkerung, die Abstimmung mit Nichtregierungsorganisationen, die Begegnung mit der Lebenswirklichkeit anderer Länder und das Verhalten in völkerrechtlich schwierigen Situationen.
Damit wandelt sich das Bild des Soldaten weiter. Wenn bislang noch die klassische Vorstellung vom Soldaten als Kämpfer der Landesverteidigung galt, so ist er heute auch Friedenstifter und Helfer weit über das Bündnisgebiet hinaus. Dazu kommt: Militärische Einsätze sind schon seit längerem nicht mehr eine eher abstrakte Option, wie das zu Zeiten des Kalten Krieges war. Die Strategie der wechselseitigen Abschreckung hatte ja ausdrücklich das Ziel, Krieg unführbar zu machen. Wie Sie alle wissen, geht es heute um etwas Anderes. Jeder von Ihnen wird im Laufe seines Berufslebens voraussichtlich an Einsätzen im Ausland teilnehmen.
Als Soldaten haben Sie sich verpflichtet, Ihr Leben für die Erfüllung Ihres Auftrages einzusetzen. Keine andere Berufsgruppe verpflichtet sich zu einem so weitgehenden Einsatz für die Menschen in unserem Land.
Für diese Bereitschaft danke ich Ihnen.
Diese Bereitschaft verpflichtet den Staat auch, Sie, soweit wie möglich, vor Risiken zu schützen und zu Ihnen und zu Ihren Familien zu stehen.
Es versteht sich von selbst, dass Sie hervorragend ausgebildet und bestmöglichausgerüstet sein müssen. Es ist ebenfalls selbstverständlich, dass Sie und Ihre Familien angemessen versorgt sind, wenn Ihnen etwas zustoßen sollte. Ich weiß, dass hier nach Auffassung vieler längst nicht alles zufriedenstellend geregelt ist und dass noch Verbesserungen nötig sind. Auf Klarheit und Sicherheit haben Sie einen Anspruch!
Sie können Ihren Auftrag nur erfüllen, wenn Sie sich über den familiären Rückhalt hinaus darauf verlassen können, dass die Gesellschaft Sie stützt und dass die Armee in ihr, als die Armee der parlamentarischen Demokratie, des freiheitlich und sozialen Rechtsstaates im Volk verankert ist.
V. Darin hat die Bundeswehr eine gute Tradition. Sie war in den vergangenen Jahrzehnten in der Gesellschaft gut verankert. Dazu hat entscheidend beigetragen, dass Kommandeure und Soldaten aktiv am öffentlichen Leben in ihren Städten und Gemeinden teilgenommen haben.
Das ist ja durchaus nicht selbstverständlich: Gerade Stabsoffiziere werden häufig versetzt. Sie müssen an jedem Ort Kontakte neu aufbauen und neue Bindungen schaffen. Um so dankbarer bin ich dafür, dass diese Integration so gut gelingt. Viele von Ihnen werden in den kommenden Wochen den Dienst an einem für sie neuen Standort beginnen. Ich bitte Sie, diese gute Tradition der Bundeswehr fortzusetzen und sich neben dem eigentlichen Beruf aktiv einzubringen in das öffentliche Leben, in Vereinen und Verbänden, in Kirchengemeinden, Gewerkschaften und in den politischen Parteien.
VI. Vom Wandel habe ich schon gesprochen: Von der Veränderung des sicherheitspolitischen Umfeldes, von der Veränderung des Auftrages der Bundeswehr und davon, wie sich das Bild des Soldaten wandelt.
Bei allem Wandel schaffen klare, unverrückbare Werte und Grundlagen Orientierung. Dazu gehört ganz vorne und zuerst das Konzept der Inneren Führung. Es gibt Orientierung in einer Zeit, in der sich die Rahmenbedingungen für militärisches Beraten und Führen ständig ändern. Dies Konzept dient nicht nur zur Führung von Menschen. Es ist vor allem ein Konzept zur Integration des Soldaten in die Gesellschaft: Der Staatsbürger in Uniform - dieses Leitbild muss auch in Zukunft gelten.
In den bald fünfzig Jahren ihres Bestehens haben unsere Streitkräfte sich Ansehen und Vertrauen erworben: Als zuverlässiges, hochqualifiziertes, als loyales Instrument sicherheitspolitischen Handelns in der Politik unseres Landes. Dies Vertrauen und dies Ansehen verdankt die Bundeswehr ganz entscheidend diesen Grundorientierungen.
Die Verantwortung dafür, dass das so bleibt, liegt auch bei Ihnen, die Sie jetzt neue Aufgaben und Verantwortung übernehmen. Ich vertraue darauf, dass Sie sich auch in schwierigen Zeiten und in mitunter hektischen Momenten immer an diesen Werten orientieren. Dazu gehört auch das Wissen darum, was Deutsche im vergangenen Jahrhundert an Unheil über die Welt gebracht haben.
VII. Unser Gemeinwesen kommt nicht ohne Pflichten aus; die Staatsbürger müssen einen Beitrag leisten. Die Wehrpflicht steht für die Bereitschaft der Bürger, persönlich Mitverantwortung für den Schutz unseres Landes zu übernehmen.
Aus guten Gründen gilt bis heute die Wehrpflicht. Freilich wird in jüngster Zeit nicht nur in den Parteien über den Fortbestand der Wehrpflicht diskutiert.
Es gibt Sie ja nicht um ihrer selbst willen. Wenn die Gründe, die für sie sprechen, nicht mehr gelten sollten, dann müssen wir neu nachdenken und neu entscheiden. Wir wären unglaubwürdig, wenn wir an Positionen festhielten, die sich unter veränderten Bedingungen nicht mehr halten lassen. Unglaubwürdig wäre die Politik genauso, wenn sie weiter gültige Einsichten, die für die Wehrpflicht sprechen, einfach dem Zeitgeist opferte.
Diese Frage verdient die politische Debatte, wenn nötig auch den politischen Streit und nicht nur öffentliche Spekulationen und Mutmaßungen. Die Zukunft der Wehrpflicht ist eine Frage, die politisch gestaltet und nicht durch Gerichte entschieden werden sollte. Die politische Bewertung und Entscheidung darf nicht ersetzt werden durch vermeintliche oder tatsächliche Sachzwänge.
VIII. Meine Damen und Herren,
welche Anforderungen werden heute nach meinem Eindruck an einen Stabsoffizier gestellt?
Seine Tätigkeit hat zwangsläufig immer etwas mit Ordnung zu tun: Im Friedensdienst und im Einsatz ordnet der Generalstabsoffizier Abläufe und Mittel. Er ordnet Informationen, Ressourcen und Prioritäten; er ordnet, wie Sie es sagen, Kräfte, Raum und Zeit.
Der Stabsoffizier plant, strukturiert und bereitet Lösungen vor. Das verlangt geordnete Gedankenführung, klare Bindung an Werte und Konsequenz und Disziplin.
Ein Teil Ihres weiteren Berufslebens wird Sie in Führungsaufgaben mit ganz eigener Verantwortung führen. Oft werden Sie aber auch Führungsgehilfe sein oder mit anderen Worten: Berater - Berater militärischer oder ziviler Vorgesetzter oder auch von politisch Verantwortlichen.
Natürlich muss jeder Berater gute fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten haben. Er muss an weiterer Bildung und Weiterbildung interessiert sein. Was ich mir von Ihnen, als künftigen Beratern, jedoch darüber hinaus erhoffe, das ist Wahrhaftigkeit. Wahrhaftigkeit ist eine besonders herausfordernde, aber auch eine besonders wichtige Tugend - nicht nur für Soldaten, sondern für jeden von uns. Sie verlangt Selbstbewusstsein und den Mut zur Selbstkritik. Beides muss den Berater auszeichnen.
Sie werden die Erfahrung machen, dass nicht jeder Entscheidungsträger bereit ist, Rat anzunehmen, auch wenn dieser Rat noch so sachkundig, offen, wahrhaftig, kreativ und verantwortlich gegeben wird. Dann ist Loyalität gefordert. Das kann zu erheblichen Belastungen führen, zu Gewissensentscheidungen bis zur Gewissensnot. Bis dahin ist es aber ein weiter Weg. In jedem Fall ist sorgfältig zu prüfen: Geht es wirklich um eine Gewissensentscheidung?
Zivilcourage ist wichtig, aber nicht jede öffentliche Kritik an politischen oder militärischen Entscheidungsträgern darf als Zivilcourage ausgegeben werden.
Die Aufgaben, die vor Ihnen liegen, erfordern besonderes Verantwortungsbewusstsein. Führen Sie sich stets vor Augen, welche Konsequenzen die Entscheidungen haben, bei deren Vorbereitung Sie mitwirken oder die Sie selber treffen.
Vergessen Sie nie, dass Ihre Entscheidungen Menschen treffen. Verständnis und Herz machen den fürsorglichen militärischen Vorgesetzten aus. Verlieren Sie nie aus dem Blick, dass Sie aufgrund Ihrer besonderen Ausbildung, die heute zu Ende geht, mehr Möglichkeiten und mehr Chancen haben als andere. Darin liegt auch eine besondere Verantwortung.
Gerade die Bundeswehr ist auf Zusammenhalt und auf Miteinander angewiesen. Verhalten Sie sich so, wie Sie es von anderen gegenüber sich selbst auch erwarten. Achten und schützen Sie die Würde anderer Menschen.
Achten Sie aufeinander und achten Sie einander.
IX. Soldaten und Bundespräsidenten, Pastoren, jedenfalls evangelische und Diplomaten haben eines gemeinsam: Ihre Ehepartner sind nach aller Erfahrung von ihrer Berufstätigkeit in besonderem Maße mit betroffen! Für den Einsatz, den Sie, meine Damen, an der Seite Ihrer Männer zu leisten bereit sind, möchte ich Ihnen deshalb heute besonders danken. Sie werden gelegentlich gewiss Geduld und Kraft brauchen, weil Ihre Männer mehr mit dem Dienst als mit Ihnen verheiratet zu sein scheinen oder weil wieder einmal Mobilität verlangt wird.
Seien Sie sich immer bewusst, dass Ihre Männer Sie brauchen! Sie brauchen Ihren Zuspruch und auch die Bereitschaft, mit Ihnen über berufliche Sorgen zu sprechen. Nur so können sie oft schwierige Aufgaben bestehen.
Sie werden an vielen interessanten Verwendungen Ihrer Männer im In- und Ausland teilhaben. Das kann Ihnen neue Eindrücke und erlebnisreiche Begegnungen vermitteln. Vielleicht sind manche dieser schönen Zeiten Ausgleich für manche Phasen harter Belastung.
X. Nun noch einmal zu denen, die gleich ihre Urkunden bekommen:
Sie beenden heute eine Ausbildung, die Ihnen das notwendige Rüstzeug für Ihre neuen Aufgaben gibt. Sie sind in diesen zwei Jahren im Lehrgang zusammengewachsen und zu einer besonderen Gemeinschaft geworden. Sie haben fordernde und anspruchsvolle Aufgaben hinter sich, die Ihren Horizont erweitert haben. Ich bin überzeugt davon, dass Sie Ihr ganzes Leben lang von dieser Ausbildung zehren können, dienstlich und privat - viel mehr, als Ihnen das heute vielleicht bewusst sein kann.
Auf den verschiedenen Führungsebenen - national oder international - werden Sie sich in Zukunft immer wieder begegnen und Sie werden von den Kontakten profitieren, die Sie hier geknüpft haben.
Unser Land und mit ihm unsere Bundeswehr stehen vor großen Herausforderungen. Sie, meine Herren, sind aufgrund Ihrer Begabungen und Ihrer bisherigen Leistungen ausgewählt und besonders gefördert worden. Sie haben den Vorzug einer hervorragenden Ausbildung an der Führungsakademie genossen. Vor Ihnen liegen anspruchsvolle Aufgaben. Ihr Wirken kann Ihnen ein hohes Maß an beruflicher Zufriedenheit schenken. Freuen Sie sich darauf.
Unser Staat hat in den vergangen Jahren viel in Sie investiert. Sie haben jetzt die Chance, für unsere Gesellschaft einen Beitrag zu leisten. Nutzen Sie sie!
XI. Die ausländischen Teilnehmer dieses Lehrgangs möchte ich bitten, mitzuhelfen, dass die Freundschaft zwischen Ihrem und unserem Land erhalten bleibt und dass sie weiter vertieft wird. Sie haben zum Erfolg des Lehrgangs wesentlich beigetragen. Sie waren uns willkommene Gäste in Deutschland und ich hoffe, dass Sie als Freunde gehen und diese Freundschaft in den kommenden Jahren pflegen und weiter ausbauen.
Ich danke dem Kommandeur der Führungsakademie und ich danke allen Dozenten für ihre Arbeit.
Den Lehrgangsteilnehmern wünsche ich Erfolg und, ich zitiere einen Ihrer Vorgänger, Helmut Graf von Moltke, der nur wenig gesprochen hat - sein Denkmal steht in der Nähe meines Amtssitzes - das "Glück des Tüchtigen".
Ich wünsche Ihnen Glück und Gesundheit.