Redner(in): Cornelia Pieper
Datum: 26.02.2013

Untertitel: Modernisierungsdialog mit Belarus
Anrede: Sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2013/130226-StM_P_Belarus.html


liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Modernisierungsdialogs,

Ich freue mich, heute Abend die 3. Konferenz im Rahmen des EU-Modernisierungsdialogs mit Belarus eröffnen zu können.

Nach Warschau und Tallinn wollen wir hier in Berlin den Gesprächsfaden wieder aufnehmen und gemeinsam Möglichkeiten der gesellschaftlichen Modernisierung von Belarus diskutieren.

Belarus ist unser europäischer Nachbar - geographisch und historisch. Kulturell und wirtschaftlich ist es eng mit Deutschland und Europa verbunden. Belarussen sind Europäer.

Auch sie verdienen eine europäische Zukunft.

Gerade deswegen erfüllt uns die Lage in Belarus so mit Sorge: Während andere Staaten der Region sich nach der Auflösung der Sowjetunion für einen freien, demokratischen und rechtsstaatlichen Weg in Richtung Europäische Union entschieden haben, hielt Belarus an alten Strukturen fest.

Es gibt in Belarus nach wie vor politische Gefangene. Es kommt weiterhin zu Repressionen gegen Oppositionelle, unabhängige Medien und die Zivilgesellschaft. Die Todesstrafe findet Anwendung.

Die EU hat mit gezielten Sanktionen gegen die Verantwortlichen reagiert.

Die Zusammenarbeit mit der belarussischen Regierung gestaltet sich aufgrund der Mängel bei der Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Normen schwierig.

Gleichzeitig wollen wir die Zusammenarbeit mit Belarus vertiefen, für das das Angebot der Östlichen Partnerschaft der EU ebenso Gültigkeit besitzt wie für die Ukraine, Armenien, Georgien, Aserbaidschan und Moldau.

Das Angebot bedeutet Unterstützung, Einbeziehung in europäische Strukturen. Aber es ist untrennbar verbunden mit der Erwartung an politische und wirtschaftliche Reformen. Beides gehört zusammen, sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Deswegen ist es so wichtig, dass durchdachte Reformvorschläge in den relevanten Bereichen auf dem Tisch liegen und in Belarus zur Diskussion gestellt werden können, sobald die politische Situation die Modernisierung und Reformierung des Landes zulässt.

Dies ist wesentliches Ziel des Europäischen Modernisierungsdialogs mit Belarus, der vor knapp einem Jahr in Brüssel ins Leben gerufen wurde.

Der Modernisierungsdialog soll den Austausch von Ideen fördern und Denkprozesse zur Transformation anstoßen.

Wesentlicher Akteur dieses Dialogs ist die demokratisch orientierte Zivilgesellschaft in Belarus. Diese unterstützen Deutschland und die EU nach Kräften.

Um nur einige Beispiele unserer Kooperation zu nennen: Goethe-Institut und DAAD bieten akademische Unterstützung für junge deutschlandinteressierte Belarussen an. 400 Stipendien vergibt der DAAD jährlich. Tausende nehmen an den Kursen und Programmen des Goethe-Institutes in Minsk teil. Wir unterstützen die Arbeit der politischen Stiftungen in Belarus. Diese helfen mit gezielten Projekten, z. B. Medientrainings, die Zivilgesellschaft in ihrer Organisation und in ihren Aktivitäten zu stärken. Wir unterstützen die Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte Minsk, die ihrerseits Projekte mit der Zivilgesellschaft zu sozialen, rechtstaatlichen und historischen Themen durchführt.

Auch mit dieser Konferenz wollen wir ein deutliches Zeichen der Unterstützung für die belarussische Zivilgesellschaft setzen.

Wir möchten diesen mutigen und engagierten Menschen dabei helfen, ihr Land zum Besseren zu verändern und Reformen anzustoßen, die Belarus zurück auf den europäischen Weg bringen. Und wir wollen zeigen: wir setzen auf die demokratischen Kräfte in Belarus!

Möglich wurde diese Konferenz erst durch deutsche Organisationen, die sich in Belarus engagieren. An dieser Stelle möchte ich unseren Mitveranstalter herzlich danken: der deutsch-belarussischen Gesellschaft und dem Minsk Forum, dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk, der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde und der Commerzbank.

Liebe Gäste aus Belarus, Sie sehen: Sie haben in Deutschland viele Freunde!

Das Konferenzthema Reformen im Sozial- und kommunalpolitischen Bereich ist dabei von besonderer Aktualität. Belarus ist, vielleicht noch mehr als Deutschland, einem enormen demographischen, wirtschaftlichen und sozialen Druck ausgesetzt. Die Bevölkerung wird älter, die Wirtschaft überlebt nur aufgrund russischer Subventionen und die Bedürfnisse im Bereich der sozialen Unterstützung werden grösser.

Der Umgang mit sozialen Problemen fällt oft auf die Kommunen zurück.

Deshalb sollen bei der Fachkonferenz am morgigen Tag auch Fragen der Kommunalpolitik diskutiert werden und Partizipations- und Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen im sozialen Bereich erörtert werden.

Ohne grundlegende Reformen in der Sozial- und Kommunalpolitik ist fraglich, ob die sozialen Sicherheitsnetze in Belarus noch lange tragen. Die Menschen in Belarus würde der Zusammenbruch der sozialen Sicherheitsnetze hart treffen - und auch die Kommunen, die viele soziale Maßnahmen durchführen.

In den nächsten zwei Tagen bringen wir hier im Europasaal des Auswärtigen Amts Experten zusammen, die sich zu den Möglichkeiten und der Durchführung von Reformen im Sozial- und Kommunalbereich in Belarus austauschen werden.

Wir hoffen, dass die Teilnehmer aus Belarus mit neuen Ideen, neuen Vorhaben und neuen Ansätzen für Reformen nach Hause zurückkehren und diese dort weiter ausarbeiten.

Und wir wünschen uns, dass sie dies bald in größerer Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit tun können.

Ich wünsche allen Teilnehmern lebhafte Diskussionen, einen spannenden Austausch und eine erfolgreiche Konferenz.

Vielen Dank.