Redner(in): Günter Gloser
Datum: 13.07.2009
Untertitel: Union für den Mittelmeerraum - Stand und Perspektiven des Mittelmeersolarplans;Rede von Staatsminister Günter Gloser auf der Veranstaltung "DESERTEC Industrial Initiative Founding Assembly"
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2009/090713-GloserDesertec.html
Lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung beginnen: Ich freue mich, dass wir hier alleheute zusammenkommen um über ein Projekt zu sprechen, das wahrlich historische Ausmaße hat.
Seit Beginn des Barcelona-Prozesses 1995 verfolge ich die Zusammenarbeit im Mittelmeerraum mit großer Aufmerksamkeit. Ich freue ich mich daher ganz besonders, dass die vereinbarte Zusammenarbeit im Rahmen der
auf den Tag genau vor einem Jahr ins Leben gerufenen Union für den Mittelmeerraum
sozusagen mit ihrem ersten Geburtstag in eine konkrete Zusammenarbeit im Bereich des Solarplans mündet.
Monatelang haben wir als Auswärtiges Amt mit unseren französischen Partnern bei der Ausgestaltung der Kooperation um das Mittelmeer zusammengearbeitet.
Wir haben den Mehrwert dieser vertieften Form der Zusammenarbeit in der Union für das Mittelmeer immer in zwei Aspekten gesehen:
In der Betonung der gemeinsamen Verantwortung allerPartnerländer, allgemein mit dem Wort Co-Ownership umschrieben.
Und in der Umsetzung konkreter Projekte.
Hierzu haben wir frühzeitig im Januar 2007 den Vorschlag des sogenannten Solarplans, den Ausbau erneuerbarer Energie im Mittelmeerraum, in die Union für das Mittelmeer eingebracht.
Außenminister Steinmeier hat sich bereits vor zwei Jahren dafür eingesetzt, die Solarenergie als nachhaltige Energiepolitik und als regionale Friedenspolitik auch im Mittelmeerraum zu nutzen.
Ziel des Solarplans ist es, bis 2020 neue Kapazitäten von 20 Gigawatt aus erneuerbaren Energien zu schaffen.
Was genau kann die Union für den Mittelmeerraum für eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien im Mittelmeerraum tun?
Oder anders gewendet: Was ist die Aufgabe der Politik bei der Umsetzung des Projekts?
Die Politik hat aus meiner Sicht drei Funktionen:
Zum einen setzt sie die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, damit sich private Unternehmen zuverlässig und frei entfalten können.
Gegebenenfalls ist auch für den Anschub an staatliche Anreize zu denken: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau beispielsweise wird gemeinsam mit Europäischen Investitionsbank und der französischen Agence Francaise de Developpement bis zu 5 Mrd. Euro in Form von zinsverbilligten Darlehen zur Verfügung stellen.
Aufgabe der Politik kann es aber sicherlich nicht sein, als Unternehmer aufzutreten und klassische Unternehmensrisiken zu übernehmen auch wenn es sich in Zeiten der Wirtschaftskrise nach außen hin manchmal anders darstellen mag.
Zweitens kann die Politik und das ist gerade Aufgabe der Diplomatie gleichsam eine Vermittlerrolle übernehmen. Wir können mit unseren Auslandsvertretungen und unseren direkten Kontakten vor Ort in den jeweiligen Ländern Türen öffnen, die sonst möglicherweise verschlossen blieben.
Auch können wir die praktische Umsetzung politisch flankieren, in dem wir mit unseren jeweiligen Partnern sei es im Rahmen der Union für den Mittelmeerraum, sei es bilateral zwischen unseren Ländern Hindernisse beseitigen und Lösungswege aufzeigen.
Schließlich kann die Politik einem zukunftsträchtigen Thema politische Öffentlichkeit und Sichtbarkeit verleihen. Sie kann Unterstützung durch andere Staaten generieren. Sie kann regionalen Dialog fördern, der für den Austausch und den Handel mit Energie von elementarer Bedeutung ist.
Ich komme zurück auf die gemeinsame Verantwortung aller Partner:
Die Zusammenarbeit mit den Staaten des Mittelmeerraums auf Augenhöhe ist essentielle Voraussetzung für den Erfolg auch dieses Projekts. Immer wieder ist in der Presse von Ängsten vor einem neuen europäischen "Neo-Kolonialismus" zu lesen.
Wenn wir die Zusammenarbeit im Mittelmeerraum nicht zum Scheitern bringen wollen, müssen wir alles daran setzen, eine solche vermeintlich neo-kolonialistische Herangehensweise gar schon den Eindruck einer solchen zu verhindern. Alles andere wäre verheerend und entspräche auch nicht der Realität.
Wir haben unsere Vorstellungen seit langem mit unseren Partnern an beiden Ufern des Mittelmeers offen besprochen und keiner hat und wird seine Vorstellungen irgendjemandem aufdrängen und auch nicht aufdrängen wollen.
Die Zusammenarbeit im Bereich Energie mit unseren südlichen Nachbarn verfolgt das Ziel einer ehrlichen und gleichberechtigten Partnerschaft.
Bei den Gesprächen, die ich mit Politikern aus dem Mittelmeerraum führen konnte, wurde mir immer wieder deutlich, mit wieviel Wertschätzung das deutsche Engagement für erneuerbare Energien verfolgt wird.
Beide Seiten haben einander ein gutes, faires Angebot zu machen. Europäische Unternehmen können dazu beitragen, im Einvernehmen mit den dortigen Regierungen die Energieinfrastruktur der nordafrikanischen Staaten auszubauen und nachhaltig zu gestalten.
Die unmittelbare Folge des Aufbaus dieser Kapazitäten ist eine moderne, sichere und umweltfreundliche Energieversorgung vor Ort, die dort für Wirtschaftswachstum und damit einhergehend höhere politische Stabilität sorgt. Diese Vorteile werden in den Staaten Nordafrikas als große Entwicklungschance gesehen.
Zur gemeinsamen Verantwortung gehört damit auch, dass die Perspektive des Imports von Strom aus dem Süden in die Europäische Union nur eine Komponente sein kann. Ein Teil des Strom muss in den produzierenden Ländern verbleiben.
Angesichts der zahlreichen mir nachfolgenden Redner möchte ich mich auf diese Punkte beschränken.
Wir begleiten das Projekt mit Optimismus, müssen uns aber vor zu großer Euphorie in Acht nehmen, wenn wir nicht zu hohe Erwartungen wecken wollen, die nicht erfüllt werden können.
Und dennoch sehen wir die bislang auch in der öffentlichen Debatten hervorgebrachten Kritikpunkte mit Gelassenheit.
Ob die vermeintliche Gefahr terroristischer Anschläge, die nicht höher ist als bei anderer Energieinfrastruktur, jedoch mit weit geringeren Auswirkungen als beispielsweise bei einem Atomkraftwerk.
Oder die behauptete und kritisierte neue Abhängigkeit von Nordafrika, die in Wahrheit eine gegenseitige Abhängigkeit Verbraucher UND Anbieter ist. Und dies auch nur bei nicht ausreichender Diversifizierung der Energielieferbeziehungen.
Oder der Versuch dezentrale, heimische Versorgung aus erneuerbaren Quellen gegen Solarenergie aus Nordafrika gegeneinander auszuspielen, obwohl wir doch beidesbenötigen. Es mithin für eine nachhaltige Energieversorgung nicht ein Entweder-Oder, sondern nur ein Sowohl-als-auch sein kann.
Zudem sollten wir nie aus dem Auge verlieren, welche positive Wirkungen dieses Vorhaben für unsere Außenpolitik, für unsere Verbindungen zu unseren südlichen Nachbarn entfalten kann.
Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit im Energiesektor, die sich zwischen den beiden Ufern des Mittelmeers, aber auch zwischen den nordafrikanischen Staaten entwickeln wird, trägt elementar zur wirtschaftlichen Entwicklung und damit zur Stabilisierung und Friedenssicherung in dieser Region bei und dient damit unseren außenpolitischen Interessen.
Ich bin sicher, dass auch Sie sich der berechtigten Erwartungen der Öffentlichkeit, die nicht zuletzt das Presseecho hervorgerufen hat, sehr bewusst sind, und dass Sie sich dieser Verantwortung stellen werden.
Für uns als Bundesregierung ist klar: Wenn wir unser Ziel konsequent weiterverfolgen und zu konkreten Ergebnissen kommen, haben wir das beste getan, was kluge Außenwirtschaftspolitik leisten kann:
Wir haben einen Markt errichtet und abgesichert, auf dem Sie als Unternehmer Handel treiben und Wohlstand generieren können. In diesem Sinne möchte ich Ihnen bereits jetzt dafür danken, dass Sie dieses Angebot annehmen möchten.
Vielen Dank!