Redner(in): Michael Roth
Datum: 29.06.2016
Untertitel: Grußwort von Staatsminister Roth bei der Verleihung des Deutsch-Französischen Journalistenpreises und des Großen Deutsch-Französischen Medienpreises
Anrede: Sehr geehrter Herr Minister Asselborn, lieber Jean,sehr geehrter Herr Botschafter Etienne,sehr geehrter Herr Scholz, lieber Olaf,sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger,sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2016/160629_StM_R_dt_frz_Journalistenpreis.html
des einen Leid, des anderen Freud. Wie ich gelernt habe, ist das Großherzogtum Luxemburg künftig das einzige Land in der EU, das das Attribut groß in seinem offiziellen Namen trägt. Leider, muss man mit Blick auf das Referendum in Großbritannien in der vergangenen Woche sagen. Denn es ist mehr als bedauerlich, dass sich eine knappe Mehrheit der Britinnen und Briten dafür ausgesprochen hat, künftig nicht mehr Teil der EU zu sein.
Dass Dir, lieber Jean, heute der Große Deutsch-Französische Medienpreis verliehen wurde, hat aber rein gar nichts mit dieser kleinen Wortspielerei zu tun.
Nein, wir erleben heute vielmehr eine echte Premiere: Du bist nämlich tatsächlich der erste Preisträger überhaupt, der weder Deutscher noch Franzose ist.
Und dennoch gibt es wohl niemanden hier im Raum, der ernsthaft daran zweifelt, welche wichtige Rolle Du nicht nur für das deutsch-französische Verhältnis, sondern auch grundsätzlich in der Europapolitik spielst. Dein unermüdlicher Einsatz für die europäische Einigung, Dein kompromissloses Eintreten für die Presse- und Meinungsfreiheit sind unbestritten. Du bist der Doyen der Außen- und Europaminister in der EU. Du bist für viele von uns nicht einfach nur ein langgedienter Kollege, sondern vor allem auch ein verlässlicher Freund. Deshalb ist dieser Preis bei Dir auch in den allerbesten Händen!
Ein Europa ohne Jean Asselborn kann ich mir ehrlich gesagt nur schwer vorstellen. Er gehört sozusagen zum Inventar, ist seit fast zwölf Jahren Außenminister und dient mittlerweile im dritten Kabinett zweimal unter Premierminister Juncker, jetzt unter Premierminister Bettel.
Zudem ist er seit 32 Jahren Parlamentarier. Jean Asselborn ist ein großer Europäer. Nicht nur für mich. Wir brauchen mehr davon. Wir brauchen in Europa mehr Mut, Leidenschaft und Durchhaltevermögen Jean Asselborn sollte uns dabei ein Vorbild sein!
Und es gibt noch einen weiteren Grund zu feiern: Auch den Preisträgerinnen und Preisträgern des Deutsch-Französischen Journalistenpreis gratuliere ich herzlich: Christian Dassel, Clemens Gersch, Pascal Dervieux, Leo Klimm, Christian Beetz, Jakob Vicari, Jens-Uwe Grau, Tanja Schmoller und Laetitia Grevers in Zusammenarbeit mit Gabriela Herpell, Alex Rühle und Lorenz Wagner. Sie haben sich diesen Preis durch ihre herausragende journalistische Arbeit redlich verdient.
Was wäre Europa ohne Journalistinnen und Journalisten, die das Handeln von Politik und Wirtschaft kritisch unter die Lupe nehmen?
Männer und Frauen, die in ihrer täglichen Arbeit Informationen nicht nur wiedergeben, sondern diese gut recherchiert, gekonnt und kreativ aufbereiten, so dass in der Informationsflut des 21. Jahrhunderts, möglichst viele Leser, Zuhörer und Zuschauer davon profitieren. Wir haben ja nun wirklich kein Informationsdefizit sondern eher ein Erkenntnisdefizit.
In Zeiten, wo Informationen gerade in den sozialen Netzwerken oft ungefiltert kursieren und unkritisch ausgetauscht werden, verkörpern Sie als Journalistinnen und Journalisten genau den Kompass, der das, was da draußen in Europa geschieht, für die Bürgerinnen und Bürger einordnet und einnordet.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir stehen in Europa vor großen Aufgaben: der Bedrohung durch Terroranschläge, der Wirtschafts- und Finanzkrise mit ihren sozialen Verwerfungen, den Auswirkungen der Flüchtlings- und Migrationsbewegungen, und jetzt der Frage nach dem Brexit und was daraus folgt.
Nach dem Referendum in Großbritannien dürfen wir uns nicht darauf beschränken, technische Lösungen für die Umsetzung des Ergebnisses zu finden. Wir müssen uns darüber klar werden, wie die Zusammenarbeit in Europa künftig ausgestaltet werden soll, wie wir die Menschen wieder für Europa begeistern können. Wir müssen uns endlich entschiedener und mutiger den Nationalisten und Populisten entgegen stellen. Nicht zuletzt die Brexit-Kampagne in Großbritannien hat gezeigt: diese selbst ernannten Vertreter des vermeintlichen Volkswillens bauen ihre Kampagnen gezielt auf Lügen, Halbwahrheiten und Ängsten auf. Und alle Versuche sind bislang gescheitert, ihnen das Wasser dadurch abzugraben, dass man ihre Parolen etwas abgemildert übernimmt.
Am Ende wählen die Bürgerinnen und Bürger eben das Original, nicht die Kopie. Insbesondere unsere französischen Freunde stehen unter dem Druck von Kräften, die Europa verächtlich machen. Frankreich sollte sich in dieser Auseinandersetzung auf uns verlassen können. Wir stehen an Eurer Seite!
Nochmals beglückwünsche ich alle Preisträgerinnen und Preisträger. Sie sind die Mut- und Muntermacher, die wir jetzt so dringend in Europa brauchen