Redner(in): Frank-Walter Steinmeyer
Datum: 01.12.2016
Untertitel: Rede von Außenminister Steinmeier zur Verleihung des Deutsch-Französischen Preises für Menschenrechte
Anrede: Lieber Jean-Marc Ayrault,meine Damen und Herren,sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2016/161201_DFPMR.html
Sie sind zwar gerade erst hier angekommen, im Weltsaal des Auswärtigen Amts, aber erlauben Sie mir, dass ich Sie gleich wieder mit hinausnehme, an zwei Orte, die Jean-Marc Ayrault und ich in den letzten Monaten gemeinsam besucht haben.
Niamey ist der erste Ort, die Hauptstadt des Niger. Jean-Marc und ich haben dort im Mai Menschen getroffen, die einen erschütternden Weg hinter sich hatten. Aus Senegal, Gambia, Nigeria oder Mali kommend hatten sie sich auf den Weg nach Europa gemacht in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch die Hoffnung wurde zum Alptraum. Schlepper brachten diese Menschen um ihre letzte Habe, viele wurden auf grausame Weise misshandelt. Nun standen sie vor dem Nichts - alles verloren, lange bevor sie auch nur in die Nähe Europas gekommen waren.
Tragische Schicksale und doch nur beispielhafte Schicksale für die unzähligen Menschen, die alles aufgeben, ihre Heimat verlassen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Viele von ihnen vertrieben, verfolgt, ausgebeutet.
Der zweite Ort, von dem ich sprechen will, heißt Slawjansk. Er liegt in der Ostukraine. Dort, mitten im Konfliktgebiet, standen Jean-Marc und ich im September an einer Brücke. Sie war durch Kämpfe zerstört worden. Nur noch ein Stumpf ragte in den Himmel als Sinnbild für die Wucht von Zerstörung und Gewalt. Und vielleicht auch als Symbol für den zerrissenen Alltag der Menschen, die in der Region noch immer und schon viel zu lange Angst und Not erleiden.
Slawjansk, Niamey, zwei Orte. Zwei Einblicke, in das, was es heißt, wenn Menschen auf dieser Welt ohne Schutz sind, wenn ihnen ihre elementaren Rechte verwehrt werden. Durch Gewalt, Unterdrückung, Verfolgung und Not. Unzählige Orte ließen sich hinzufügen: Syrien, Libyen, Jemen. Doch auch abseits der großen Krisen, die wir in Europa medial wahrnehmen, werden die Rechte von Menschen verletzt, jeden Tag aufs Neue.
Sie alle, meine Damen und Herren, liebe Preisträger, sehen das jeden Tag. Aber Sie sehen nicht weg. Sie schauen hin! Sie alle setzen sich jeden Tag aufs Neue dafür ein, die Rechte ihrer Mitmenschen zu schützen und zu fördern. Es ist ein beeindruckender Einsatz, den Sie leisten. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle meinen großen Respekt und meinen aufrichtigen Dank ausdrücken.
Für Frankreich und Deutschland ist klar: die Rechte von Menschen zu schützen und zu fördern, das ist Kern unserer außenpolitischen Bemühungen! Dafür setzen wir uns weltweit ein. Das ist der Kompass, der uns in allen Bereichen unserer Politik leitet: von der Krisenprävention über das akute Konfliktmanagement bis hin zum wichtigen Bereich der Stabilisierung.
Es stimmt ja, Menschenrechte einzufordern, ist das eine aber dann tatsächlich aus Worten Taten entstehen zu lassen, gegen Unrecht aufzustehen, dafür braucht es echten Mut. Diesen Mut aber beweisen engagierte Frauen und Männer überall auf der Welt, jeden Tag. Und dies oft gerade dort, wo es für sie persönlich schwierig oder gar gefährlich ist, wo sie selbst mit Einschränkungen oder staatlicher Repression zu kämpfen haben.
Jean-Marc Ayrault und ich haben uns deswegen entschieden, das beeindruckende Engagement dieser Menschen weltweit zu würdigen mit dem deutschfranzösischen Preis für Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit, den wir heute zum ersten Mal vergeben. Ich freue mich sehr, liebe Preisträgerinnen und Preisträger, dass Sie heute bei uns sind. Angereist sind Sie aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt. Und genauso vielfältig wie ihre Herkunftsländer ist ihr Engagement vom Kampf für die Rechte von Frauen in Brasilien oder Indien, dem Einsatz für Rechtstaatlichkeit in Südostasien oder Zentralamerika bis hin zur Arbeit für Syriens sogenannte "White Helmets". Einer Gruppe von Freiwilligen, die im Bürgerkrieg hilft, Menschen nach Luftangriffen zu bergen und Infrastruktur wieder aufzubauen. Bäcker und Lehrer arbeiten hier als Feuerwehrleute oder Sanitäter und helfen gemeinsam, Menschenleben zu retten.
Wir werden gleich noch mehr über ihre konkrete Arbeit hören. Doch so unterschiedlich Ihr Engagement ist, meine Damen und Herren - eines eint sie alle: Ihr Mut, Ihr Mitgefühl und Ihre Beharrlichkeit im Einsatz für andere! Sie machen uns Mut, dass wir für die Rechte unserer Mitmenschen kämpfen müssen, dass Wegschauen keine Haltung ist.
Und: Ihre Arbeit zeigt, wie breit die Felder der Menschenrechtsarbeit sind, in denen auch wir in der Politik uns engagieren müssen.
Rund um den Globus herum waren es unsere deutschen und französischen Auslandsvertretungen, die Sie als Preisträgerinnen und Preisträger aufgrund Ihrer beeindruckenden Arbeit gemeinsam vorgeschlagen haben. So wollen wir es auch in Zukunft halten.
Und damit ist dieser Preis für mich auch ein Manifest der deutsch-französischen Freundschaft dieser festen und soliden Brücke, die wir in den letzten Jahrzehnten über den Gräben der Vergangenheit geschlagen haben. Gemeinsam schauen wir in die Zukunft. Deswegen freue ich mich besonders, dass heute so viele junge Menschen aus unseren beiden Ländern hier im Saal sind. Vielen Dank an die Musiker der jungen deutsch-französischen Philharmonie, denen wir gerade zuhören durften! Die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich ruht auf unverrückbaren Pfeilern - unseren gemeinsamen Werten: Menschlichkeit, Solidarität und Demokratie.
Für diese Werte steht der deutsch-französische Preis für Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit. Und für diese Werte stehen Sie, liebe Preisträgerinnen und Preisträger, die wir heute ehren!
Vielen Dank und herzlichen Glückwunsch!