Redner(in): Michael Roth
Datum: 02.06.2016

Untertitel: Rede von Europa-Staatsminister Michael Roth bei der Ersten Lesung im Deutschen Bundestag zur Verlängerung des Mandats für die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Mission der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL)
Anrede: Sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2016/160602-StM_R_BT_UNIFIL.html


Anfang Mai bin ich in den Libanon gereist und konnte mir vor Ort selbst ein Bild von der aktuellen Lage machen. Mein persönlicher Eindruck wird sicher von vielen von Ihnen geteilt: Das Land steht vor gewaltigen Bewährungsproben. Die Gräben zwischen den konfessionellen und politischen Gruppen sind tief. Die Suche nach einem Präsidenten ist seit nunmehr zwei Jahren erfolglos geblieben.

Die Syrienkrise hat die ohnehin schon schwierige Gemengelage noch weiter verkompliziert: Seit 2012 hat Libanon pro Kopf weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen, nämlich über eine Million bei etwa 4,5 Millionen Einwohnern. Schulen und Krankenhäuser sind überlastet, Wohnraum ist knapp, Mieten und Lebenshaltungskosten sind enorm gestiegen.

Zwar gelangt mittlerweile viel internationale Hilfe ins Land die Bundesregierung zählt übrigens zu den größten Gebern. Doch die sozialen Spannungen zwischen Libanesen und den syrischen Flüchtlingen können damit nur teilweise abgefedert werden.

Der Syrienkonflikt wirkt sich auch auf die Sicherheitslage aus: Im syrisch-libanesischen Grenzgebiet ist die Terrororganisation Islamischer Staat präsent und versucht immer wieder, auch in den Libanon vorzudringen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz hat die libanesische Armee bislang verhindert, dass die Terrororganisation im Libanon Fuß fassen konnte. In der Bevölkerung genießt die Armee enorm hohes Ansehen und gilt als glaubhaft überkonfessionelle Institution. Allein schon deshalb ist und bleibt unsere Unterstützung für die libanesischen Streitkräfte mit Ausbildung und Ausrüstung so wichtig.

Die Lage im Libanon bleibt schwierig: sicherheitspolitisch, humanitär, wirtschaftlich, sozial. Da kann man die stabilisierende Rolle der VN-Mission UNIFIL gar nicht hoch genug einschätzen. Dabei geht es mir in erster Linie nicht nur um die militärische Bedeutung im engeren Sinne. Die Mission ist ein immens wichtiges politisches Symbol. Sie steht für die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Wir sind einem stabilen, friedlichen Libanon verpflichtet. Unsere klare Botschaft lautet: Wir lassen das Land in dieser schwierigen Lage nicht alleine!

Angesichts der Fliehkräfte, die dort derzeit wirken, ist es wichtiger denn je, die UNIFIL als Stabilitätsanker zu erhalten! Denn es ist für uns von herausragendem sicherheits- und außenpolitischen Interesse, dass der Libanon stabil bleibt. Das ist angesichts der dramatischen Lage im Nachbarland Syrien und der vielen Flüchtlinge, die der Libanon derzeit beherbergt, alles andere als selbstverständlich.

Der zentrale Beweggrund für die Mission bleibt ja bestehen: Der Waffenstillstand zwischen Libanon und Israel darf nicht in Frage gestellt werden. Derzeit finden einzig und allein unter dem Dach von UNIFIL direkte Gespräche zwischen Israel und Libanon statt. Diplomatisch erkennen sich beide Staaten weiterhin nicht an, aber sie akzeptieren und schätzen UNIFIL als wertvollen Mechanismus zur Streitschlichtung.

In den vergangenen Jahren hat auch UNIFIL einige Male eine militärische Eskalation verhindern können. Hierzu zählten beispielsweise der Tod eines israelischen Soldaten durch Schüsse eines libanesischen Soldaten im Jahr 2015 oder zuletzt im Januar 2016 ein Anschlag der Hisbollah gegen eine israelische Grenzpatrouille. In beiden Fällen konnte UNIFIL durch die Einleitung von Untersuchungen und die anschließende Vermittlung zwischen den Konfliktparteien einen wichtigen Beitrag zur Deeskalation leisten.

UNIFIL umfasst zwei Komponenten. Zu Land entlastet sie die libanesische Armee bei ihrem Kampf gegen den Terrorismus insbesondere entlang der syrisch-libanesischen Grenze. Sie sorgt damit indirekt auch für Stabilität und Sicherheit an der libanesisch-israelischen Grenze.

Auf See, hier engagiert sich von Beginn an auch Deutschland, trägt sie ebenfalls zur Sicherheit bei. UNIFIL hilft, von der Seeseite her die Grenzen des Libanon abzusichern. Meine Gesprächspartner im Libanon haben mir bestätigt, dass diese gemeinsame Seeüberwachung sehr erfolgreich ist.

Darüber hinaus umfasst das Mandat der maritimen Mission auch eine Ausbildungskomponente. Sie soll die libanesische Marine befähigen, diese Aufgabe mittelfristig wieder eigenverantwortlich zu übernehmen. Angesichts der massiven Anforderungen an die libanesischen Sicherheitskräfte geht dieser Prozess trotz einiger Fortschritte leider langsamer voran als erhofft. Deshalb bleibt unsere Unterstützung weiterhin notwendig und gewünscht.

Aber die Bundesregierung leistet eben nicht nur militärisch Unterstützung. Wir engagieren uns für die Region vor allem mit humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, die wir seit diesem Jahr wieder bilateral leisten.

Insgesamt hat die Bundesregierung dem Libanon 300 Mio. Euro Hilfen im Bereich humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit für 2016 zugesagt. Wir sind damit in diesem Jahr der größte bilaterale Geber. Mit der libanesischen Regierung sind wir im engen Kontakt darüber, wo und wie die Mittel nachhaltig eingesetzt werden können.

Besonders wichtig sind uns Bildung und Ausbildung: Wir möchten damit die libanesische Regierung unterstützen, im kommenden Schuljahr jedem Flüchtlings- und jedem libanesischen Kind Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Darauf haben wir uns mit dem Libanon bei der Londoner Geberkonferenz für Syrien und seine Nachbarländer im Februar geeinigt.

Ich habe eine von UNICEF und uns geförderte Schule in der Bekaa-Ebene besucht. Hier werden libanesische und syrische Kinder beschult. Das ist gut angelegtes Geld.

Das zeigt: Unser Gesamtengagement entspricht den tatsächlichen Bedürfnissen vor Ort und wird enorm geschätzt. Wir gelten als verlässlicher Partner, der seine Zusagen auch in der Praxis einhält.

Entsprechend sollte das Bundestagsmandat für die deutsche Beteiligung am UNIFIL-Flottenverband mit unveränderter Personalobergrenze von 300 Soldatinnen und Soldaten um weitere zwölf Monate bis zum 30. Juni 2017 verlängert werden. Damit handeln wir nicht nur gemäß unseres eigenen Interesses an Stabilität und Frieden in der Region. Wir entsprechen damit auch dem ausdrücklichen Wunsch Israels, des Libanons und der Vereinten Nationen.

Im Namen der Bundesregierung bitte ich Sie deshalb um Ihre Zustimmung zu diesem Mandat.