Redner(in): Frank-Walter Steinmeyer
Datum: 14.02.2008

Untertitel: Rede von Bundesminister Steinmeier beim Treffen der EU-Mitgliedstaaten mit den Staaten der Schwarzmeerregion, 14. Februar 2008
Anrede: Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2008/080214-Steinmeier-Kiew-Schwarzmeer-Rede.html


Ob als Teil des antiken Griechenlands, oder als Teil von politischen Strukturen wie Byzanz oder des Osmanischen Reichs - die Schwarzmeerregion hat schon von je her eine wichtige Rolle in der europäischen Geschichte gespielt.

Odessa, Sotschi, Jalta und Istanbul sind Wahrzeichen einer gemeinsamen Vergangenheit, und zugleich Teil einer Region, die schon immer eine Brücke zwischen verschiedenen Kulturen war, zwischen dem Orient und dem Okzident.

Und wie es schon oft festgestellt wurde: Auch heute hat die Region rund um das Schwarze Meer eine entscheidende Rolle zu spielen, wirtschaftlich, politisch und kulturell.

Als Bulgarien und Rumänien der EU beitraten, wurde die EU zum direkten Anrainer und Spieler am Schwarzen Meer.

Es ist daher nur folgerichtig, dass wiruns heute in dieser Runde zusammen setzen EU-Mitgliedstaaten und die Länder der Schwarzmeerregion, um uns miteinander über Mittel und Wege zu verständigen, die gemeinsamen Zukunftsaufgaben anzugehen.

Ich glaube: Es ist ganz offenkundig, dass in dieser Zusammenarbeit ein großes Potential steckt. Auf der einen Seite haben wir die EU, den größten Binnenmarkt der Welt mit über 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern.

Auf der anderen Seite, teilweise überlappend, soweit Bulgarien und Rumänien betroffen sind: die Schwarzmeerregion, deren Anrainer-Staaten 350 Millionen Menschen, 20 Millionen Quadratkilometer und nach dem Persischen Golf die zweitgrößten Öl- und Gasreserven weltweit auf die Wagschale werfen!

Mit Blick auf dieses Potential haben wir unter deutscher EU-Präsidentschaft die Initiative ergriffen und gemeinsam mit der Kommission und übrigen EU-Partnern das Konzept der "Schwarzmeer-Synergie" entwickelt.

Unser Ziel war es,

Unsere Vision ist ein Schwarzmeerraum des Friedens und der Sicherheit, des Vertrauens und der engen grenzübergreifenden Zusammenarbeit, des engen wirtschaftlichen Austausches und des gemeinsamen Wohlstandes.

Je mehr wir auf diesem Weg vorankommen, je besser es uns gelingt, durch Kooperation das gegenseitige Vertrauen zu stärken, desto leichter wird es da bin ich überzeugt auch die ungelösten regionalen Streit- und Konfliktfragen zu lösen, die die Entwicklung der Region immer noch bremsen ( frozen conflicts ) .

Ich meine, wir haben uns heute, auf Einladung des ukrainischen Präsidenten, im Kreis der Außenminister unserer Länder versammelt, um den gemeinsamen Willen zur Zusammenarbeit sichtbar politisch zu untermauern.

Das ist gut so. Aber ich denke, dass wir die Gelegenheit nutzen sollten, sehr konkrete Projektfelder ins Auge zu fassen, in denen wir die Zusammenarbeit in der nächsten Zeit voranbringen wollen.

Ich nenne drei Bereiche, die mir vordringlich und aussichtsreich scheinen: Infrastrukturprojekte, Energiezusammenarbeit und Wissenschaftskooperation.

Zum ersten Bereich: Ausbau der Infrastruktur.

Ich meine, wir sollten den Ausbau der transeuropäischen Netze nach Osten und Südosten vorantreiben. Wir sprechen über eine Region mit Brückenfunktion nach Asien und in den Orient. Dazu braucht es Straßen, Brücken und Schiffswege. Darum sollten wir uns gemeinsam bemühen!

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der anstehenden internationalen Großereignisse der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine 2012 und der Winter-Olympiade in Sotschi 2014.

Konkret denke ich an Projekte, die zum Beispiel den Ausbau der wichtigsten Schiffs- und Fährverbindungen zwischen den großen Schwarzmeerhäfen umfassen. Ebenso die Arbeit an Segmenten der geplanten Straßenringbahn um das Schwarze Meer.

Zum Zweiten Bereich: Energie.

Der Schwarzmeerraum umfasst Produzenten- , Transit- und Empfängerländer von Energieressourcen, und das Schwarze Meer selbst ist ein ganz natürlicher Transportkorridor, wie nicht nur der unendliche Reigen der Schiffe im Bosporus zeigt, sondern auch die zahlreichen bestehenden oder geplanten Pipelines, die Sie kennen:

Ich meine, es ist in unser aller Interesse, Verlauf und Kapazitäten der neuen Projekte miteinander und mit bestehenden Transitwegen so weit wie möglich abzustimmen. Wir wollen Versorgungssicherheit für die Empfänger und sichere Transportwege für Produzenten und Transitländer. Daran lassen Sie uns gemeinsam arbeiten!

Ein dritter Bereich: Wissenschaftskooperation.

Die Kommission hat diesen Bereich in ihrem Strategiedokument erwähnt. Ich finde, wir sollten gerade in diesem Bereich "Synergien" schaffen und die Wissenschaftseliten unserer Länder zusammenbringen.

Ein konkretes Projekt scheint mir besonders nahe liegend: ein Institut für Europäische Studien im Schwarzmeerraum warum nicht hier in Kiew? Es sollte Nachwuchskräften aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft aus der gesamt Region offen stehen. Vielleicht können wir heute schon den entscheidenden Anstoß dazu geben!

Meine Damen und Herren,

Deutschland ist kein Schwarzmeeranrainer. Aber Sie wissen, dass wir uns dieser wichtigen Region sehr verbunden fühlen. Und das nicht nur, weil die Donau, der große europäische Fluss, der unweit von hier ins Schwarze Meer mündet, bei uns in Donaueschingen entspringt!

Wir haben uns dafür eingesetzt, die EU-Schwarzmeerzusammenarbeit anzustoßen. Zählen Sie bitte auf uns, wenn es darum geht, sie auch in Zukunft weiter zu entwickeln!