Redner(in): Frank-Walter Steinmeyer
Datum: 04.12.2015

Untertitel: Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Abschluss des OSZE-Ministerrats in Belgrad
Anrede: liebe Kolleginnen und Kollegen,Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2015/151204_Rede_BM_OSZE.html


Lieber Ivica Dačić , Ich habe auf diesem Rat das direkte Gespräch mit vielen von Ihnen gesucht, um zuzuhören, was Ihre Sorgen und Anregungen sind. Ich will dies als Vorsitzender der OSZE so beibehalten, denn wir werden unsere gemeinsamen Herausforderungen nur meistern können, wenn wir uns zuhören und ernst nehmen - so unterschiedlich unsere Haltungen auch sind. Wir leben in stürmischen Zeiten. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind groß. Vieles ist hier in den letzten beiden Tage zur Sprache gekommen: Die Terroranschläge von Paris, die Krise in der Ostukraine, die anderen weiter schwelenden Konflikte im OSZE-Raum, der Zustrom von Flüchtlingen nach Europa und zahlreiche Fragen von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Nicht-Diskriminierung. Auch wenn ich es sehr bedauerlich finde, dass wir zu vielen Erklärungsentwürfen keine Einigung finden konnten: Ich hatte das Gefühl, dass wir bei diesem Ministerrat in Belgrad etwas offener auf einander zugegangen sind und in etwas versöhnlicherem Ton gesprochen haben. Das begrüße ich sehr, denn wir werden unsere Herausforderungen nur gemeinsam angehen können. Ich bin überzeugt, dass uns die OSZE dabei helfen kann, weil sie über vielfältige Instrumente und Dialogformate verfügt, die wir nutzen und stärken sollten. Ich habe gestern darauf hingewiesen, dass ich drei Felder für besonders wichtig halte: Ich nannte erstens, die Krisenreaktion: Die OSZE sollte früher, entschiedener und substantieller auf Krisen reagieren können. Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einmal mein Appell, dass wir der OSZE schnelle Planungssicherheit durch ein solides Budget für 2016 geben sollten. Zweitens, die Vertrauensbildung: Wir sollten 2016 verstärkt über die Reduzierung militärischer Risiken sprechen, denn unsere Instrumente von Transparenz und Vertrauensbildung können Krisen besser verhindern, wenn wir sie modernisieren. Und das will ich hier ausdrücklich sagen begrüße ich es sehr, dass am Rande dieser Konferenz Gespräche zwischen den Kollegen aus Russland und der Türkei stattfinden konnten, um den Abschuss des russischen Flugzeugs an der türkisch-syrischen Grenze zu besprechen. Drittens, die Zukunft der europäischen Sicherheitsordnung: Wir müssen die Fundamente des OSZE-Raums festigen und darüber sprechen, wie wir diesen Raum gemeinsam gestalten wollen! Die OSZE kann für all dies Instrument und Forum sein und Deutschland wird als Vorsitz dazu in verschiedenen Formaten Dialogangebote machen. Schließlich das will ich nicht unerwähnt lassen wird sich der deutsche Vorsitz und mit ihm die OSZE weiter stark mit der Lösung von Konflikten beschäftigen müssen in der Ukraine, aber auch im übrigen OSZE-Raum. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir die Stärken der OSZE in dieser stürmischen Zeit nutzen wollen, wird dies aber nur gelingen, wenn wir alle dazu bereit sind! Ich bitte Sie daher um Ihre Unterstützung und Ihre Bereitschaft zum Dialog und Kompromiss für 2016! Ich versichere Ihnen, dass Gernot Erler als Sonderbeauftragter für den OSZE-Vorsitz und all unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein offenes Ohr für Ihre Anliegen haben werden. So hat es auch Didier Burkhalter als Vorsitzender 2014 gehalten. Für sein überwältigendes Engagement für die OSZE, über den Schweizer Vorsitz hinaus, gebührt ihm größter Respekt und Dank! Nun rückt Sebastian Kurz in die OSZE-Troika auf, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm! Dir, lieber Ivica Dacic, ganz herzlichen Dank für Deine großartige Arbeit als Vorsitzender, und für die Gastfreundschaft hier in Belgrad! In stürmischen Zeiten sind Navigationspunkte zur Orientierung wichtig. Und mit Blick auf den Ausrichtungsort des Ministerrats im nächsten Jahr passt die nautische Metapher: Er wird in Hamburg stattfinden! In einer Stadt, die bei uns als "Tor zur Welt" gilt und die als alte Hanse- und Hafenstadt für Weltoffenheit und Toleranz, für Kultur steht Werte, die auch den deutschen OSZE-Vorsitz 2016 prägen sollen. Wir wollen dazu beizutragen, dass wir den Dialog in der OSZE erneuern, Vertrauen Stück für Stück neu aufbauen und unsere gemeinsame Sicherheit im OSZE-Raum wieder herstellen und stärken. Ich wünsche mir, dass wir uns alle im Jahr des 40. Jubiläums der Helsinki Schlussakte zu diesem Ziel bekennen - aber nicht nur bekennen, sondern unser Handeln an diesen Prinzipien ausrichten. Wenn wir dies tun dann und nur dann werden wir die Erwartungen all der Menschen in unseren 57 Ländern gerecht werden, nämlich in einer Zeit der Krisen und Konflikte wieder mehr Sicherheit, Stabilität und Frieden zu schaffen. So unterschiedlich und so kontrovers die Positionen von Regierungen manchmal sein mögen, so unterschiedslos und einheitlich ist der Wunsch von Menschen, in Frieden miteinander zu leben. Dies zu erreichen muss unser gemeinsames Ziel sein. Vielen Dank!