Redner(in): Horst Köhler
Datum: 12. Oktober 2007
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2007/10/20071012_Rede2.html
Vor einigen Jahren gab es in München eine Ausstellung über die bayerischen Ministerpräsidenten, die frei nach Franz Josef Strauß den Titel trug: "Das schönste Amt der Welt". Sie werden gewiss sagen, dass es nicht nur ein schönstes Amt, sondern in der Summe mindestens sechzehn schönste Ämter der Welt gibt - und dass das Amt in Ihrem Bundesland noch ein ganz klein bisschen schöner ist als in den anderen Ländern.
Da Schönheit glücklich macht, darf ich sagen: Ich freue mich, heute gleich vier der glücklichsten Amtsträger Deutschlands zu Gast zu haben. Und das in gesamtdeutscher Ausgewogenheit zwischen Alt und Jung: Mit zwei Ministerpräsidenten aus den "jungen" und zwei Ministerpräsidenten aus den "alten" Ländern. Dabei überlasse ich freilich ganz Ihnen, wie Sie die vier Staaten in diese Kategorien einsortieren wollen. Lieber Herr Professor Böhmer, lieber Herr Koch, lieber Herr Müller, lieber Herr Dr. Ringstorff - seien Sie herzlich willkommen.
Sie alle tragen seit langen Jahren Verantwortung in einem Amt, das bei aller Schönheit freilich auch eines der am meisten herausfordernden Ämter ist, die in Deutschland überhaupt zu vergeben sind.
Als Ministerpräsident sind Sie tagtäglich auf Tuchfühlung mit den Bürgern: Sie erfahren unmittelbar, was die Menschen in Ihrem Bundesland umtreibt, wo es gut läuft, und welche Sorgen und Nöte die Bürger drücken. In der Landespolitik lässt sich besonders viel von dem bewegen und gestalten, was für den Alltag der Bürger wichtig ist - von der Bildungs- und Kulturpolitik über die öffentliche Sicherheit und Ordnung bis zum Verkehrswegebau und zur regionalen Wirtschaftsförderung. Weil die Aufgaben so handfest sind, können die Bürger allerdings auch besonders gut beurteilen, ob ein Ministerpräsident erfolgreiche Politik macht.
Zugleich ist der Ministerpräsident der wichtigste politische Repräsentant seines Landes auf der Bundesebene. Auch dort gilt es für ihn, die Interessen des Landes zu wahren - und auch dabei steht er in einem besonders hellen Rampenlicht und muss sich stets aufs Neue bewähren.
Die Verantwortung als Ministerpräsident ist groß. Und sie ist noch ein Stück größer geworden, seit vor gut einem Jahr die erste Stufe der Föderalismusreform in Kraft getreten ist. Sie hat die Autonomie der Länder substanziell gestärkt, etwa im Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung. Neue Kompetenzen müssen aber auch ausgefüllt werden. Und so hoffe ich, dass die Länder ihre erweiterten Möglichkeiten kraftvoll und verantwortungsbewusst nutzen, um in schöner Vielfalt und in eigener Kompetenz aber doch zum Wohl des Ganzen um die besten Lösungen zu wetteifern.
Unser föderales System lebt von starken, auch finanziell handlungsfähigen Ländern. Es ist daher gut und richtig, dass Bund und Länder jetzt an einer Reform des Haushaltsverfassungsrechts und der föderalen Finanzbeziehungen arbeiten. Auch hier geht es um die richtige Mischung zwischen Eigenverantwortlichkeit und Gesamtverantwortung. Es geht um mehr Transparenz und Rationalität bei Ausgaben und Einnahmen. Die Bürger sollten nachvollziehen können, was was gekostet hat und woher die Mittel dafür stammen. Ich weiß als "alter Finanzer" sehr genau, wie schwierig das ist.
Deutschland besteht nicht aus einer Hauptstadt - und der Rest ist Provinz. Deutschland hat viele Hauptstädte und leuchtende Provinzen. Davon habe ich mich bei zahlreichen Besuchen in den Bundesländern überzeugen können. Ich lerne viel bei diesen Besuchen. Die Erlebnisse und Gespräche beeindrucken mich immer wieder aufs Neue, und sie zeigen mir, wie wichtig, aber auch wie schwierig gerade die Aufgabe der Ministerpräsidenten ist, eine Politik zu machen, die nah am Bürger ist, ihn ernst nimmt und sich ihm doch nicht anbiedert, sondern ihn auch von unangenehmen Notwendigkeiten überzeugt.
Sie tun das in vier der deutschen Länder nun schon seit langen Jahren. Und das mit Erfolg. Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und Sachsen-Anhalt stehen pars pro toto für die Kraft und Vielfalt unseres Landes, für großartige Leistungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur und für den Mut, auch schwierige Probleme beherzt anzugehen. Daran haben Sie mit Ihrer Politik einen großen und bleibenden Anteil. Sie haben sich damit um unser ganzes Land in überragender Weise verdient gemacht.
Es ist mir eine große Freude, Ihnen nun das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland zu verleihen.