Redner(in): Maria Böhmer
Datum: 28.10.2015
Untertitel: Festansprache von Staatsministerin Böhmer beim Internationalen Symposium 2015 des Nationalen Komitees Deutschland für UN WOMEN
Anrede: Sehr geehrte, liebe Frau Nordmeyer,sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Klingmüller,meine Damen und Herren!
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2015/151028-StM_B_RES_1325.html
Ich freue mich sehr, heute Abend bei Ihnen zu sein. Ich habe die Einladung des Nationalen Komitees Deutschland für UN Women, die Festrede zum diesem internationalen Symposium um 15-jährigen Bestehen der Resolution 1325 "Frauen, Frieden und Sicherheit" des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu halten, sehr gern angenommen.
Ich begrüße sehr, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2010 mit UN Women eine Sondereinheit der Vereinten Nationen gegründet hat, die sich in New York und in ca. 90 Programmländern für die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Teilhabe von Frauen einsetzt. Das war geradezu eine Revolution und die Mitgliedstaaten der UN haben mit diesem historischen Schritt gezeigt, dass diesem Ziel eine besondere und globale Bedeutung zukommt. Das Nationale Komitee Deutschland für UN Women leistet wichtige Unterstützungsarbeit hier vor Ort. Vielen Dank an dieser Stelle schon an Frau Nordmeyer. Sie arbeiten für nicht mehr und nicht weniger als für die Hälfte der Weltbevölkerung. Das ist wirklich bemerkenswert und verdient Anerkennung!
Ich habe die Exekutivdirektorin von UN Women Phumzile Mlambo-Ngcuka und Sie, liebe Frau Nordmeyer, zuletzt im Mai in Berlin getroffen, zum Tag des Peacekeepers 2015. Sie hatten mich damals gebeten, mich für ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel einzusetzen. Das habe ich gern getan. Denn die Ziele von UN Women liegen mir sehr am Herzen. Ich freue mich daher sehr, dass die Bundeskanzlerin Frau Mlambo-Ngcuka zu dem G7 -Dialogforum mit Frauen im September eingeladen hat, bei dem wir die Mitgestaltungsmacht von Frauen und Mädchen weltweit erörtert und eine wegweisende Abschlusserklärung angenommen haben.
Vor 20 Jahren fand in Peking die erste Weltfrauenkonferenz statt. Fast 50.000 Frauen haben teilgenommen, ich war eine von ihnen. Der Geist dieser Konferenz ist immer noch inspirierend.
Vor 15 Jahren hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1325 "Frauen, Frieden und Sicherheit" verabschiedet und damit einen Grundstein für eine geschlechtersensible Friedens- und Sicherheitspolitik festgelegt.
Und im September hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Agenda 2030 für eine Nachhaltige Entwicklung beschlossen. Die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Teilhabe von Frauen gehörten zu den Zielen der Agenda. Ich habe die Agenda für Deutschland verhandelt und kann sagen, dass es nicht einfach war, dieses Ziel durchzusetzen. Umso mehr freue ich mich, dass uns dies so gut gelungen ist.
Ein zweites Ziel war sehr wichtig: Es kommt auf Bildung an. Aber mit Grundbildung alleine ist es nicht getan. Desto mehr Bildung, desto weniger Mädchen und Frauen in der Abhängigkeit. Wir müssen jetzt darauf achten, dass diese Ziele, die festgelegt sind, zügig umgesetzt werden.
Meine Damen und Herren,
auch 15 Jahre nach Inkrafttreten der Agenda der Vereinten Nationen für Frauen, Frieden und Sicherheit gilt: Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedenskonsolidierung können nur gelingen, wenn sie Geschlechtergerechtigkeit und geschlechtsspezifische Perspektiven beachten. Die Weltgemeinschaft hat in den vergangen 15 Jahren zwar viel erreicht, aber nach wie vor gilt es die Rechte von Frauen mit allem Nachdruck durchzusetzen. Frauenrechte sind Menschenrechte!
Frauen brauchen besonderen Schutz vor Gewalt in bewaffneten Konflikten. Die Versklavung, Zwangsverheiratung und Vergewaltigungen von Mädchen und Frauen durch die islamistische Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria zeigen eindringlich, dass die Schändung von Frauen vielerorts geradezu machtpolitische Routine ist.
Frauen begeben sich aus fürchterlichen Notsituationen heraus auf die Flucht. Wir erleben in diesem Tagen die Diskussion über Flüchtlinge, die Hilfe suchen auch in unserem Land. Ich halte es für ein Gebot der Menschlichkeit, diesen Menschen zu helfen. Wir müssen verstärkt den Blick auf Frauen in Flüchtlingseinrichtungen zu richten, die oft Traumatisierungen erleben mussten. Berichte aus den Einrichtungen zeigen, dass gerade Frauen dort wieder von sexueller Gewalt bedroht sind. Deshalb müssen wir uns dafür einsetzen, dass es in den Flüchtlingseinrichtungen Schutzmöglichkeiten für Frauen gibt. Solche schrecklichen Taten müssen auch hier konsequent verfolgt und bestraft werden.
Generell gilt, dass der Kampf gegen sexuelle Kriegsführung zu intensivieren ist. Die Kultur der Straflosigkeit ist zu beenden. Die Täter müssen wegen Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden.
Frauen müssen zudem an der Krisenbewältigung beteiligt werden, weil der Wiederaufbau nur mit dem Beitrag von Frauen gelingen kann. Sie müssen noch mehr und noch besser in politische Prozesse und Institutionen, bei der Planung und personellen Ausgestaltung von Friedensmissionen und bei der Verhandlung von Friedensabkommen eingebunden werden. Daher begrüße ich sehr, dass die Europäische Union mit Mara Marinaki und die NATO mit Marriet Schuurman Sonderbeauftrage haben, die sich für die Umsetzung der Agenda der Vereinten Nationen für Frauen, Frieden und Sicherheit einsetzen.
Am 13. Oktober 2015 fand eine offene Debatte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zum 15-jährigen Jubiläum der Resolution 1325 "Frauen, Frieden und Sicherheit" statt. Mehr als 100 Staaten haben sich beteiligt, mehr als je zuvor! Die Debatte hat gezeigt: Keiner der 191 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen kann sich dem Thema entziehen. Am Ende der Sitzung wurde mit Resolution 2242 ein ambitionierter Folgebeschluss angenommen.
Zu den wichtigen Neuerungen zählt die Einrichtung einer informellen Expertengruppe. Besonders wichtig war auch, dass die Mitgliedstaaten eine besonders eindeutige Sprache zu den Missbrauchsvorwürfen gegen Blauhelmtruppen gefunden haben. Auch ich unterstütze die "Zero-Tolerance" - Politik von UN Generalsekretär Ban Ki Moon. Wir brauchen ein umfassendes Training im Vorfeld und zügige Strafverfolgung in Missbrauchsfällen. Ich teile auch die Kritik der Exekutivdirektorin von UN Women Mlambo-Ngcuka, die darauf aufmerksam machte, dass 97 % aller Blauhelmsoldaten Männer sind. Der Anteil von Frauen muss größer werden. Dies hat eine wichtige Signalwirkung!
Meine Damen und Herren,
Deutschland gehört zu den aktivsten Unterstützern der Agenda der Vereinten Nationen für Frauen, Frieden und Sicherheit. Wir nehmen daher das 15-jährige Jubiläum der Agenda zum Anlass, um unser Engagement zu intensivieren.
Das Auswärtige Amt wird das Internationale Komitee vom Roten Kreuz beim Kampf gegen sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten und bei der Versorgung von Überlebenden im Jahr 2015 mit einer Million Euro unterstützen.
Wir werden im Rahmen unseres OSZE-Vorsitzes 2016 eine Sonderbeauftragte für Genderfragen ernennen.
Das Bundesministerium der Verteidigung wird vor dem Hintergrund der Attraktivitätssteigerung in der Bundeswehr und der Unterrepräsentanz von Frauen das neue Stabselement "Chancengerechtigkeit" mit Leben füllen und genderspezifische Nachteile abbauen. Dabei leisten wir einen deutlichen Beitrag für die Einbindung von Frauen in unsere Sicherheitspolitik!
Deutschland wird auch weiterhin spezielle Polizistenteams in die Friedensmissionen der Vereinten Nationen entsenden, um gegen sexuelle und geschlechterspezifische Gewalt vorzugehen. Erst vor ein paar Wochen sind deutsche Polizisten und Polizistinnen in den Südsudan entsendet worden.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird ganz konkret die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen in den Philippinen und in Kolumbien weiter unterstützen. Wie wichtig diese Arbeit ist, habe ich selbst erlebt, als ich im März letzten Jahres Manila besucht habe. Ich war dabei, als dort das Friedensabkommen von Bangsamoro unterzeichnet wurde hat und habe die Frau, die es verhandelt hat, kennengelernt. Sie hat mich sehr beeindruckt.
Dies sind nur 5 von insgesamt 20 wichtigen Maßnahmen, auf die sich die Bundesregierung verständigt hat.
In Deutschland erfolgt die Umsetzung der Resolution durch einen Nationalen Aktionsplan. Am 19. Dezember 2012 hat die Bundesregierung den Ersten Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung von Sicherheitsratsresolution 1325 beschlossen. Der Aktionsplan gilt für den Zeitraum 2013 bis 2016 und enthält konkrete Maßnahmen, unter anderem Schulungsmaßnahmen für deutsches ziviles Personal, das in von den Vereinten Nationen geführte oder mandatierte Friedenseinsätze entsandt wird. Außerdem werden Maßnahmen der Vereinten Nationen gefördert, die die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen oder deren Schutz in Konflikten zum Ziel haben. In Deutschland wollen wir diese Entwicklung und unseren Nationalen Aktionsplan weiter vorantreiben.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in diesem Jahr werden die Vereinten Nationen 70 Jahre alt. Und in ihrem 70. Es gilt, was sie in der Überschrift Ihres Symposiums sagen: Kein Frieden ohne Frauen!
Wir müssen Frauen stärken! Sie müssen die Möglichkeit bekommen, Gesellschaften mitzugestalten. Es gilt die Opferrolle zu überwinden. Opfer von sexueller Gewalt; Opfer von gesellschaftlichen Strukturen. Wir müssen die Rolle der Frauen neu definieren und die alte Perzeption überwinden! Dies ist aber vor allem aber ein Appell an Frauen weltweit! Sie müssen zu Handelnden werden. Die Rolle als Agents of Change annehmen. Und um politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einfluss kämpfen. Allerdings: Wenn wir Frauen etwas verändern wollen, müssen wir auch die Männer auf diesem Weg mitnehmen.
Bei allen Themen spielen Netzwerke eine entscheidende Rolle! Wir Frauen gehen die Dinge oft anders an und bringen andere Gesichtspunkte ein. Was die Hälfte der Menschheit betrifft, kann man nicht länger ausblenden, das muss auf die Tagesordnung.
Ich danke UN Women Deutschland für diese Veranstaltung. Sie stärkt das Engagement für die Vereinten Nationen und insbesondere das Engagement für Frauen. Ich wünsche Ihnen, dass die vergangenen 15 Jahre Ihnen Rückenwind für die weitere Entwicklung geben.
Vielen Dank!