Redner(in): Guido Westerwelle
Datum: 17.03.2010
Untertitel: Rede von Bundesaußenminister Guido Westerwelle anlässlich der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2010/100317-BM-Haushalt.html
Frau Präsidentin,
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
in der letzten Lesung soll zunächst und hauptsächlich das Parlament zu Wort kommen, daher stehen mir nur wenige Minuten zu. Bevor ich zu der Friedenspolitik und einem wichtigen Anliegen komme, das uns alle hier in diesem Hause noch beschäftigen wird, will ich aber drei Vorbemerkungen machen.
Erstens möchte ich mich bei den Berichterstattern und bei dem gesamten Haushaltsausschuss sehr herzlich bedanken. Ich danke Ihnen, Herr Frankenhauser, Herr Brandner, Herr Koppelin, Herr Kindler und Herr Leutert. Ich möchte mich ausdrücklich auch im Namen des gesamten Auswärtigen Amtes für die vorzügliche Zusammenarbeit bedanken.
Zweitens, Frau Kollegin Künast, habe ich heute Morgen Ihre Rede wie die gesamte Debatte aufmerksam verfolgt. Sie haben uns als neue Bundesregierung und auch mich mit kritischem Unterton aufgefordert, mich mehr um den skandalösen Anstieg der deutschen Rüstungsexporte zu kümmern. Ich möchte zunächst einmal wiedergeben, was am 15. März 2010 von dem Institut SIPRI in Stockholm, das das herausgefunden und kritisiert hat, dazu gesagt worden ist, weil hier der Eindruck erweckt wird, als hätte diese neue Bundesregierung in den letzten Wochen ganz schnell noch ein paar U-Boote gebaut und in die Welt exportiert. Ich zitiere aus einer Meldung dazu:
Wenig Verständnis zeigte der Brite für die Kritik von Grünen-Chefin Claudia Roth am Anstieg der deutschen Rüstungsexporte:
Jetzt kommt das wörtliche Zitat. Die meisten Verträge, die diese Verdoppelung bewirkt haben, wurden ja während der rot-grünen Regierungszeit abgeschlossen."
Drittens, Frau Kollegin Künast, haben Sie mir vorgeworfen, ich hätte Brasilien nicht entdeckt.
Ich möchte Ihnen Folgendes dazu sagen: Brasilien wurde vom Portugiesen Cabral entdeckt. Er reiste mit 13Schiffen. Man wusste in Portugal also schon vor 500Jahren, dass Delegationen zur Wahrnehmung der eigenen Landesinteressen gelegentlich hilfreich sind.
Ich komme zu einem vierten Punkt, auf den ich inhaltlich eingehen möchte. Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Brandner. Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die auswärtige Politik und auch dieser Haushalt wesentlich von Kontinuität geprägt sind. Dabei bleibt es auch.
Es geht hierbei nicht um einen Übergangsetat, sondern ich habe bereits in der letzten Legislaturperiode ich werde das als Bundesminister künftig auch in dieser Legislaturperiode tun immer wieder ausdrücklich gewürdigt, dass insbesondere unter Bundesaußenminister Steinmeier ein Aufwuchs in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik möglich geworden ist.
Davon werde ich nichts zurückzunehmen. Ich habe die Absicht, diese Politik fortzusetzen. Ich bitte Sie bei aller Kritik in anderen Bereichen um Ihre Unterstützung, weil die Stunde kommen wird, in der ich im Haushaltsausschuss um die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik werde ringen müssen.
Das sage ich an die Adresse aller, weil ich glaube, dass es die beste Visitenkarte für unser Land ist, wenn wir auswärtige Kultur- und Bildungspolitik fördern.
Das ist keine Attacke, sondern es ist ein Angebot, das ich Ihnen unterbreiten möchte, weil ich glaube, dass ein überparteiliches Interesse daran in diesem Hohen Hause vorhanden ist.
Schließlich möchte ich einige Bemerkungen zu einem Kernanliegen machen. Es gibt noch vieles zu besprechen. Vieles haben wir bereits im Auswärtigen Ausschuss besprochen. Wir werden in der nächsten Woche über den Europäischen Auswärtigen Dienst sprechen, der aufgebaut werden muss. Sie wissen, dass noch eine Menge zu tun ist, damit in diesem Bereich die deutschen Interessen wahrgenommen werden können und vor allen Dingen dafür gesorgt wird, dass wir einen guten, schlagkräftigen und handlungsfähigen Europäischen Auswärtigen Dienst bekommen. Ich kann Ihnen ankündigen: Da gibt es noch manches zu tun.
Es gibt Bereiche der Wirtschaftsförderung, über die wir hier im Hohen Hause noch kontrovers diskutieren werden. Ich hoffe allerdings, dass wir in einem Bereich eine Gemeinsamkeit haben. Bisher war es ein Kernbestandteil deutscher Außenpolitik, dass deutsche Außenpolitik Friedenspolitik ist. …] Ich glaube, anders als Sie, Herr Kollege Gehrcke: Wenn deutsche Außenpolitik in den vergangenen Jahrzehnten keine Friedenspolitik gewesen wäre, dann hätten wir das Glück der deutschen Einheit niemals erlebt. Davon bin ich fest überzeugt.
Es geht nicht darum, wer was gemacht hat: Willy Brandt, Walter Scheel, Helmut Kohl oder Hans-Dietrich Genscher. Das ist eine gemeinsame Auffassung.
Ich möchte Sie warnen: Wenn wir nicht aufpassen, werden wir ein Jahrzehnt bekommen, das nicht ein Jahrzehnt der Abrüstung wird, sondern ein Jahrzehnt der Aufrüstung werden kann.
Ich glaube, dass wir uns über dieses Problem in diesem Hause nicht heute, aber in vielen Fachdebatten noch detailliert unterhalten müssen.
Das ist in Wahrheit die Gefahr, die vor uns liegt, nämlich dass wir nicht ein Jahrzehnt der Abrüstung erleben werden wie es durch eine bemerkenswerte hoffnungsvolle Rede von Präsident Obama in Prag eigentlich ermöglicht worden wäre, sondern dass wir in diesem Jahrzehnt erleben, dass durch Staaten, die wir nicht auf dem Schirm hatten, plötzlich die nukleare Verbreitung die Regel wird.
Wir reden zu Recht über Menschenrechte. Das habe ich getan, und das wissen Sie und Ihre Kollegen, die bei den Reisen dabei gewesen sind. Wir reden beispielsweise über die Menschenrechtslage im Iran. Ich möchte Sie darum bitten, dass wir uns alle gemeinsam an den Kern des Problems erinnern. Es geht beim Thema Iran ich sage das deshalb, weil das derzeit in New York bei den Vereinten Nationen verhandelt wird um das zentrale Problem: Wenn wir es zulassen, dass sich ein Staat die Option der atomaren Bewaffnung verschafft, nicht mit der Völkergemeinschaft kooperiert und nicht für Transparenz sorgt, dann ist es eine Frage der Zeit, bis sich noch mehrere andere Staaten dieser Region ich sage Ihnen voraus: mehrere andere Staaten in der Welt in den nächsten zehn Jahren atomar bewaffnen werden.
Nukleare Nichtverbreitung hat schon immer zwei Komponenten gehabt. Zum einen galt es diejenigen, die Atomwaffen haben wollen, davon abzubringen, dass sie sich diese illegal beschaffen. Zum anderen gibt es eine Verpflichtung der Atomstaaten, abzurüsten, übrigens ohne dass konventionelle Kriege leichter geführt werden können. Ich sage Ihnen voraus: Das wird hoffentlich jenseits der ganzen tagespolitischen Hektik und jenseits all dessen, was man in einer Demokratie kontrovers beraten muss, ein gemeinsames Kernanliegen sein. Darüber mache ich mir große Sorgen. Da gibt es Rückschritte, die man sehen muss, und zwar, was den Iran angeht, sehr sorgenvoll, was die Frage des Nahen Ostens angeht, sehr sorgenvoll, vor allem wenn man sich ansieht, dass jüngst, in der letzten Woche, die Siedlungspolitik mal eben fortgesetzt wurde. Es hat keinen Sinn, darum herumzureden jeder weiß, dass wir Freunde Israels sind: Wer zu einem Friedensprozess kommen möchte, muss auch bereit sein, die internationale Forderung nach einem Stopp der Siedlungspolitik zu erfüllen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass das gelingen kann. Ich sage das beiden Seiten. Das ist die neue Dimension.
Das ist immer unsere Maßgabe gewesen: Wenn man in diesem Hohen Hause etwas anspricht, ist das nicht immer Kritik am Vorgänger oder gleich eine Attacke gegenüber jemandem, der das bisher vielleicht nicht gemacht hat. Nein, die Herausforderung, die auf der Tagesordnung steht, ist neu. Ich glaube, deutsche Außenpolitik hat zwei Markenzeichen: Abrüstung und Friedenspolitik. Das wollte ich zu dieser Generaldebatte heute beitragen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.