Redner(in): Guido Westerwelle
Datum: 20.05.2010

Untertitel: Rede von Bundesminister Westerwelle zur Verlängerung des KFOR-Einsatzes im Kosovo im Bundestag am 20. 5. 2010
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2010/100520-BM-KosovoBT.html


Frau Präsidentin!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In den letzten 20Jahren hat der westliche Balkan uns sehr schmerzlich daran erinnert, dass Frieden in Europa nicht selbstverständlich ist. Wir mussten die leidvolle Erfahrung machen, dass Europa in den 90er-Jahren nicht in der Lage war, die Rückkehr von Krieg und Zerstörung auf dem eigenen Kontinent zu verhindern. Die Erfahrung aus den 90er-Jahren, als Krieg und Zerstörung auf unserem eigenen Kontinent stattfanden, ist eine Mahnung, die zeigt: Die europäische Einigung hat als Friedensprojekt eben ausdrücklich nicht ausgedient. Gerade in diesen Tagen sollte man das noch einmal sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Zwei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung ist die Lage im Kosovo stabil. Die Verbesserung der Sicherheitslage ist der Erfolg des jahrelangen Einsatzes von KFOR. Dieser Erfolg spiegelt sich auch in der veränderten Aufgabenstellung von KFOR wider: Weil KFOR erfolgreich war, können wir die Soldatinnen und Soldaten seit dem vergangenen Jahr verstärkt für die Ausbildung von Sicherheitskräften im Kosovo einsetzen. Weil KFOR erfolgreich war, können wir jetzt, gemeinsam mit unseren Verbündeten, die Missionsstärke deutlich verkleinern. Das Mandat, das ich dem Bundestag heute gemeinsam mit dem Bundesverteidigungsminister vorlege, sieht eine Reduzierung der Obergrenze der Kräfte der Bundeswehr von 3.500 auf 2.500 vor. Wir sind zuversichtlich, dass bald weitere Reduzierungen möglich werden. Militärisches Eingreifen - darin sind wir uns in diesem Hause einig - ist immer nur das allerletzte Mittel der internationalen Politik. Dies ist eine Konstante der deutschen Außenpolitik. Unser Ziel ist ein Kosovo, das ohne ausländische Truppen für seine eigene Sicherheit sorgen kann, und auf diesem Weg sind wir ein gutes Stück vorangekommen.

Auf dem langen und sehr schwierigen Weg nach Europa muss das Kosovo noch enorme Herausforderungen bewältigen. Das hat die EU-Kommission in ihrem Fortschrittsbericht 2009 festgestellt, und das soll auch nicht verschwiegen werden. Die Defizite bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität wurden darin ausdrücklich angemahnt. Trotz Wachstumsraten zwischen 4 und 5Prozent ist das Kosovo immer noch das wirtschaftliche Schlusslicht in Europa. Über all diese Probleme habe ich Anfang Mai mit Präsident Fatmir Sejdiu gesprochen, und ich bin zuversichtlich, dass er sowie seine ganze Regierung diese Probleme seines Landes auch energisch angehen. Er kann dabei auf die Unterstützung Europas zählen. Mit der Rechtsstaatsmission EULEX hat die Europäische Union Verantwortung übernommen. Sie will das Kosovo dabei unterstützen, zu einem gleichberechtigten und ebenbürtigen Teil Europas zu werden.

Der Schlüssel zu einer europäischen Zukunft liegt vor allem im Kosovo selbst. Das Kosovo soll schrittweise für die Sicherheit im eigenen Land sorgen. Die Polizei Kosovos hat in den letzten Monaten die Verantwortung für serbisch-orthodoxe Klöster und andere schutzbedürftige Kulturstätten übernommen. Das hört sich in Deutschland nicht sehr spektakulär an; aber angesichts einer Geschichte der gegenseitigen Verletzungen ist es eine wirklich beachtliche Leistung, ein bedeutender Fortschritt. Wir sind immer leicht dabei, zu kritisieren, wenn etwas von dem, was wir uns vorgenommen haben, nicht gelingt. Aber wenn etwas gelingt, was wir uns gemeinsam überparteilich in diesem Hause vorgenommen haben, dann darf dies auch einmal erwähnt werden und positive Resonanz finden, so meine ich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Mit der Unabhängigkeit sind die Kosovo-Albaner zur Mehrheit in ihrem Staat geworden. Mit der Anerkennung des Staates Kosovo verbindet die internationale Gemeinschaft die Erwartung, dass das Kosovo mit dieser neuen Machtverteilung verantwortungsvoll umgeht. Die Verfassung des neuen Staates garantiert die Sicherheit und Gleichberechtigung auch für die Kosovo-Serben, die dort lebenden Roma und andere Minderheiten. Erst dann, wenn alle Ethnien im Kosovo in Freiheit und Sicherheit leben können, wird das Kosovo zur Ruhe kommen. Die Kommunalwahlen vom Herbst letzten Jahres haben gezeigt, dass die Trennlinien zwischen den ethnischen Gruppen nicht so eindeutig sind, wie es radikale Kräfte aller Gruppierungen immer wieder behaupten. In den mehrheitlich von ethnischen Serben bewohnten Gebieten im Süden des Kosovo haben sich viele Menschen gegen einen Wahlboykott und für die Teilnahme entschieden. Auch das ist bemerkenswert und sagt etwas über die Bevölkerung aus.

Frieden im Kosovo wird es aber auf Dauer nicht gegen Serbien, sondern nur mit Serbien geben. Dafür müssen wir die verantwortungsbewussten Kräfte im Kosovo wie auch in Serbien stärken. Wir haben den Präsidenten Boris Tadic darin bestärkt, eine Politik der Verständigung und des Ausgleichs entschlossen zu verfolgen. Vor dem Mut und der Durchsetzungskraft, mit der er sich gegen diejenigen wendet, die auf Konfrontation und Zwiespalt setzen, habe ich - ich glaube, dass ich das nicht nur für mich, sondern für die allermeisten Kollegen in diesem Hause sage- sehr großen Respekt. Die große Mehrheit der Menschen in Serbien und im Kosovo ist es leid, dass ihnen die Demütigungen, Zerstörungen und Morde der Balkankriege den Weg in die Zukunft verstellen. Niemand wird die Opfer dieser Zeit vergessen. Kosovo und Serbien gehen denselben Weg in die Zukunft. Es ist ein europäischer Weg, über den wir sprechen.

Dass der westliche Balkan heute eine europäische Perspektive hat, ist nicht zuletzt ein Verdienst der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Deswegen will ich damit schließen - nicht als Pflichtübung, sondern in unser aller Namen von Herzen sprechend - : Sie verdienen unsere Anerkennung und unsere Unterstützung. Ich danke ihnen wie auch ihren Familien, Freunden und Angehörigen. Ihr Mut und ihre Tapferkeit machen diesen Einsatz erst möglich. Ich bitte um eine breite Zustimmung für dieses Mandat.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.