Redner(in): Gerhard Schröder
Datum: 18.01.2005

Untertitel: Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder - gehalten anlässlich des "Roll out" des Airbus 380 am 18. Januar 2005 in Toulouse.
Anrede: Verehrter Herr Präsident, lieber Freund Jacques Chirac, liebe Herren Kollegen,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/85/775485/multi.htm


meine sehr verehrten Damen und Herren!

Dies ist ein großer Tag für Europa, weil es ein großer Tag für Europas Luftfahrtindustrie ist. Es ist ein Triumph europäischer Wissenschaft und europäischer Ingenieurkunst, und es steht in der besten Tradition unserer Länder. Vor etwa sechs Jahren haben wir hier in Toulouse, verehrter Herr Präsident, miteinander über die Frage gesprochen und entschieden, wie wir dem Werden von EADS einen Rahmen, auch einen staatlichen Rahmen, geben könnten. Ich erinnere mich, dass damals viele weltweit der Auffassung waren: Ob die Europäer das zu Wege bringen, das steht in den Sternen.

Es mag sein, dass wir industriepolitisch nach den Sternen gegriffen haben. Ich bin durchaus stolz darauf, dass es in dieser Zeit gelungen ist, EADS / Airbus zur Nummer Eins auf dem weltweiten Markt der Luftfahrtindustrie zu machen. Wer sich fragt, wie das zu Stande kommen konnte, den muss man daran erinnern, dass es die Traditionen des guten alten Europas sind, die das ermöglicht haben, und zwar Traditionen der Zusammenarbeit in den Unternehmen, der Fairness gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, des Raumgebens für Kreativität und der sozialen Sensibilität. Ich bin fest davon überzeugt: Ohne diese Traditionen der Teilhabe aller Beschäftigten am Werk und der damit verbundenen Motivationen wäre das nicht zu erreichen gewesen.

Hinzu gekommen ist die Bereitschaft des Managements, unabhängig von der nationalen Zugehörigkeit miteinander zu arbeiten, im besten Sinne gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Das ist ein hohes Gut, das niemals in Frage gestellt werden darf, sondern eines der Geheimnisse des gemeinsamen Erfolges ist und bleiben wird. Schließlich kam die Bereitschaft der Regierungen der Länder hinzu, einen vernünftigen Rahmen zu setzen und Hilfe zu leisten - natürlich in Übereinstimmung mit internationalen Abkommen, aber durchaus auch selbstbewusst. Diese Abkommen galt und gilt es zu nutzen, in der Vergangenheit, in der Gegenwart und - ich bin ganz sicher - auch in der Zukunft.

Bei der Vorstellung der A380 habe ich mich von den vier Figuren berühren lassen, auf deren Anzüge einige der größten Leistungen europäischer Wissenschaft und europäischer Kultur zu sehen waren. Für mich als Deutscher war von Einstein, Goethe und Bach die Rede. Ohne diese europäische Kultur, ohne das, was dahinter an wissenschaftlicher Leistung und Ingenieurskunst steht, wäre dieses Werk nicht möglich gewesen. Aber zugleich ist bewiesen: Wenn wir die Kräfte unserer Länder, dieses Europas bündeln, dann sind technologische und nicht nur technologische Höchstleistungen erreichbar.

Ich habe zwei Erwartungen: Zum einen möchte ich, dass beim Aushandeln eines neuen Abkommens mit den Vereinigten Staaten, wo es einen beachtlichen Wettbewerber gibt, das europäische Interesse fair und selbstbewusst zum Ausdruck gebracht wird. Zum anderen sind die weltweiten Aktivitäten, die hier in den Stellungnahmen der Vorstandsvorsitzenden großer Airlines deutlich geworden sind, gewiss bedeutend für das, was hier ins Werk gesetzt worden ist und was wir vorhaben. Aber ich würde mir wünschen, dass man bei EADS begreift, dass das Boot von EADS nicht voll ist und es in Europa Menschen gibt, die ähnliche Träume verwirklichen wollen, z. B. in Russland. Das, was EADS dort an Zusammenarbeit begonnen hat, wünschte ich mir jedenfalls mit noch mehr Energie fortgesetzt. Eine technologisch interessante Luftfahrtindustrie ist einer der wichtigsten Märkte, etwas, was eine neue Herausforderung ausmachen und neue Partnerschaften ermöglichen sollte.

Mein Eindruck ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kollegen, dass dieser Tag auch ein Stück europäischer Industriegeschichte schreiben wird, weil an diesem Tag und mit diesem Projekt deutlich geworden ist: Unser Europa ist immer noch in der Lage, großartige Impulse für die Moderne im 21. Jahrhundert zu geben. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst derer, die das bei EADS ins Werk gesetzt haben. Für die Zukunft wünsche ich alles erdenklich Gute.