Redner(in): Frank-Walter Steinmeyer
Datum: 29.05.2008

Untertitel: Rede von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an KFOR vor dem Deutschen Bundestag in Berlin
Anrede: Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren!
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2008/080529-BM-KFOR.html


Betrachtet man den Westbalkan durch die Brille der Kommentatoren der vergangenen Monate, so könnte man - im besten Fall - zu einem zurückhaltend kritischen Urteil kommen.

Doch seien wir gerecht. Erinnern wir uns an das Bild kurz vor und um die Jahrtausendwende: in Belgrad regierte Slobodan Milosevic, drei blutige Kriege - Kroatien, Bosnien und Kosovo - hatten tiefe Wunden gerissen. Die Aufgabe, vor der die Menschen in der Region und die internationale Gemeinschaft standen, schien allem Ermessen nach fast unlösbar.

Betrachten wir die Situation heute, so sprechen die Fakten - denke ich - für sich: die grausamen Konflikte der 90er Jahre gehören der Vergangenheit an. Die Demokratie beginnt allmählich Wurzeln zu schlagen. Die Wirtschaft entwickelt sich in die richtige Richtung. Regionale Kooperation wird Schritt für Schritt zu einer Selbstverständlichkeit. Und vor allem: die Menschen haben die Chance bekommen, Kraft zur Aussöhnung zu finden und Mut zu entwickeln für eine gemeinsame Zukunft.

Anrede,

Diese Entwicklungen verdanken wir einer politischen Grundentscheidung: unserer Bereitschaft, einerseits mit militärischen Mitteln in die mörderischen Auseinandersetzungen einzugreifen, und andererseits unsere euroatlantischen Strukturen für die Länder des westlichen Balkans zu öffnen.

Heute sind EU- und NATO- Mitgliedschaft für die Menschen eine greifbare Perspektive; eine Perspektive, die zugleich Ansporn ist für die noch notwendigen Reformen.

Und ich schließe Serbien hier ausdrücklich mit ein, auch wenn Belgrad noch nicht alle Hürden genommen hat und die Feststellung der vollständigen Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien aussteht: die Zukunft Serbiens liegt in Europa!

Ich hoffe, es gelingt nun in Belgrad eine Regierung zu bilden, die sich den Reformen verpflichtet fühlt und mit der wir gemeinsam die nächsten Schritte in Richtung Europa gehen können.

Anrede,

Die schwierigste Frage, die uns die letzten zweieinhalb Jahren in Atem gehalten hat, war die Lösung des Kosovo-Status, der letzten offenen Frage aus dem Zerfallsprozess des ehemaligen Jugoslawien.

Nahezu 10 Jahre, seit den ethnisch motivierten Gewalttaten und Vertreibungen 1998/99, haben wir über die Zukunft des Kosovo in allen nur erdenklichen internationalen Foren - Vereinte Nationen, EU und NATO diskutiert und beraten.

Wir alle haben uns eine einvernehmliche Lösung zwischen Belgrad und Pristina gewünscht. Deshalb habe ich mich im vergangenen Jahr mit Nachdruck für einen nochmalige Verhandlungsrunde unter Ägide der Troika eingesetzt.

Trotz aller Anstrengungen: am Ende hat so bedauerlich es ist - das Potential für eine verhandelte Lösung nicht gereicht. Kosovo hat vor gut drei Monaten seine Unabhängigkeit erklärt. Dazu gab es amEnde keine glaubhafte Alternative mehr. Jetzt gilt es, das Kosovo und seine Menschen auf dem von ihnen gewählten Weg zu unterstützen!

Anrede,

Mittlerweile haben 20 EU-Mitgliedstaaten Kosovo anerkannt. Kosovo besitzt ebenso eine europäische Perspektive wie die anderen Staaten der Region.

Wir alle wissen: dieser Weg wird nicht einfach sein. Vor Kosovo liegen große Herausforderungen wirtschaftlicher und institutioneller Art. Die Regierung in Pristina hat sich in ihrer Unabhängigkeitserklärung unmissverständlich zur vollständigen Umsetzung des Ahtisaari-Pakets verpflichtet. Wir werden Kosovo beim Wort nehmen und hierbei besonders auf die vollständige Umsetzung der umfangreichen Minderheitenrechte achten. Mit der Rechtstaatsmission EULEX will die Europäische Union beim Aufbau einer funktionierenden Polizei und Justiz dafür ihren Beitrag leisten.

Anrede,

Seit Beginn der Auseinandersetzungen hat sich die Internationale Gemeinschaft bemüht, im Kosovo Sicherheit zu garantieren. Dies ist uns weitgehend gelungen. KFOR hat sich dabei in den vergangenen Jahren die Anerkennung aller Bevölkerungsgruppen erarbeitet. Die Fortsetzung dieser Arbeit - und das sage ich mit Blick auf die Skeptiker unter Ihnen ist in erster Linie im Interesse der serbischen Bevölkerungsminderheit im Kosovo.

Die Regierung in Pristina wünscht die Fortführung von KFOR ausdrücklich. Die NATO ist bereit, ihr Engagement fortzusetzen. Wir sind uns mit unseren Partnern darüber einig, dass KFOR im Rahmen des Mandates künftig auch die kosovarischen Sicherheitsstrukturen aufbauen soll, damit Kosovo eines Tages selbständig für die Sicherheit aller seiner Bürger sorgen kann.

Anrede,

Ich erhoffe mir eine breite Zustimmung dieses Hohen Hauses für die Verlängerung des KFOR Mandats.

Deutschland stellt mit rund 2.700 Soldatinnen und Soldaten das größte KFOR-Kontingent. Zählt man unsere Beteiligung an der EU-geführten Operation EUFOR in Bosnien Herzegowina hinzu, leisten deutsche Soldatinnen und Soldaten somit bereits seit 13 Jahren auf dem Balkan Dienst am Frieden. Deutsche Soldatinnen und Soldaten haben an der Stabilisierung der gesamten Region einen wesentlichen Anteil. Ihnen gilt dafür unser besonderer Dank und unsere Anerkennung! Sie sollten auch im kommenden Jahr auf unsere Unterstützung zählen können!

Vielen Dank.