Redner(in): Cornelia Pieper
Datum: 18.06.2010

Untertitel: Grußwort von Staatsministerin Cornelia Pieper zur Eröffnung der Ausstellung "Über Grenzen hinaus: Ein Jahrhundert deutsch-spanische Wissenschaftsbeziehungen" und zur Verleihung des Julián Sanz del Río Preises für Nachwuchswissenschaftler(innen) aus Spanien und Deutschland
Anrede: Sehr geehrter Herr Minister,sehr geehrter Herr Vizepräsident,sehr geehrte Frau Direktorin,sehr geehrter Herr Botschafter,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2010/100618-StM-Pieper-Julian-Sanz-del-Rio-Preis.html


sehr geehrte Frau Feldmann ( Preisträgerin ) ,

sehr geehrter Herr Sanz Díaz ( Preisträger ) ,

lieber Herr Bode,

sehr geehrte Damen und Herren,

Wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Staaten erfordert die Mobilität von Menschen. Im 19. Jahrhundert ging Julián Sanz del Río, ein wissensdurstiger junger Professor der Philosophie aus Madrid, mit einem Stipendium nach Deutschland. Er folgte dort den Spuren des längst verstorbenen deutschen Philosophen und Idealisten Karl Christian Friedrich Krause und brachte dessen Ideen mit nach Hause zurück. Die Kenntnis der deutschen Sprache und Kultur in Spanien geht ganz wesentlich auf die "Krausisten" um Sanz del Río zurück. Viele von Ihnen wissen, dass die rechts- und staatspolitischen Lehren Krauses, hier in Spanien, aber auch in Lateinamerika überaus bekannt wurden. Julián Sanz del Río ist damit ein Protagonist des Wissenstransfers, ein Brückenbauer. Er ist deshalb auch der perfekte Namensgeber für den Preis, der heute erstmals verliehen wird.

Durch die Vergabe von Stipendien bekamen im 20. Jahrhundert immer mehr talentierte spanische Wissenschaftler die Möglichkeit, in Deutschland zu forschen. Auch Forscher aus Deutschland kamen verstärkt nach Spanien. Der Aufenthalt des Biochemikers und Nobelpreisträgers Severo Ochoas in Berlin und Heidelberg, ebenso wie der Albert Einsteins in Madrid zeugen von diesem Austausch auf höchstem Niveau.

Die Vielfältigkeit der deutsch-spanischen Wissenschaftszusammenarbeit kommt in der gemeinsam vom DAAD ( Deutscher Akademischer Austauschdienst ) und dem CSIC ( Consejo Superior de Investigaciones Científicas ) organisierten Ausstellung "Über Grenzen hinaus", die heute Abend hier eröffnet wird, hervorragend zum Ausdruck. Sie zeigt nicht nur die 100-jährige gemeinsame Geschichte des deutsch-spanischen Wissenschaftsaustausches. Sie bietet auch Perspektiven für die künftige Entwicklung unserer Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich.

Persönliche Begegnung und Mobilität bleiben auch in einer global vernetzten Wissensgesellschaft von zentraler Bedeutung. Der persönliche Austausch über Erkenntnisse, Erfahrungen und Ideen ist notwendig für Innovation und Fortschritt. Auch deshalb hat das Auswärtige Amt im vergangenen Jahr die Initiative Außenwissenschaftspolitik ins Lebens gerufen. Die Initiative Außenwissenschaftspolitik fördert durch den verstärkten Austausch von Wissenschaftlern nicht nur den gemeinsamen Wissenszuwachs, sondern auch das Verständnis zwischen Gesellschaften und Kulturen. Und das ist ein ganz wesentliches Ziel deutscher Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik.

Bei der Außenwissenschaftsinitiative setzt das Auswärtige Amt auf die enge Zusammenarbeit mit erfahrenen deutschen Partnerorganisationen. Dazu zählen neben dem DAAD die Alexander von Humboldt-Stiftung, das Deutsche Archäologische Institut und über zwanzig weitere Institutionen, die den wissenschaftlichen Austausch auf allen Ebenen erst ermöglichen - für Studierende ebenso wie für Doktoranden und Forscher.

Wichtig ist dabei nicht nur die Vergabe von Stipendien, sondern auch der fortgesetzte Kontakt zu den Alumni der verschiedenen Programme. Denn nur so können in weltweiten, fachlich ausgerichteten Netzwerken dauerhafte Kontakte aufgebaut und Partnerschaften gefestigt werden. Aus diesem Grund freut es mich besonders, dass heute so viele Deutschland-Alumni anwesend sind. Und damit meine ich nicht nur Herrn Minister Gabilondo. Sie, die Alumni, bilden das Fundament der deutsch-spanischen Wissenschaftsbeziehungen.

Deutschland nimmt seit Jahrzehnten aktiv am Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern teil. Unser Land ist attraktiver Ort zum Lernen und Forschen. Mit ca. 260.000 Studierenden aus dem Ausland stehen wir weltweit auf Platz drei der beliebtesten Zielländer für Studienaufenthalte. Umgekehrt studieren über 80.000 Deutsche im Ausland. Sie gehören damit unter den europäischen Studierenden zu den mobilsten. Etwa 25.000 ausländische Wissenschaftler arbeiten an deutschen Universitäten und Fachhochschulen, das ist gut ein Zehntel des wissenschaftlichen Personals. Und wir fühlen uns durch dieses Potenzial weltweiten Wissenstransfers bereichert.

Insbesondere mit Spanien besteht ein reger Austausch; so halten sich ca. 4500 spanische Studierende langfristig in Deutschland auf, hinzu kommen jährlich rund 2500 spanische ERASMUS-Studierende. Gleichzeitig ist Spanien für deutsche Studierende das beliebteste Land, um im Rahmen eines ERASMUS-Programms das Ausland kennenzulernen. Über 5500 Deutsche studieren so Jahr für Jahr in Spanien; 1500 Deutsche verbringen zur Zeit sogar ihr gesamtes Studium in Spanien. Die enge deutsch-spanische Kooperation in der Wissenschaft spiegelt sich auch in etwa 1600 bilateralen Hochschulpartnerschaften mit einer Vielzahl von Aktivitäten und Austauschprogrammen wider.

Wir stehen vor einer Reihe globaler Herausforderungen, sei es Migration und Schutz der Menschenrechte oder Klimawandel und Energiesicherheit. Diesen Herausforderungen können wir uns nicht alleine stellen, sondern müssen in einer globalen Verständigung gemeinsam nach Antworten auf diese Fragen suchen.

Investitionen in Wissenschaftszusammenarbeit - und damit in Bildung - sind deshalb Investitionen in die Zukunft. In unserer Wissensgesellschaft ist Bildung der "Rohstoff" von morgen. Wer Fortschritt in der Breite will, muss Exzellenz in der Spitze fördern. Das geht nur mit Wissenstransfer.

In den europäischen Institutionen arbeiten wir gemeinsam daran, die Vernetzung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu erleichtern und zu intensivieren. Noch immer gibt es Hindernisse, die der Mobilität von Wissenschaftlern und damit dem Wissenstransfer entgegenstehen. Diese beruhen vor allem auf Unterschieden in den Studiensystemen.

Mit der Umsetzung des Bologna-Prozesses wollen wir diese Hürden überwinden. Unser Ziel ist es, einen gemeinsamen Europäischen Hochschulraum zu schaffen. Dieses Ziel wurde noch nicht vollständig verwirklicht. Aber es ist bereits gelungen, die Mobilität zwischen den teilnehmenden Staaten zu verbessern und die Sichtbarkeit Europas als Wissenschaftsstandort zu erhöhen.

Eine nicht zu unterschätzende Hürde bleibt nach wie vor die Sprachbarriere. Zwar ist die Internationalisierung in der Forschung sehr weit fortgeschritten. Englisch hat sich in den meisten Disziplinen als Arbeitssprache etabliert. Dennoch können nachhaltige Beziehungen nur entstehen, wenn sich Austauschstudenten und -wissenschaftler in der Sprache des Gastlandes zurechtfinden. Spanisch als Weltsprache und Amtssprache der Vereinten Nationen und Deutsch als Amtssprache der EU und traditionsreiche Wissenschaftssprache etwa in der Philosophie, der Archäologie, der Theater- oder Musikwissenschaft sind dabei gleichermaßen von Bedeutung.

Die beiden hervorragenden Nachwuchswissenschaftler, die mit dem Julián Sanz del Río -Preis ausgezeichnet wurden, sind hier Vorbilder. Dabei stehen beide gerade erst am Anfang einer viel versprechenden akademischen Karriere.

Sie erbringen nicht nur in ihren Disziplinen exzellente Leistungen. Sondern sie befassen sie auch inhaltlich intensiv mit dem jeweils anderen Land. Hinzu kommen gute Sprachkenntnisse der jeweils anderen Sprache. Auf den Spuren von Julián Sanz del Río fördern Frau Feldmann und Herr Sanz Díaz damit den Wissensaustausch in beide Richtungen und vertiefen durch ihre Forschungsarbeit die Beziehungen zwischen unseren Ländern. Dafür möchte ich Ihnen sehr herzlich danken!

Uns verbinden die Worte Albert Einsteins, der sagte: "Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben". Diese Worte lassen sich gut auf die intensiven deutsch-spanischen Wissenschaftskontakte übertragen.