Redner(in): Horst Köhler
Datum: 6. Oktober 2006
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2006/10/20061006_Rede.html
Heute sind wir froh über ihren Einsatz. Denn wir Nachgeborenen brauchen Orte, an denen das Vergangene lebendig bleibt. Das gilt freilich nicht nur für prächtige Schlösser wie dieses hier, sondern genauso für unscheinbarere Gebäude wie Fachwerkhäuser, Dorfkirchen oder Fabrikgebäude; für architektonische Details wie Tonnengewölbe, Treppengeländer oder Tapeten. Sie helfen uns, Geschichte zu begreifen - wenn möglich sogar im wörtlichen Sinne. Wir erleben dabei die handwerklichen und technischen Fähigkeiten unserer Vorfahren. Wir tauchen ein in ihre Vorstellungswelt. Wir bekommen eine Ahnung vom Reichtum unserer Kulturnation. Es ist wichtig, dass wir diesen Reichtum pflegen und bewahren - gerade auch in Zeiten, in denen bei vielen der Wunsch nach Beständigkeit, nach Zugehörigkeit, ja nach Heimat wächst.
Aus diesem Grund ist die Erhaltung von Denkmalen alles andere als ein sentimentaler Luxus. Und nach wie vor kommt es dabei vor allem auf das Engagement von Einzelnen an.
Ich bin deshalb sehr froh, dass die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit dem Angebot eines Freiwilligenjahres in einer ihrer inzwischen acht Jugendbauhütten ganz gezielt junge Menschen für die Denkmalpflege begeistert. Sie wissen vielleicht, dass ich ein großer Anhänger des freiwilligen sozialen Jahres bin, weil alle durch diesen Dienst gewinnen: Die Gesellschaft im Ganzen, aber auch jeder Einzelne, und damit meine ich nicht nur die beruflichen Chancen, die durch solches Engagement berechtigterweise wachsen. Immer wieder sagen mir junge Leute, wie gut es ihnen tut, sich nützlich und gebraucht zu fühlen.
Sein freiwilliges Jahr auch der Denkmalpflege zu widmen, erscheint mir in vielfacher Hinsicht gewinnbringend: Es vermittelt nicht nur Selbstbewusstsein und das gute Gefühl, gemeinsam mit anderen etwas zu erschaffen oder wiedererstehen zu lassen. Es bringt auch einen ganz praktischen Gewinn an handwerklichen Fähigkeiten. Es lehrt eine Ahnung von der Vergänglichkeit der Menschen und der Dinge, die sie hervorgebracht haben. Es lehrt Respekt vor dem, was unsere Vorfahren vollbracht haben. Es lehrt Geduld und Beharrlichkeit in einer Zeit, in der vieles schnell gehen soll. Und es lehrt, dass das Neue nicht immer das Bessere sein muss.
Denkmalschutz war und ist schließlich auch ein Kampf um Mittel. Und je leerer die öffentlichen Kassen sind, desto wichtiger wird das private Engagement. Ich danke darum den vielen, die sich engagieren: Allen voran der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und den zahlreichen Stiftern und Spendern, die Aktivitäten wie die Jugendbauhütten erst möglich machen. Ich danke den internationalen Jugendgemeinschaftsdiensten, die als bundesweit anerkannte Träger das freiwillige Jahr im Denkmalschutz durchführen. Ich danke den jungen Frauen und Männern, die ihr freiwilliges soziales Jahr in den Jugendbauhütten absolvieren, wie auch den Leiterinnen und Leitern der Jugendbauhütten, den Handwerkern, Architektinnen, Museumsfachleuten und den vielen anderen, die den jungen Menschen ihr Wissen und ihr Können vermitteln. Ich danke dem Deutschlandfunk, der sich mit seiner Benefizkonzertreihe "Grundton D" seit nunmehr über anderthalb Jahrzehnten für die Rettung von bedrohten Denkmalen einsetzt, und nicht zuletzt den Berliner Barock Solisten, die auf ihre Weise authentisch Historisches und modern Restauriertes verbinden.
Albert Schweitzer hat einmal gesagt: "Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen seiner Mitmenschen." Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Engagement für die Erhaltung von Denkmalen verdient einen Platz in unser aller Herzen.