Redner(in): Maria Böhmer
Datum: 30.04.2014

Untertitel: Grußwort von Staatsministerin Böhmer anlässlich der Übergabe von drei ägyptischen Antiken an den ägyptischen Botschafter Higazy, 30. April 2014, Auswärtiges Amt
Anrede: Sehr geehrter Herr Botschafter,Sehr geehrte Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen,Sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2014/140430-StMB-Kulturgueter.html


Die politische Lage in Ägypten ist derzeit besonders schwierig und bedrückend. Ich sage Ihnen ganz offen: Angesichts der hundertfach verhängten Todesurteile habe ich zunächst gezögert, den heutigen Termin wahrzunehmen. Außenminister Steinmeier hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass die Urteile absolut dem entgegenstehen, was wir unter rechtsstaatlichen Prinzipien verstehen. Er hat auch die klare Erwartung der Bundesregierung formuliert, dass die Urteile aufgehoben werden und den Verurteilten ein fairer Prozess ermöglicht wird.

Unter Partnern und Freunden muss man ehrlich sprechen können. Und zwar nicht übereinander, sondern miteinander! Mir ist wichtig, dass wir gerade jetzt im Dialog bleiben und unsere partnerschaftlichen Beziehungen, insbesondere im Kulturbereich, weiterhin pflegen. Daher freue ich mich, Ihnen, Herr Botschafter, heute diese drei Antiken zu übergeben, die Zeugnis geben von der Jahrtausende alten Hochkultur Ihres Landes.

Es handelt sich um einen Miniaturobelisken, der vermutlich aus Saqqara stammt und von Sachverständigen auf Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. ( 2410 2220 v. Chr. ) datiert wird. Ferner um einen Statuenschrein, vermutlich aus den Gegenden Saqqara, Memphis oder Heliopolis, datiert auf das 13. Jahrhundert v. Chr. und schließlich das rechteckige Familienmonument, das aus Memphis oder Saqqara stammt und zwischen 750 und 525 v. Chr. entstanden sein soll.

Frau Prof. Seyfried, die ich ebenfalls herzlich begrüßen möchte, wird uns als ausgewiesene Ägyptologin einige kulturhistorische Erläuterungen zu den Objekten geben.

Diese Objekte haben eine wahrhaft abenteuerliche Geschichte zu erzählen: Es handelt sich um wertvolle, authentische Antiken, die vor über fünf Jahren illegal aus Ägypten geschleust, durch Italien und die Schweiz transportiert wurden, und für einen Abnehmer in Belgien bestimmt waren. Einmal in Belgien angelangt, wären sie - wie viele andere illegal verbrachte Antiken - höchstwahrscheinlich für immer in einer anonymen Privatsammlung verschwunden und damit unsichtbar für die Weltöffentlichkeit geblieben.

Dass es nicht so gekommen ist und ihre Reise gestoppt wurde, ist zuallererst der hervorragenden Arbeit des deutschen Zolls zu verdanken.

Denn es waren deutsche Zollfahnder, die die Objekte im Frühjahr 2009 unter einer Teppichladung in einem aus der Schweiz kommenden LKW entdeckten und beschlagnahmten.

Entgegen manchen Mutmaßungen einzelner Medien hat das Auswärtige Amt daraufhin unverzüglich gemeinsam mit anderen Ressorts, den beteiligten Behörden und Gerichten sowie der ägyptischen Seite intensiv nach einem Weg gesucht, wie diese Objekte nach Ägypten zurückgegeben werden können. Klar ist, dass eine Rückgabe nicht von heute auf morgen erwirkt werden kann, denn für Wegnahme und Neuzuordnung von Besitz bedarf es einer belastbaren rechtlichen Grundlage.

Aber auch der von den beteiligten Ministerien gefundene Weg wäre für sich allein nicht erfolgreich gewesen, wenn nicht schließlich die Staatsanwaltschaft Lörrach die Herausgabe der Objekte an Ägypten beantragt und das Landgericht Freiburg dem Antrag im Dezember 2013 in zweiter Instanz stattgegeben hätte.

Ich möchte deshalb Ihnen Herr Ministerialdirigent Biller und Herr Ministerialrat Schmitt als Vertretern des Bundesministeriums der Finanzen, sowie allen weiteren Beteiligten in Ministerien, Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten, die diese Rückgabe ermöglicht haben, meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen!

Die heutige Übergabe ist aber nicht nur eine Gelegenheit, um das Engagement Deutschlands im Kampf gegen den illegalen Kulturguthandel sichtbar zu machen und unser Bekenntnis zur UNESCO Konvention von 1970 gegen den illegalen Kulturguthandel zu unterstreichen.

Nein, es ist und hier bin ich mir mit Ihnen, Herr Botschafter, sicher einig vielmehr auch und gerade das Ziel, mit dem heutigen Termin die Öffentlichkeit auf das weltweite Problem des illegalen Handels mit Antiken exemplarisch aufmerksam zu machen.

Ich verbinde dies mit dem Appell an Auslandsreisende und Kunstkäufer, sich der Provenienzen von Antiken zu vergewissern.

Denn Kultur und antike Stätten gehören nicht nur zu den identitätsstiftenden Merkmalen jedes Volkes, sondern sie sind zugleich Teil des kulturellen Erbes und Gedächtnisses der ganzen Menschheit. Darüber hinaus sind sie unter anderem im Bereich des Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und spielen entsprechend politisch eine große und weiterhin wachsende Rolle. Dies trifft in ganz besonderer Weise auf Ägypten als wissenschaftlich - kulturelle Wiege der Menschheit zu, das mit seinen eindrucksvollen antiken Stätten darunter Kairo, Luxor, Assuan und Saqqara - bis heute eine ungebrochene Anziehungskraft auf Wissenschaftler und kulturinteressierte Menschen in der ganzen Welt ausübt.

Raubgrabungen, Diebstähle, Plünderungen und illegale Ausfuhr von Kulturgütern bedrohen eben dieses gemeinsame Erbe. Zu den hauptbetroffenen Staaten zählen neben Ägypten auch Syrien, der Irak, die zentralamerikanischen Staaten und Mexiko und Zypern, um nur einige Beispiele zu nennen. Ganz zu schweigen von der Zerstörung von Kulturgütern und antiken Stätten, wie sie derzeit u. a. aus Syrien berichtet werden.

Damit nicht genug, steht der illegale Handel mit Kulturgütern heute weltweit auf Rang 3 der internationalen organisierten Kriminalität - und damit direkt hinter dem illegalen Handel mit Waffen und Drogen.

Umso unverständlicher ist es, dass der Handel mit illegal verbrachten Antiken oder Antiken unklarer Provenienz von einer vermeintlich kultur-liebenden Klientel noch immer als eine Art Kavaliersdelikt betrachtet wird.

Daher möchte ich hier und heute die Gelegenheit nutzen, um Ihnen zu versichern:

Die Bundesregierung wir auch weiterhin alles daran setzen, um diese illegalen Praktiken zu unterbinden.

So hat das Auswärtige Amt ein Informationsblatt herausgegeben es liegt hier aus mit dem mein Haus auf das Problem des illegalen Kulturgutverkehrs hinweist und ein öffentliches Bewusstsein hierfür schafft. Die Bundesregierung war es auch, die auf europäischer Ebene erfolgreich die Einführung eines Einfuhr- und Handelsverbots für Kulturgüter aus Syrien vergleichbar der Regelung für irakische Kulturgüter - initiiert hat. Und Ende dieses Jahres werden das Deutsche Archäologische Institut und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien eine große internationale Konferenz zum Kulturgutschutz veranstalten, die dieses Thema einmal mehr ins Bewusstsein rückt.

Ich darf Ihnen versichern: Sowohl das Auswärtige Amt als auch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien werden uns weiter in jedem Einzelfall, von dem wir Kenntnis haben, dafür einsetzen, dass ein Objekt, das unter Verstoß gegen unsere europäischen und völkerrechtlichen Verpflichtungen aus einem Land gebracht wurde, dorthin zurückkehrt.

Sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Higazy, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass dieser Einsatz auch für die weiteren in Deutschland befindlichen, illegal aus Ägypten verbrachten Objekte gilt und ich hoffe, dass wir hier zu einem ebenso erfolgreichen Ergebnis kommen können, wie heute.

Ich freue mich, dass die Objekte nun ihre Rückreise antreten können und in Ägypten hoffentlich bald wieder der Öffentlichkeit zugänglich sein werden.

Alles Gute!