Redner(in): Frank-Walter Steinmeyer
Datum: 12.11.2007
Untertitel: Grußwort von Bundesminister Steinmeier beim Treffen mit Botschafterinnen und Botschaftern afrikanischer Staaten in Berlin, 12.11.2007
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2007/071112-Steinmeier-DW.html
Grußwort von BundesaußenministerSteinmeieranlässlich des Treffens mit den Botschaftern afrikanischer Staaten und der Deutschen Welle zur Präsentation des Programms "Learning by Ear" am 12. November 2007 in Berlin
Lieber Erik Bettermann,
Exzellenzen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich freue mich, dass ich schon zum zweiten Mal in diesem Jahr in größerer Runde mit Ihnen, den afrikanischen Botschaftern, zusammentreffen kann. Ich erinnere mich noch gern an den Afrika-Tag vor einem halben Jahr, als Sie eingeladen hatten, um das Jubiläum der OAU-Gründung zu feiern.
Und neben den vielen interessanten Gesprächen sind mir auch die köstlichen Speisen und Getränke in Erinnerung, die Sie aufgetischt hatten, um die kulinarische Tradition Ihrer Länder vorzustellen.
Es ist gut, dass wir von Zeit zu Zeit eine solche Gelegenheit zum Gespräch finden. Denn Themen, da werden Sie mir zustimmen, gibt es wirklich genug.
Und viele dieser Themen sind Themen, die die Menschen in Johannesburg ober Nairobi genauso interessieren wie die Menschen in Madrid oder Berlin. Und die die Politiker in Afrika genauso anpacken müssen wie ihre Kollegen hier in Europa.
Die Auswirkungen des Klimawandels zum Beispiel treffen uns alle. Sie wissen besser als ich, welche Schäden die verheerenden Überschwemmungen der vergangenen Monate in vielen afrikanischen Ländern angerichtet haben. Aber Sie werden ebenso verfolgt haben, dass auch Europa in dieser Zeit von Naturkatastrophen leider nicht verschont geblieben ist, wie die traurigen Beispiele der Brände in Griechenland oder der Stürme in Südspanien zeigen.
Und so wie das Eis auf dem Kilimanjaro taut, so schmelzen wenige Hundert Kilometer südlich von hier auch die Eispanzer der Alpengletscher mit all den Folgen, die das für das Klima unserer Kontinente haben wird.
Hier müssen wir alle gemeinsam gegensteuern, und die in wenigen Tagen bevorstehende Weltklimakonferenz in Bali ist eine Gelegenheit, die wir nicht verpassen dürfen. Wir brauchen ein in die Zukunft gerichtetes Klimaregime. Und auch wenn die Industrieländer hier in einer besonderen Verantwortung stehen: wenn wir die globale Erwärmung in den Griff bekommen möchten, dann wird das nur gelingen, wenn alle Staaten daran mitarbeiten.
Wie beim Klimaschutz, so stehen wir auch in Fragen der internationalen Sicherheit in einer gemeinsamen Verantwortung. Regionale Krisenherde haben unmittelbare Auswirkungen auch für die Stabilität in anderen Teilen der Welt. Konfliktsituationen wie im Darfur oder im Ost-Kongo, aber auch im Kosovo, laufen Gefahr, die Sicherheit ganzer Regionen zu untergraben.
Ich halte es für sehr wichtig, dass Deutschland, aber auch Europa und Afrika in all diesen Fragen noch enger zusammenarbeiten. Wir stehen wenige Tage vor dem längst überfälligen zweiten Gipfeltreffen zwischen der EU und der Afrikanischen Union. Ich erhoffe mir von diesem Gipfel in Lissabon ein starkes Signal für die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen unseren Kontinenten.
Die gemeinsame Strategie, die wir auf dem Gipfel beschließen wollen, verstehe ich als einen konkreten Arbeitsplan, wie wir in den nächsten Jahren vorankommen wollen: in Fragen der Sicherheit und bei der Beilegung von Konflikten, beim Klimaschutz, bei der Bekämpfung der Armut und bei der wirtschaftlichen Entwicklung.
Die Voraussetzungen hierfür haben sich in den letzten Jahren in vielen afrikanischen Ländern erheblich verbessert. Stabile Wachstumsraten von afrikaweit 5 Prozent weisen in die richtige Richtung.
Und eines scheint mir besonders wichtig: der Anspruch Afrikas, die eigenen Probleme in eigener Verantwortung zu lösen, wird seit einigen Jahren immer deutlicher formuliert.
Ausdruck dafür ist nicht nur der afrikanische Einigungsprozess, der mit der Gründung der AU vor sieben Jahren sehr an Fahrt aufgenommen hat. Dafür steht auch das immer stärkere Bemühen, Konflikte in Afrika aus eigener Kraft, mit eigenen Vermittlern und eigenen Truppen beizulegen.
Gerade diese Ansätze wollen wir aktiv unterstützen, und dafür habe ich mich auch in den laufenden Haushaltsverhandlungen eingesetzt.
Und wenn der Bundestag dem so zustimmt, dann werden wir unsere Unterstützung im nächsten Jahr neben unserem tradionellen Engagement für Entwicklung und Wirtschaftsförderung vor allem in den Bereichen Frieden und Sicherheit, aber auch bei Bildung und Kultur ausbauen.
Zu dem ersten Bereich, Frieden und Sicherheit, nur so viel: Wir brauchen eine tragfähige afrikanische Sicherheitsarchitektur, und die AU ist dabei, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Das wollen wir fördern: durch Unterstützung beim Aufbau ziviler Komponenten für die afrikanischen Bereitschaftstruppen; bei der Verbesserung der Planungs- und Führungsfähigkeiten für afrikanische Operationen; und durch Hilfe bei der Polizeiausbildung in einzelnen afrikanischen Ländern.
Das sind alles Felder, in denen wir Deutsche und Europäer selbst, und zwar beim Aufbau unserer eigenen europäischen Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen, Erfahrungen sammeln konnten und immer noch sammeln. Hier bietet sich ein partnerschaftliches Miteinander in meinen Augen daher besonders an.
Was den zweiten Bereich betrifft, so erinnere ich an Rudolf Virchow, einen bekannten deutschen Arzt aus dem 19. Jahrhundert, der einmal sagte: die Freiheit habe zwei Töchter Bildung und Wohlstand.
Ein schönes und ein sehr wahres Diktum. Denn neben Frieden und Stabilität, neben der Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand, ist es vor allem Bildung, die es den Menschen ermöglicht und das gilt gleichermaßen in Afrika wie in Europa! , sich die Hoffnung auf ein freiheitliches und glückliches Leben zu erfüllen.
Ohne Bildung kein wirtschaftliches Wachstum, ohne Bildung keine gesellschaftliche Chancengleichheit und ohne Bildung keine politische Teilhabe. Aus diesem Grund habe ich für die Auswärtige Kulturpolitik ein Sonderprogramm für Afrika mit einem Volumen von 20 Mio. Euro vorgeschlagen und ich bin optimistisch, dass der Deutsche Bundestag auch hier zustimmen wird.
Bildung wird ein Schwerpunkt dieses Programmes sein: Rund drei Viertel der Gelder werden wir für Sprachausbildung, für Studenten und Wissenschaftler, für Schulen und schulische Ausbildung ausgeben.
Die Deutsche Welle ist dabei einer unserer wichtigsten Partner übrigens auch finanziell. Und ich weiß, wie beliebt und geschätzt die "Welle" gerade in Afrika ist: als Medium zur unabhängigen Meinungsbildung, als Stütze im Kampf um Meinungsfreiheit oder als Quelle von Bildung und Wissen.
Lieber Erik Bettermann, wir alle hier wissen, wie sehr Du Dich auch ganz persönlich und weit über Deinen Beruf hinaus für den afrikanischen Kontinent engagierst.
Ein Engagement, das die Deutsche Welle nun, gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt, um einen ganz neuen Baustein erweitert. Ero-asoromagbesi "- das ist das Wort für" Radio "im Yoruba, einer der vielen schönen Sprachen Ihres Kontinents. Wörtlich heißt das:" ein Ding, das redet, aber nicht auf die Antwort wartet ".
So ein Radio will die Deutsche Welle nicht produzieren! Im Gegenteil: Sie ist immer an der lebhaften Beteiligung ihrer Zuhörer interessiert. Und das wird, da habe ich überhaupt keinen Zweifel, auch bei dem neuen Programm so sein:
In den fünf Sendesprachen der Deutschen Welle werden die über 30 Millionen Hörerinnen und Hörer in Zukunft Bildungsmodule von je 10 - 15 Minuten hören und verarbeiten können. Learning by Ear " hat das die Deutsche Welle genannt, und ich bin sicher: In einem Kontinent, in dem nach wie vor nur rund die Hälfte der Kinder lesen und schreiben lernt und viele von ihnen immer noch nicht zur Schule gehen können in dieser Situation brauchen wir solche innovativen Konzepte, die auch ungewöhnliche Wege einschlagen.
Genau solche Ansätze hatte ich im Sinn, als ich vor rund einem Jahr für die gesamte Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik gefordert habe, dass wir uns verstärkt Gedanken machen, wen wir wo mit welchen Mitteln am besten erreichen.
Die Deutsche Welle hat das getan. Und ich finde, mit dem Programm, das wir heute vorstellen, hat sie eine gute Antwort gegeben.
Deshalb habe ich die deutschen Botschaften gebeten, dieses Projekt in den Zielgebieten der Deutschen Welle beispielhaft hervorzuheben.
Und ich wäre Ihnen, liebe Botschafterinnen und Botschafter, sehr dankbar, wenn auch Sie das Augenmerk Ihrer Regierungen auf diese Initiative lenken würden.
Und nun bin ich gespannt auf das Gespräch mit Ihnen heute abend!