Redner(in): Horst Köhler
Datum: 11. Juni 2006

Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2006/06/20060611_Rede.html


Diese Woche ist eine Woche der Meisterschaften. Vorgestern hatte ich das Vergnügen, die Fußball-Weltmeisterschaft in München zu eröffnen, und heute freue ich mich darüber, Sie alle zum Bundesfinale von "Jugend debattiert" willkommen zu heißen. Und wie am Freitag beim Spiel unserer Nationalmannschaft gegen Costa Rica vertraue ich darauf, dass es auch heute nach einer fairen Auseinandersetzung mit klaren Regeln einen Sieger gibt.

Es ist schön, dass wir mit unserem rhetorischen Wettbewerb gerade in der Akademie der Künste zu Gast sind. Rhetorik ist die Kunst der Rede, die Kunst zu überzeugen - und die ist weit entfernt von der Unart, andere bloß überreden zu wollen. Sie haben sich in der Kunst zu überzeugen geübt, und wir sind gespannt auf die Proben, die Sie uns davon gleich geben werden. Jugend debattiert " ist eine Erfolgsgeschichte. Die Teilnehmerzahlen steigen immer weiter und das Niveau der Debatten bleibt hoch. Ein weiteres Zeichen für den wachsenden Erfolg ist die Ausweitung des Wettbewerbs in die Staaten Mittel- und Osteuropas. So konnte ich bei meinem Besuch in Polen im Sommer des vergangenen Jahres in Danzig eine spannende Debatte zwischen polnischen Schülern miterleben. Dass auch dort der Wettbewerb in deutscher Sprache stattfindet, das freut mich besonders.

Ich danke der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, dem Goethe-Institut und der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung für die Unterstützung der mittel- und osteuropäischen "Jugend debattiert" -Wettbewerbe. Und ich begrüße sehr herzlich die Landessieger aus Polen, aus der Tschechischen Republik, aus der Ukraine und aus den baltischen Republiken, die alle heute in unserer Runde mit dabei sind.

Fast auf den Tag genau vor 70 Jahren verstarb der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton. Von ihm ist der Satz überliefert: "Die Leute streiten im allgemeinen nur deshalb, weil sie nicht diskutieren können." Das kann Euch nicht passieren.

Ihr, liebe Teilnehmer, lernt, nach klaren Regeln miteinander zu debattieren und so fruchtlosen Streit zu vermeiden. Auf die Frage, wann eine Debatte denn misslungen sei, haben im vergangenen Jahr Eure Vorgänger zur Antwort gegeben: Misslungen sei sie,"wenn keine ausreichende Sachklärung stattfindet".

Es ist die Stärke der Demokratie, dass wir den Dingen auf den Grund gehen können, Streitiges klären und sorgfältig nach der besten Lösung suchen können. Demokratie lebt von der Debatte. Nur im freien Meinungsaustausch können sich die besseren Argument durchsetzen und gute Ideen reifen. Freilich muss dann das Ergebnis der Debatte auch verwirklicht werden. Beim Reden allein darf es nicht bleiben.

Es heißt, dass der Erfolg viele Väter und Mütter hat. Es ist - Sie verzeihen mir den erneuten Vergleich - wie bei der Fußball-WM: Um Weltmeister zu werden, braucht es die engagierten, in aller Regel ehrenamtlich arbeitenden Trainer in der Nachwuchsarbeit; an der Basis, und zwar lange vor dem Turnier. Das ist bei "Jugend debattiert" genauso: Ohne den großen Einsatz der vielen Lehrer, die durch die Teilnahme ihrer Schulen an dem Wettbewerb viel zusätzliche Arbeit haben, wäre das alles nicht möglich. Das gilt genauso für die Koordinatoren der Schulverbünde, die Landesbeauftragten, die Trainer und alle anderen an dem Projekt Beteiligten. Hierfür sage ich Ihnen allen vielen herzlichen Dank. Ich bin froh, dass der Erfolg in diesem Fall wirklich viele, so viele Mütter und Väter hat.

Der Wettbewerb "Jugend debattiert" leistet einen wichtigen Beitrag zur Demokratieerziehung in unserem Land und ich denke, er ist auch ein wichtiger Beitrag und Ansatz in der Auseinandersetzung von Demokraten mit Rechtsextremisten und Ausländerfeindlichkeit. Es ist Basisarbeit und ich bin überzeugt davon, dass diese Arbeit sich lohnen wird.

Nun aber genug der Worte von meiner Seite. Ich wünsche uns allen interessante und spannende Debatten und den Finalisten viel Erfolg!