Redner(in): Frank-Walter Steinmeyer
Datum: 17.09.2008
Untertitel: Ansprache von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auf dem Parlamentarischen Abend von BDI / BDA / DIHK im Haus der deutschen Wirtschaft, Berlin, am 17. September 2008
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2008/080918-Steinmeier-DIHK.html
Ansprach von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auf dem Parlamentarischen Abend von BDI / BDA / DIHK im Haus der deutschen Wirtschaft, Berlin, am 17. September 2008
Sehr geehrter Herren Präsidenten,
lieber Herr Thumann,
lieber Herr Hundt,
lieber Herr Braun,
sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlamentes,
Exzellenzen,
sehr geehrter Herren Kollegen,
Der ein oder andere wird sich jetzt vielleicht wundern, dass ich hier bin, weil er den Nachrichten entnommen hat, ich sei beim Berliner Oktoberfest. Ich darf Sie da beruhigen: Ich bin nicht aus Versehen am Roten Rathaus vorbei gefahren und ich halte die heutige Veranstaltung auch nicht für das Oktoberfest.
Und ich bin trotz meiner bekannten Vorliebe für bayerische Bierzelte gerne hier.
Gerade weil wir nicht alles glauben sollten, was so in der Presse auch in der Wirtschaftspresse zur Zeit geschrieben oder im Radio gesagt wird, möchte ich es an dieser Stelle ganz ausdrücklich noch einmal betonen: ich bin hier, weil ich die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft für eines der wichtigsten Elemente einer vorausschauenden Politik halte.
Und ganz besonders für ein exportorientiertes Land wie Deutschland kann das im Zeitalter der Globalisierung nur bedeuten: auch und gerade die Zusammenarbeit von Außenpolitik und Wirtschaft!
Ich finde, hier haben wir in den vergangenen Jahren einiges gemeinsam auf den Weg gebracht und ich bin froh, dass wir mit unseren 230 Auslandsvertretungen, aber auch mit der ein oder anderen gemeinsamen Reiseaktivität dabei helfen konnten.
Vor allem aber haben wir, jedenfalls ist das mein Eindruck, gemeinsam beigetragen zu einem kleinen Bewußtseins- und vielleicht auch Mentalitätswandel in Deutschland.
Ich erinnere mich noch sehr gut: vor drei Jahren war es für viele noch begründungsbedürftig, warum sich eigentlich die Außenpolitik und der Außenminister persönlich mit Wirtschaft beschäftigt. Ich glaube, heute ist das anders geworden.
Und die aktuellen Krisen, und damit meine ich nicht nur außenpolitische Krisen wie im Kaukasus, sondern auch die aktuelle Lage des internationalen Finanzmarktes zeigen das sehr genau. Und zwar auf zwei Ebenen:
Erstens, und das ist sicher eine Lehre, die wir aus der aktuellen Finanzkrise ziehen sollten: Ein vernünftiges internationales Regelsystem ist notwendig. Wo wir es nicht haben oder wo es nicht ausreicht, sollten wir uns schleunigst an die Arbeit machen. Das gilt besonders für den internationalen Finanzmarkt.
Mir geht es hier nicht um Schuldzuweisungen. Aber wir haben doch auch gesehen, dass das zum Teil intransparente, zum Teil krisenschürende statt verhindernde Verhalten zum Beispiel der Rating-Agenturen die gegenwärtige Krise noch verschärft hat.
Und wir sollten uns angesichts des globalen Finanzmarktes auch daran machen, internationale Regeln der Banken- und Versicherungsaufsicht zu verankern. Nicht zuletzt dank der Anregungen von Peer Steinbrück haben bereits im April die G7 -Finanzminister die Vorschläge des Stabilitätsforums angenommen und mit einem 100 Tage Programm untermauert, das die Schwachstellen im gegenwärtigen Finanzsystem überwinden helfen soll.
Aber auch über den Finanzmarkt hinaus und vielleicht mit besonderem Blick auf die WTO-Verhandlungen gilt: wir sollten in unseren Bemühungen um ein vernünftiges internationales Regelwerk angesichts der aktuellen Krise nicht nachlassen. Sondern wir sollten sie mit noch mehr Nachdruck verfolgen.
Auch und besonders, um konjunkturelle Belastungen durch den Anstieg der Nahrungsmittelpreise abzufedern und Wachstumsimpulse gerade auch in den Schwellenländern zu setzen.
Aber auch auf einer zweiten Ebene sollten wir Lehren aus der aktuellen Situation ziehen, und das sage ich besonders im Blick auf die Situation im Kaukasus.
Wirtschaftlicher Austausch ist eine der wichtigsten Grundlagen für gute außenpolitische Beziehungen. Und auch umgekehrt gilt: Außenpolitik mit Vernunft und Augenmaß ist die Voraussetzung dafür, dass stabiler wirtschaftlicher Austausch möglich ist.
Für diese Einsicht haben deutsche Außenpolitik und Wirtschaft besonders in den vergangenen gemeinsam geworben und ich habe den Eindruck, dass das nicht ganz ohne Eindruck auch auf unsere Partner geblieben ist. Auch hier sollten wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Denn wir wissen doch genau: Handelströme sind nicht nur Ströme des wirtschaftlichen Austausches und der wirtschaftlichen Modernisierung. Sondern durch sie werden auch Gedanken der gesellschaftlichen Modernisierung und Offenheit verbreitet.
Und bei beidem haben wir einen Beitrag zu leisten. Die Unternehmen haben übrigens auch dank und mit Hilfe der Gewerkschaften zum Beispiel bei der maßvollen Lohnentwicklung der letzten Jahre - eine schwierige Restrukturierungsphase erfolgreich hinter sich gebracht und stehen in wichtigen Zukunftsbereichen gut da.
Wir haben von der politischen Seite mit einer umkämpften, manchmal auch umstrittenen aber doch entschlossenen Politik für Wachstum und Beschäftigung dabei geholfen.
Und wir haben uns so manchem falschen Rat versagt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass zu Beginn der damaligen rot-grünen Regierung unser Festhalten am Industriestandort Deutschland als "altmodisch" gescholten haben. Aber wenn Sie heute in Spiegel-online geschaut haben, dann haben Sie dort neben den schlechten Nachrichten aus den USA auch die guten Nachrichten aus den Neuen Bundesländern gelesen: dort haben sich Industriebetriebe installiert, ich war selbst vor drei Wochen in Eisenhüttenstadt, die mit zu den modernsten in Europa zählen und nachhaltig für Wachstum und Beschäftigung sorgen.
Jetzt ist es nötig, und damit komme ich zum konkreten Anlaß des heutigen Abends, dass wir diesen Weg für Wachstum und Beschäftigung fortsetzen. Und das wird nur gelingen, wenn wir ein drittes Element hinzufügen: Bildung! Und das nicht nur hier in Deutschland, sondern auch im internationalen Rahmen. Dazu zählt auch die Einhaltung des Lissaboner 3 % -Zieles. Der Bund hat hier seine Hausaufgaben gemacht. Ich würde mich wünschen, dass auch die anderen Partner, Wirtschaft und Bundesländer sich das zum Vorbild nehmen!
Sie alle hier kennen den Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften, an Ingenieuren und Technikern. Und wir wissen alle: auch im Interesse unserer international ausgerichteten Wirtschaft müssen wir in den nächsten Jahren im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe noch zulegen.
Auch das ist ein Grund, warum wir in diesem Jahr mit unserer Partnerschulinitiative das nach Ansicht unserer Experten größte Aufbauprogramm der letzten Jahrzehnte für unser Auslandsschulwesen aufgelegt haben. Und wir tun das nicht alleine, der heutige Abend ist dafür ein gutes Beispiel, sondern gemeinsam mit Ihnen, den Verbänden, aber auch den einzelnen Unternehmen.
Vielen Dank!