Redner(in): Horst Köhler
Datum: 27. Mai 2010

Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2010/05/20100527_Rede.html


Vor ein paar Wochen blickte die halbe Welt gebannt nach Island. Alle redeten von der Aschewolke des Vulkans mit dem für uns Deutsche unaussprechlichen Namen. In Europa war sie nicht zu sehen, und riechen konnte man sie auch nicht; aber zu spüren war sie fast überall, denn sie legte den Flugverkehr lahm. Urlauber strandeten fern der Heimat, Manager sahen sich gegroundet, Obst und Gemüse blieben am Boden und verdarben, und vielen Fabriken gingen die Teile aus -erst Lieferstopp, dann Stopp der Produktion.

So hat unsere hochmobile Gesellschaft erlebt, was passiert, wenn nur ein einziger Verkehrsträger ausfällt, weil uns die Natur Grenzen setzt. War es ein Vorgeschmack darauf, was uns angesichts von Klimawandel und Ölknappheit bevorsteht? Zum Glück nicht, denn der Klimawandel und das Versiegen der Erdölvorräte kommen nicht plötzlich wie ein Vulkanausbruch. Wir können uns auf sie einstellen - ich sage: besser früher als später. Aber die Herausforderung ist dennoch gewaltig.

Heute leben fast sieben Milliarden Menschen auf der Erde. In 40 Jahren, 2050, werden es wohl weit mehr als neun Milliarden Menschen sein. Diese Milliarden trennt Vieles - Meere und Gebirge, Staatsgrenzen und Sprachbarrieren. Aber es verbindet sie auch viel, unter anderem das Bedürfnis nach Mobilität und der Wunsch, an der Weltwirtschaft teilzuhaben. Darum hat das Verkehrswesen für die Lebensqualität und die Zusammenarbeit der Nationen Schlüsselbedeutung, und darum ist schon in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten die Mobilität von Menschen und Gütern weltweit sprunghaft gewachsen.

Und das war erst der Anfang. Experten schätzen, dass sich die Zahl der Kraftfahrzeuge zwischen 2002 und 2030 möglicherweise verdoppeln wird. Der Flugverkehr in Asien und in Südamerika, der bisher erst einen Bruchteil der hiesigen Dichte hat, wird rasant zunehmen. Für praktisch alle Verkehrsbranchen gilt: Wer die in den westlichen Industrienationen erreichten Werte auf die anderen Kontinente hochrechnet, dem kann schwindlig werden angesichts von so viel Bewegung. Wenn aber dieses Mehr an Bewegung auch mit einem entsprechenden Zuwachs an Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch einhergeht, dann muss uns allen nicht nur schwindlig werden, sondern angst und bange. Schon heute werden 13 bis 14 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen durch Verkehr und durch Transport verursacht - manche Schätzungen sind noch viel höher. Das kann und darf nicht einfach so weitergehen. Darum ist klar: Die Welt braucht kein bloßes Mehr an Mobilität, sie braucht um unserer Ökosphäre willen - also um unser selbst willen! - bessere Mobilität.

Ich weiß, meine Damen und Herren, das ist Ihnen bewusst. Darum arbeiten Sie daran, das weltweite Verkehrs- und Transportwesen immer effizienter zu machen und immer umweltschonender. Sie stehen dabei in einem Wettrennen gegen die Expansion des Verkehrsaufkommens und gegen die Belastungen, die schon das bestehende Maß an Mobilität anhäuft. Ihr Erfolg ist wichtig für alle. Er hängt von vielen Faktoren ab: von klugen politischen Rahmenentscheidungen, vom technischen Fortschritt und vom Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten. Das Weltverkehrsforum kann alle diese Faktoren zusammenbringen. Darum ist es ein zentraler Ort für den Dialog über zukunftsfähige Mobilität, und darum habe ich sehr gern die Einladung zum Weltverkehrsforum angenommen, die Herr Bundesminister Ramsauer an mich gerichtet hat.

Ich freue mich darüber, dass hier in Leipzig so hochkarätige Experten und Entscheider aus so vielen Nationen zusammenkommen, um über Mobilitätskonzepte für das 21. Jahrhundert zu beraten. Und auch ich heiße Sie ganz herzlich willkommen in Deutschland, einem Land, das in Mobilität seit jeher geradezu vernarrt ist - vom Flugpionier Otto Lilienthal über den Autoingenieur Gottlieb Daimler bis zum Luftschiffkonstrukteur Ferdinand Graf von Zeppelin.

Diese drei und ihre vielen Kollegen im In- und Ausland haben uns ungeahnte Möglichkeiten beschert - und ungeahnte Probleme, wie wir jetzt wissen. Das ist mir vergangene Woche beim Besuch der Expo 2010 einmal mehr bewusst geworden. Schon die Weltstadt Shanghai bietet dafür reichen Anschauungsunterricht, mit ihren riesigen Hafenanlagen und Brücken, mit ihrem rasant gewachsenen U-Bahnnetz, mit dem dichten Geflecht von Autobahnen - und mit ihren Verkehrsstaus und den Wolken von Smog. Die Expo zeigte eindrucksvoll, wie fieberhaft die Volksrepublik China und viele andere Nationen an besserer, das heißt eben auch umweltschonender Mobilität arbeiten. Überall wurden ökologisch saubere Antriebstechniken thematisiert und Beispiele dafür gezeigt, dass sich auch viel erreichen lässt, wenn wir alte Gewohnheiten überprüfen. Die Hansestadt Bremen zum Beispiel präsentierte ihr Car-Sharing-Modell und rechnete den Shanghaiern vor, es ließen sich in deren Stadt bei gleicher Beteiligungsquote wie in Bremen per Car-Sharing 180.000 Autos einsparen - welch ein Beitrag zu klügerer Mobilität!

Wir in Deutschland haben uns vorgenommen, bis 2020 die Treibhausgas-Emissionen um 40 Prozent zu senken. Die Europäische Union will sie um bis zu 30 Prozent reduzieren. Auch alle anderen Kontinente werden um entsprechende Einsparungen nicht herumkommen, und zwar schon aus purem Eigeninteresse. Was kann der Verkehrssektor trotz seiner absehbaren Zuwachsraten zu dieser weltweit bevorstehenden Anstrengung beitragen, und wie will er es organisieren?

Ich möchte dazu gern einige Gedanken äußern. Das Weltverkehrsforum 2010 sucht, wenn ich es recht sehe, die Antwort darauf vor allem in technischen Innovationen. Sie bieten viele Chancen, gewiss. Aber wer beim Stichwort Innovation nur an schadstoffärmere Autos denkt, springt zu kurz. Lassen Sie uns darum auch Ideen dafür entwickeln, wie unnötige Wege und Transporte von vornherein vermieden werden und wie wir unsere Städte besser planen. Lassen Sie uns überlegen, was uns an unserer mobilen Lebensweise gefällt und was uns bloß Nerven und Zeit kostet, was erhaltenswert ist und was nicht. Ja, lassen Sie uns darüber nachdenken, wie wir eigentlich leben wollen, was gute Mobilitätskonzepte dazu beitragen und wie wir sie für alle attraktiv machen.

Dabei gehört an den Anfang die Frage, worauf wir Wert legen und was uns das kostet. Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben: Durch Berlin fuhren in diesen Wochen Busse mit der Werbung einer Fluggesellschaft: "Norwegen rückt näher". Angeboten wurde ein Flug nach Oslo für 29 Euro. Norwegen ist aber keinen Zentimeter näher gerückt. Oslo ist noch immer rund 1000 Kilometer von Berlin entfernt. Wie viel Wert legen die Berliner auf die Option, für den Preis einer Krawatte nach Oslo reisen zu können? Und was kostet die Reise dorthin an Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung, ohne dass sich das im Flugpreis spiegelt?

Wer Menschen oder Waren befördert, der zahlt heute Treibstoff, Personal, Verkehrsträger, Gebühren. Er zahlt aber wenig bis gar nicht für Luftverschmutzung, Lärmbelästigung, Gesundheitskosten, Umwelt- und Klimaschäden. Nur deswegen kann es, um ein anderes Beispiel herauszugreifen, billiger sein, Krabben aus der Nordsee nicht an der Nordsee, sondern in Marokko pulen zu lassen und anschließend doch in Deutschland zu verkaufen. Ein wertvolles Hin und Her? Ich finde nein - nur ein billiges, weil die Preisbildung nicht stimmt, zumindest unvollkommen ist. Ich bin überzeugt: Die Verbraucher sind bereit, für weniger weitgereiste Krabben etwas mehr zu bezahlen, wenn das klar die Umwelt entlastet; wenn sie wissen, was das Gesellschaft und Staat wirklich kostet. Denn auch die ist den meisten Menschen sehr viel wert - sie hat nur leider immer noch zu oft keinen Preis.

Kostenwahrheit würde zu umweltfreundlicheren Lösungen führen. Sie würde auch die Binnenschifffahrt und den Schienenverkehr attraktiver machen. Dann würde auch das Schienennetz noch besser ausgebaut. Und Kostenwahrheit lässt sich durch politische Entscheidungen erreichen, ja, erzwingen, wenn es nötig ist. Da sehe ich eine Aufgabe auch für die Europäische Union. Sie bemüht sich, transeuropäische Netze zu knüpfen. Sie sollte sich auch um die Fairness des Wettbewerbs zwischen den unterschiedlichen Verkehrsträgern kümmern. Sonst schreibt man nur bestehende Verzerrungen des Wettbewerbs auch in der Infrastruktur fort.

Ein wichtiger erster Schritt hin zu Kostenwahrheit wird im Flugverkehr gemacht. Er wird im nächsten Jahr in den Emissionshandel einbezogen. Aber müsste man nicht noch weiter gehen? Im Gegensatz zur Stromsteuer, die die Bahn bezahlen muss, ist Kerosin von der Energiesteuer befreit - ebenso übrigens wie Schiffstreibstoff. Wäre es im Sinne der Gleichbehandlung der Verkehrsträger nicht gerecht, die Aussetzung der Energiesteuer für Kerosin und Schiffstreibstoff zu beenden? Am besten so international wie möglich. Ich weiß, das bedeutet schwierige Verhandlungen. Aber wir sollten es anpacken, und es sitzen hier ja Vertreter aus aller Welt, die zusammen arbeiten möchten.

Kostenwahrheit fördert intelligente Logistik, die die verschiedenen Verkehrsträger optimal kombiniert. Und Kostenwahrheit fördert die Verbreitung von Innovationen wie besonders leichte Container für die Luftfahrt, die Kerosin sparen, wie hybride Antriebssysteme auch für LKWs und wie CO2 -neutrale Containerterminals und Verkehrsleitsysteme zur Vermeidung von Staus.

Bequem ist dieser durch Kostenwahrheit befeuerte Wettbewerb nicht. Aber er bietet große Chancen, übrigens auch und gerade für uns Europäer und für Deutschland. Wir haben auf dem Gebiet der Umwelttechnologien einen starken Ehrgeiz, und wir haben schon einige stattliche Erfolge vorzuweisen. Das sollte uns Zuversicht geben.

Und noch etwas könnte Kostenwahrheit bewirken: Wir würden uns noch stärker darum bemühen, manche Transporte ganz und gar zu vermeiden. Wenn wir das nicht in erheblichem Maße schaffen - so haben es einige Redner auf dem Weltverkehrsforum 2008 betont - dann werden wir nicht verhindern können, dass der Bereich Transport und Verkehr immer mehr Treibhausgase ausstößt. Weniger Transportaufkommen bedeutet nicht zwingend, dass wir wirtschaftliche Abstriche machen müssen. Zum Beispiel wirkt sich die Bildung industrieller Cluster sehr positiv auf die Transportbilanz aus, weil sie kurze Wege bedeuten. Zugleich stiften diese Cluster auch Kreativität und bessere Zusammenarbeit zwischen den Betrieben, und das schafft zusätzlichen Wohlstand. Diese Erfahrung haben wir Deutsche in vielen Regionen gemacht, auch und gerade hier um Leipzig herum.

Auch die Wiederentdeckung regionaler Wirtschaftskreisläufe kann dazu beitragen, Transporte zu verringern. Wir müssen uns auch die Frage stellen, ob nicht in manchen Bereichen die internationale Arbeitsteilung zu weit gegangen ist. Ich halte es aus Umweltsicht schlicht für mangelhafte Logistik, wenn heutzutage Milch und einfache Milchprodukte in Deutschland und Europa zwischen Erzeugerstandorten hin- und hergefahren werden. Ich halte es für fragwürdig, wenn wir Ferkel von Deutschland in andere europäische Länder und weit darüber hinaus transportieren, um sie Monate später als Schinken nach Deutschland zurückzubringen. Ich denke, die Landwirtschaft ist ein Bereich von vielen, in denen darüber nachzudenken ist, wie man die Erzeugnisse in der eigenen Region erzeugen und vermarkten und dadurch lange Transportketten reduzieren kann. Das vermeidet unnötige Transporte, es schont, um im Beispiel zu bleiben, auch unsere Mitgeschöpfe, die Tiere, es fördert die Ernährungssicherheit und es erhält bäuerlich geprägte Kulturlandschaften und Arbeitsplätze.

Wichtig ist, das sektorale Denken aufzugeben - hinsichtlich einzelner Verkehrsträger, einzelner Wirtschaftsbereiche, einzelner Nationen und einzelner Kontinente. Alles muss ineinander greifen. Wir sind längst global zusammengewachsen. Nun brauchen wir dafür auch die entsprechende internationale Mobilitätspolitik und Mobilitätsstrategie.

Das Thema der Expo 2010 lautet: "Better city - better life". Ich finde, es ist ein gutes Motto. Im Jahr 2050 werden laut Schätzung der Vereinten Nationen weltweit sieben von zehn Menschen in Städten leben, also rund sechseinhalb Milliarden Menschen.

Dieses Leben in der Stadt kann Fluch sein oder Segen - je nachdem, wie wir es organisieren. Die Probleme liegen auf der Hand: Die Luft wird verschmutzt, Lärm belästigt die Menschen oft noch in der Nacht, es entstehen riesige Müllberge. Und es gibt täglich Staus, die bis zum Stillstand des städtischen Lebens führen können und eine einzige Verschwendung bedeuten. Das ist die Realität schon heute, in einigen der Megastädte.

Doch Stadtleben kann auch ganz anders aussehen. Gerade Städte bieten eine Chance. Sie sind Keimzellen für innovative Ideen und technologischen Fortschritt. Dadurch, dass die Menschen eng beieinander leben, lässt sich vieles effizienter organisieren und die Umwelt schonen. Gibt es eine interessantere Herausforderung für Logistikunternehmen, als sich an dieser Transformation zu beteiligen? Wer kluge Ideen hat, wie die Versorgung und die Mobilität von Millionen Menschen auf dichtem Raum organisiert werden können, wer zeigt, wie ein Lebensstil aussehen kann, der mit den Bedürfnissen des Menschen und der Umwelt in Einklang steht, der kann nicht nur eine Vorreiterrolle einnehmen, er wird auch Arbeit und Einkommen gewinnen, mehr und besser als andere.

Im deutschen Pavillon auf der Expo heißt diese Stadt "balancity" - die Stadt im Gleichgewicht. Gemeint ist das Gleichgewicht zwischen Innovation und Tradition, zwischen Gemeinschaft und Individuum, zwischen Stadt und Natur, zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Globalisierung und regionaler Identität.

Wer solche Städte will, muss mit der Planung und den Veränderungen jetzt beginnen. Investitionen, die wir heute tätigen, werden erst in ein paar Jahren ihre volle Wirkung entfalten und dann noch Jahrzehnte nachwirken. Ideen gibt es viele, auch wenn einige noch futuristisch klingen, wie die des Wissenschaftlers Michael Braungart. Seine Vorstellung einer vorbildlichen Siedlung sieht so aus: Die Häuser bestehen aus Materialien, die die Luft reinigen und sauberes Wasser produzieren. Das ist technologisch heute schon möglich. Auf den Dächern gibt es Wiesen und Felder mit vielen Tier- und Pflanzenarten. Oder die von J. H. Crawford, der unterirdische Versorgungssysteme beschreibt, die Waren ebenso wie Menschenströme schnell und zuverlässig transportieren können. Es gibt noch mehr solcher Utopien. Ich finde, wir müssen uns damit befassen, besser früher als später.

Weniger utopisch, zum Teil schon umgesetzt, ist die Stadt der kurzen Wege. Die Stadt wird so geplant, dass Wohnung, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindergärten und Arbeitsplatz nah beieinander liegen. Dadurch lässt sich Vieles zu Fuß erledigen. Und noch ein deutscher Mobilitätspionier kommt dort zur Geltung: Karl von Drais, der das Fahrrad erfunden hat und übrigens auch einen mit Muskelkraft angetriebenen Wagen, der ohne Pferde auskam und sich als besonders wertvoll erwies, als ein anderer Vulkanausbruch unserem Land ein Jahr ohne Sommer - und ohne Hafer! - bescherte.

Aber selbst in der Stadt der kurzen Wege braucht Mobilität Unterstützung, vor allem durch einen guten Öffentlichen Personennahverkehr. Das haben wir in vielen Städten noch nicht erreicht - auch das ist eine Herausforderung für die Logistikbranche.

Dabei geht es nicht allein um Bus und Bahn. Öffentlicher Personennahverkehr hat viele Gesichter. Erst jüngst habe ich von der Idee eines Unternehmens erfahren, das die Leerzeiten von Taxis aufkaufen will. Davon gibt es anscheinend enorm viel. Kundinnen und Kunden erwerben eine Mobilitätsflatrate. Für den Preis einer normalen Monatskarte, so verspricht das derzeitige Geschäftsmodell, können sie innerhalb einer Stadt unbegrenzt mit dem Taxi fahren. Es gibt nur wenige Einschränkungen, zum Beispiel müssen sie weitere Fahrgäste im Taxi akzeptieren - das fördert die Kommunikation! - und dadurch begrenzte Umwege in Kauf nehmen. In einigen Monaten soll der erste Versuch in Süddeutschland anlaufen.

Ein anderes vielversprechendes Projekt wird in der Stadt Ulm bereits ausprobiert. Ein Autohersteller hat in der Stadt 200 Kleinwagen verteilt. Die Kunden bekommen ein elektronisches Siegel auf ihren Führerschein, das sie nur an die Autotür halten müssen, schon können sie den Wagen benutzen. Und wenn sie ihn nicht mehr brauchen, stellen sie ihn einfach ab. Die Abrechnung erfolgt minutengenau.

Die entsprechende Nachfrage ist jedenfalls da, denn bei den Bürgern hat das kreative Umdenken längst begonnen. Die Bürger denken mit, sie suchen nach Lösungen, da ist etwas in Bewegung. Vor allem bei jungen Menschen in den Städten. Ich habe Jugendliche getroffen - noch nicht die Mehrheit, das muss ich zugeben - , die nicht mal mehr einen Führerschein machen wollen und große Limousinen oder Geländewagen nicht als Statussymbol, sondern als gestrig empfinden.

Und viele, die ähnlich denken, suchen gemeinsam nach Lösungen, zum Beispiel in der Transition Towns Initiative. Von London bis Sydney, von Austin bis Göttingen haben sich Menschen einer Gemeinde zusammen getan, die das gleiche Anliegen haben: Wie können wir selbst unsere Stadt so organisieren, dass sie ressourcenschonend, klimafreundlich und lebenswert ist? Die Initiative nutzt das Wissen, die Ideen und die Kreativität eines jeden auf der Suche nach Fortschritt, nach einem besseren Leben. Ich finde, das ist eine wunderbare Verbindung von bürgerschaftlichem Engagement und weltweiter Vernetzung. In vielen Städten auf der Welt machen sich die Menschen so auf den Weg, finden Gemeinschaft und begeistern sich für die Idee, ein lebenswerteres, zukunftsfähiges Modell für ihre Stadt zu finden.

Als die Aschewolke über Europa den Flugverkehr lahmgelegt hat, hat manch einer auch von guten Erlebnissen berichtet. Die eine konnte nicht zu ihrem Kongress fliegen, hat stattdessen den Vortrag per Videokonferenz gehalten und sich gefreut über die gewonnene Zeit, die sie im Büro oder mit ihrer Familie verbringen konnte. Der andere hat sich zum geschäftlichen Meeting per Telefonkonferenz dazuschalten lassen und ist danach joggen gegangen. Und wieder eine andere war in Wahrheit erleichtert, dass die anstrengende Urlaubsfernreise ausfiel, und hat sich im Umland erholt, hat die nähere Umgebung wiederentdeckt.

Streifen wir also alte Seh- und Denkgewohnheiten ab, versuchen wir sie zumindest zu hinterfragen. Suchen wir gemeinsam nach neuen Wegen hin zu einer Mobilität, die kein Privileg für hier und heute ist, sondern die für alle möglich bleibt - auch in Zukunft. Eine Mobilität, für die Politiker gute Rahmenbedingungen setzen und Unternehmer mit Ehrgeiz und Verantwortungsgefühl neue Lösungen anbieten, eine Mobilität, die alle Nutzer mitgestalten, eine Mobilität, die Menschen und Nationen in aller Welt einander umweltschonend näher bringt.