Redner(in): Frank-Walter Steinmeyer
Datum: 26.05.2008
Untertitel: Rede von Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung des DHL Luftfrachtdrehkreuzes Leipzig/Halle am 26. Mai 2008
Anrede: Sehr geehrter Herr Dr. Appel,Herr Ministerpräsident Böhmer,Herr Ministerpräsident Milbradt,lieber Wolfgang Tiefensee,sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Szabasehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung,meine Damen und Herren,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2008/080526-dhl-steinmeier.html
ich glaube, wir dürfen sagen: An diesem Montag sehen wir hier in Leipzig / Halle nicht nur die Welt im Kleinen, wie Herr Appel eben Lessing zitiert hat. Hier sehen wir eines der ganz großen Dienstleistungszentren der Moderne!
Meine Damen und Herren,
dies ist ein Tag der Freude und des Stolzes. Wir blicken heute gemeinsam in die Zukunft. In eine gute Zukunft! Für Leipzig, für Sachsen und für ganz Deutschland!
Beim Bau dieses Drehkreuzes haben wir gezeigt, was in unserem Land steckt, wenn es darum geht, Arbeit und Lebensperspektiven für die Menschen zu schaffen. Die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt haben bei der Unternehmensansiedlung und beim Ausbau der Verkehrsadern Hand in Hand gearbeitet. Die neue Start- und Landebahn Süd, aber auch das Vorfeld für die Frachtflugzeuge sind in Rekordgeschwindigkeit entstanden. Genauso schnell wurden die Anbindung an das Fernstraßen- und Schienennetz und die 24-Stunden-Betriebserlaubnis genehmigt. Und auch das moderne DHL-Verteilzentrum, die Hangars und Bürogebäude sind in spektakulär kurzer Zeit aus dem Boden geschossen. Das ist eine Leistung, auf die viele hier im Publikum ganz besonders, aber auf die wir auch alle gemeinsam stolz sein können!
Mit Beginn des Sommerflugplans beliefern von hier aus werktags rund 60 DHL-Frachtflugzeuge Kunden in aller Welt. Damit gehört Leipzig / Halle neben Hongkong und Wilmington in den USA zu den drei wichtigsten Frachtflughäfen von DHL Express, einem globalen Unternehmen mit Stammsitz in Deutschland. Leipzig / Halle ist dadurch zu einem der bedeutendsten Drehkreuze für die Luftfracht in Deutschland geworden. Und es wird noch besser kommen: Ab Frühjahr 2009 wird Leipzig / Halle auch Heimatflughafen der neuen Frachtfluggesellschaft Aerologic werden, einem Joint Venture von DHL Express und Lufthansa Cargo. Ich finde es ein gutes Zeichen, dass zwei deutsche Unternehmen, die weltweit in der Luftfracht führend sind, auch hier in Leipzig / Halle Hand in Hand zusammenarbeiten.
An diesem Tag wird besonders deutlich, warum die Globalisierung für die Menschen in Deutschland viele Chancen bietet. Hier zeigt sich, wie Statistiken sich in konkrete Perspektiven für Tausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verwandeln.
Ich nenne dafür nur zwei Zahlen: Die Zahl der Menschen auf der Welt, die in industrialisierten Gesellschaften leben, wird sich von heute 1,5 Milliarden Menschen auf vier Milliarden im Jahr 2030 erhöhen. Der Welthandel wird sich in dieser Zeit verdoppeln. Das ist der Grund, warum Logistik und Gütertransport für unser Land zu einer Schlüsselbranche werden, und das gilt natürlich gerade auch für die Luftfracht!
Logistik ist schon jetzt ein wichtiger Bestandteil der deutschen und europäischen Wirtschaftskraft geworden. Längst hat die Logistikindustrie in Deutschland Sektoren wie die Stahl- oder Automobilbranche beim Umsatz und bei der Zahl von Arbeitsplätzen hinter sich gelassen. Das ist der Grund, warum wir alle Kräfte zusammengenommen haben, um dieses Drehkreuz hier anzusiedeln, und warum wir gerade auch die Reform der Deutschen Bahn durchsetzen. Wenn wir auf diesem Weg weitergehen, wird der Gütertransport in einer globalisierten Wirtschaft zu einem Jobmotor für unser Land!
Aber dieses Drehkreuz ist mehr als eine Jobmaschine aus Asphalt und Beton. Für die Region hier, für ganz Ostdeutschland ist es ein Zeichen der Hoffnung und Zuversicht, dass die Entwicklung nach einer langen Durststrecke seit der deutschen Einheit wieder ein gutes Stück vorankommt! Ein Zeichen, dass die Talsohle durchschritten ist, dass Menschen aus dieser Region nicht mehr abwandern müssen, sondern dass neue Jobs entstehen für Leute, die zupacken und ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen wollen!
Wir Deutsche gehören als Exportweltmeister per Saldo eindeutig zu den Gewinnern der Globalisierung. Die Statistik sagt: 1991 haben wir noch 26 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts im Export erwirtschaftet. Heute sind es schon mehr als 45 Prozent! Und darin spiegelt sich, dass die Menschen überall in der Welt, besonders auch in den rohstoffreichen Ländern, die Chance nutzen, sich einen Wohlstand aus eigener Kraft zu schaffen, oft unter schwierigsten Bedingungen. Das geschieht nicht nur in China und Indien, auch in Russland und Zentralasien, in Asien, Nordafrika und Lateinamerika. Was wir erleben, ist nicht weniger als der größte wirtschaftliche Aufschwung der Weltgeschichte, und hier in Leipzig / Halle sehen wir ein anschauliches Beispiel, wie die Menschen bei uns daran teilhaben!
Meine Damen und Herren,
wir sind zum Glück aber nicht nur Drehscheibe des internationalen Handels, sondern auch Produktionsstätte."Made in Germany" ist ein weltweit geachtetes Qualitäts- und Vertrauenssiegel. German Engineering steht für ausgefeilte Ingenieurskunst, für Präzision und exzellente Fertigung. Dass Deutschland im internationalen Vergleich so gut dasteht, dass wir wieder zur Wirtschaftslokomotive Europas geworden sind, das verdanken wir dem Pioniergeist und der Innovationsfähigkeit der deutschen Unternehmen, aber auch der Qualität und der Motivation unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer!
Und das gilt auch hier in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Es darf uns mit Zuversicht erfüllen, dass das Auslandsgeschäft der Betriebe auch hier in der Region stetig zunimmt. Die Stärken der neuen Bundesländer sind die Zukunftsbranchen und Wachstumscluster wie Fahrzeugbau, Solarindustrie und Mikroelektronik. Ob VW, BMW, Porsche, Dell, Amazon, Quelle, die Messe, um nur einige Beispiele zu nennen: Der Standort Leipzig / Halle bietet die besten Voraussetzungen für Beschäftigung und Wohlstand.
Ein Flughafen wie dieser garantiert den Erfolg der umliegenden Industrien und umgekehrt. Mit dem Bau der neuen Start- und Landebahn und der Inbetriebnahme des Luftverkehrs-Drehkreuzes der DHL setzen wir eine neue Spirale der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung in Gang. Die Region um die Städte Leipzig und Halle ist jetzt vollends zu einem dynamischen, international wettbewerbsfähigen Verkehrs- und Wirtschaftszentrum herangewachsen.
Die Arbeitsplätze der DHL stehen ja nicht für sich allein. Denn mit dem DHL-Luftfrachtdrehkreuz werden sich zahlreiche weitere Unternehmen hier ansiedeln, und einige sind ja bereits da. Aus den Bereichen Logistikdienstleistung, der Zuliefererindustrie, IT, Elektronik, Medizintechnik und aus anderen Hochtechnologiebranchen. Ich bin sehr froh, dass wir sagen können: In dieser Region haben junge Leute und Familien endlich wieder eine gute Chance!
DHL gehört zur Deutschen Post World Net. Und was wir hier sehen, das ist ein großartiges Bekenntnis der Deutschen Post zum Wirtschaftsstandort Deutschland. Ein gutes Beispiel für eine verantwortungsvolle, langfristige Unternehmenspolitik! Ich sage Ihnen, Herr Dr. Appel, ein herzliches Dankeschön für diese Entscheidung, Wertschöpfung nach Deutschland zu verlegen! Diese zeugt aber auch von dem Vertrauen in die Leistungsbereitschaft und Kreativität der Menschen hier. Und ich bin sicher, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die ganze Region hier dieses Vertrauen nicht enttäuscht werden. Denn all das, was hier auf den einstmals grünen Wiesen entstanden ist, zeigt doch, wieviel Kraft und Leistungswille in den Menschen hier in Sachsen und Sachsen-Anhalt steckt!
Vor kurzem hat mein Kollege Wolfgang Tiefensee den Masterplan Güterverkehr und Logistik vorgestellt. Mit diesem Plan sollen mittelfristige Prioritäten richtig gesetzt und Fehlentwicklungen vermieden werden. Wir brauchen mehr Flughafenkapazität, aber möglichst auch an der richtigen Stelle. Darum setzen wir auf den Ausbau der fünf großen Luftfahrt-Drehkreuze in Deutschland: Frankfurt, Frankfurt-Hahn, Köln, München und hier in Leipzig / Halle. Auf diese Weise bekommen wir keine Zersplitterung, aber auch keine zu starke Konzentration auf zu wenige. Leipzig / Halle ist das einzige Luftfracht-Drehkreuz im Osten Deutschlands. Ich bin sicher, dass dieser Flughafen, der den Wachstumsmärkten in Osteuropa und Asien am nächsten liegt, seine Rolle in Zukunft noch ausbauen kann!
Denn der weitere Ausbau ist dringend nötig, wenn wir international wettbewerbsfähig bleiben. Die anderen schlafen nicht. In einigen europäischen Hauptstädten sind erst vor kurzem moderne Terminals eingeweiht worden. Aber auch in anderen Ländern, zum Beispiel in den Golfstaaten, werden gigantische Flughäfen förmlich aus dem Boden gestampft, gerade für die Luftfracht. Die Bundesregierung hat diese Entwicklungen genau im Blick und wird das Nötige tun, um die deutschen Flughäfen in dieser Konkurrenz nicht allein zu lassen!
Meine Damen und Herren,
der internationale Luftverkehr ist weltweit zwar "nur" für einen geringen Anteil des weltweiten Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Aber die gewaltigen Zuwachsraten im Flugverkehr zeigen, dass Klimaschutz und Umweltschutz auch für die Luftverkehrsunternehmen zu einer vordringlichen Aufgabe werden müssen. Wirtschaft und Politik sind hier beide gefordert. Darum habe ich mich gefreut, Herr Dr. Appel, dass Sie eben geschildert haben, was Sie hier im Flughafenbereich in dieser Verantwortung freiwillig leisten. Besonders begrüßen wir die Entscheidung, bis zum Jahr 2020 bis zu 90 % ihrer Flugzeugflotte auf noch leisere und Treibstoff sparende Flugzeuge umzustellen. Dies sind wichtige Maßnahmen.
Und noch eine Maßnahme ist wichtig: die entschlossene Verwirklichung des Einheitlichen Europäischen Luftraums. Fast überall in Europa sind die Grenzzäune und Schlagbäume gefallen. Mit dem Auto haben wir freie Fahrt von Lissabon bis Riga. Aber Europas Flugsicherung ist heute noch immer organisiert wie in den 60er Jahren. Streng geteilt in nationale Grenzen und aufgeteilt in kleine Luftraumblöcke, in denen der Flugverkehr von 58 eigenständigen Kontrollzentren abgewickelt wird. Die Folge sind "Zickzack" -Kurse statt direkter Routen. Im EU-Durchschnitt deswegen 15 % längere Strecken geflogen als möglich. So entstehen jedes Jahr Millionen Tonnen zusätzlicher CO2 -Emissionen und gewaltige zusätzliche Kosten. Darum brauchen wir endlich den Einheitlichen Europäischen Luftraum und modernste Technik in der Flugsicherung in Europa!
Meine Damen und Herren,
lassen Sie uns gleich miteinander anstoßen auf das, was hier geleistet wurde. Dieser Tag ist ein gutes Beispiel dafür, dass mutige politische Entscheidungen zum Ausbau der Infrastruktur und weitsichtige Unternehmensentscheidungen zum Erfolg führen. Gemeinsam haben wir Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland wieder sinkt. Weil viele Menschen wieder Arbeit haben und in die Sozialkassen einzahlen, sind diese Kassen inzwischen wieder solide finanziert. Steigende Steuereinnahmen geben uns neue Spielräume für politische Gestaltung. Und die Menschen hier in der Region werden von diesem Aufschwung auch dank der DHL und der hier entstehenden Arbeitsplätze profitieren!
Freuen wir uns also alle miteinander an diesem Tag: Der Standort Deutschland ist wieder ein starker Standort. Ostdeutschland ist wieder attraktiv für globale Investoren. Nehmen wir das als Ansporn, mutig und langfristig an einer guten Zukunft weiter zu arbeiten!
Herzlichen Dank!