Redner(in): Guido Westerwelle
Datum: 08.10.2013

Untertitel: Rede von Außenminister Westerwelle zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse
Anrede: Sehr geehrter Herr Vizepräsident Temer,Sehr geehrte Frau Ministerin Suplicy,Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Feldmann,Sehr geehrter Prof. Honnefelder,Sehr geehrter Herr Boos,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2013/131008_BM_Frankfurter-Buchmesse.html


Es ist mir eine große Freude, auch in diesem Jahr an der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse teilzunehmen.

Ich gratuliere den Machern der Frankfurter Buchmesse zu zwei strategischen Entscheidungen.

Erstens möchte ich Ihnen für die Entscheidung danken, Kinder- und Jugendmedien in den Fokus der diesjährigen Messe zu stellen.

Wir alle erinnern uns noch an unser erstes Lieblingsbuch. Mehr als einmal haben wir es gelesen. Wer als Kind die Welt der Literatur kennen und lieben lernt, der wird auch später im Leben nicht mehr darauf verzichten wollen. Die Entscheidung, Kinder- und Jugendmedien in den Fokus zu stellen, ist weitsichtig.

Die zweite Entscheidung, die ich hervorheben möchte ist, nach 1994 erneut Brasilien als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse einzuladen.

Sehr herzlich begrüße ich Vizepräsident Michel Elias Temer und Kulturministerin Marta Suplicy hier in Frankfurt.

Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass das Interesse an Brasilien in den nächsten Jahren weiter rasant zunehmen wird.

Nach der diesjährigen Präsentation auf der Frankfurter Buchmesse, folgen im Jahr 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien und dann schließlich die Olympischen Spiele im Jahr 2016. Diese Sportereignisse bieten eine wichtige Chance, Brasilien einer breiten Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Gleichzeitig wissen wir aus eigener Erfahrung um die Herausforderungen, die damit verbunden sind. Hier ist die Politik gefordert, überzeugende Antworten zu geben und dafür zu sorgen, dass die Menschen auf diesem ambitionierten Weg mitgenommen werden.

Rein geografisch sind Brasilien und Deutschland weit voneinander entfernt. Wenn es aber um unsere Werte geht, dann liegen Brasilien und Deutschland eng bei einander.

Das Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit, zu Demokratie und zu Menschenrechten sowie das Streben nach einer multilateral ausgerichteten Weltordnung sind gemeinsame Grundpfeiler unserer Politik. Das verbindet.

Die scheidende Bundesregierung hat gleich zu Beginn ihrer Amtszeit mit dem Lateinamerika-Konzept das Ziel formuliert, die Beziehungen zu Lateinamerika auf eine neue Stufe zu heben. Wir sind ein gutes Stück vorangekommen.

Die Beziehungen zwischen Brasilien und Deutschland nehmen dabei eine herausragende Stellung ein. Sie sind umfassend und vielseitig.

Die deutsch-brasilianischen Beziehungen gründen auf einer gemeinsamen Wertebasis und auf breiten historischen und auch kulturellen Bindungen.

Denken Sie nur an Thomas Mann. Brasilien hat seinen Anteil am Welterfolg dieses großen Schriftstellers, der für seine Buddenbrooks mit dem Literatur-Nobelpreis geehrt wurde.

Seine Mutter Julia Bruhns da Silva war Brasilianerin und stammte aus dem kleinen Hafenstädtchen Paraty südlich von Rio. Thomas Mann setzte ihr mit seiner Romanfigur Gerda Buddenbrook, geb. Arnoldsen ein bleibendes Denkmal.

Brasilien selbst hat Autorinnen und Autoren von Weltrang hervorgebracht. Autoren wie Jorge Amado, Carlos Drummond de Andrade, Clarice Lispector gehören sicher dazu. Und Paulo Coelho gehört zu den am meisten verkauften Autoren Lateinamerikas überhaupt.

Brasilien ist ein kulturelles Schwergewicht. Brasilien ist auch wirtschaftlich und politisch längst ein globales Schwergewicht.

Seit über 140 Jahren pflegen Deutschland und Brasilien gemeinsame Beziehungen. Fast 25 % der Menschen in Brasilien sind jünger als 15 Jahre.

Deutschland hat den Aufstieg Brasiliens zu einer globalen Gestaltungsmacht stets mit großem Respekt und auch mit großer Freude begleitet. Der Aufstieg Brasiliens bringt mehr Chancen für mehr deutsch-brasilianische Kooperation.

Deutsche Unternehmen bilden schon heute eine wichtige Säule der brasilianischen Wirtschaft. Sie tragen ca. 10 - 12 % zum industriellen Brutto-Inlandsprodukt bei und beschäftigen etwa 250.000 Menschen vor Ort. Die größte deutsche Wirtschaftsgemeinde außerhalb Europas befindet sich in Sao Paulo.

Brasilien und Deutschland arbeiten erfolgreich zusammen, zum gegenseitigen Nutzen und in gemeinsamer Verantwortung für das Ganze. Bei der Reform der Vereinten Nationen ziehen unsere Länder an einem Strang.

Gleichwohl bieten unsere bilateralen Beziehungen noch Wachstumspotenzial, das genutzt werden sollte.

Seit Mai 2013 präsentiert sich Deutschland in Brasilien. Unser Deutschlandjahr steht unter dem Motto "Deutschland und Brasilien Wo Ideen sich verbinden". Wir wollen das Interesse aneinander weiter verstärken und neue gemeinsame Projekte forcieren.

Brasilien und Deutschland stehen gemeinsam vor großen Herausforderungen. Die Globalisierung und die Digitalisierung sind Entwicklungen, die für wissensbasierte Gesellschaften von großer Bedeutung sind.

Brasilianer verbringen rund 27 Stunden im Monat online, so viel wie keine andere lateinamerikanische Nation. Bei den Nutzerzahlen von Facebook belegen die Brasilianer weltweit einen Spitzenplatz.

Deutschland setzt sich gemeinsam mit Brasilien für ein offenes, freies, und zugleich sicheres Internet ein.

Die brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rouseff hat dazu klare Worte gefunden in der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York vor zwei Wochen.

So wie wir die internationalen Finanzströme regulieren müssen, um weltweite Krisen zu verhindern, brauchen wir auch für die weltweiten Datenströme verbindliche Regeln und Standards. Es darf nicht alles geschehen, was technisch möglich ist. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch legitim.

Ein vernünftiges Verhältnis von Freiheit und Sicherheit im Internet zu gewährleisten, den Schutz geistigen Eigentums auch in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung aufrecht zu erhalten, all das sind Aufgaben, die kein Staat allein lösen kann.

Wir müssen uns mit Gleichgesinnten zusammentun, wenn wir unseren Werte und Interessen global Gehör verschaffen wollen. Brasilien ist für Deutschland ein natürlicher Partner bei der Mitgestaltung der Globalisierung.

Ich wünsche Ihnen allen eine spannende literarische Reise nach Brasilien und in die weite Welt der Bücher. Uns allen wünsche ich eine erfolgreiche Buchmesse mit vielen anregenden Diskussionen und interessanten neuen Begegnungen.

Vielen Dank.