Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 25. Juni 2013

Untertitel: Am 25. Juni hat Bundespräsident Joachim Gauck ein Staatsbankett zu Ehren des Präsidenten der Republik Island, Ólafur Ragnar Grímsson, gegeben. Bei seiner Tischrede sagte er: "Gemessen an den ausgezeichneten Beziehungen unserer beiden Länder liegen die letzten Staatsbesuche eigentlich schon viel zu lange zurück. Umso glücklicher schätzen wir uns, dass Sie Deutschland auch zu anderen Gelegenheiten besuchen und so der partnerschaftlichen Verbundenheit unserer beiden Länder Ausdruck verleihen."
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2013/06/130625-Staatsbankett-Island.html


Ich freue mich, mit Ihnen heute Abend das Staatsoberhaupt eines Landes begrüßen zu können, welches, obwohl es so weit entfernt liegt, uns im Herzen und Geiste doch so nah ist.

Gemessen an den ausgezeichneten Beziehungen unserer beiden Länder liegen die letzten Staatsbesuche, der von Präsidentin Vigdís Finnbogadóttir im Juli 1988 in Deutschland und der von Bundespräsident Johannes Rau in Island im Juli 2003, eigentlich schon viel zu lange zurück. Umso glücklicher schätzen wir uns, dass Sie, Exzellenz, Deutschland auch zu anderen Gelegenheiten besuchen und so der partnerschaftlichen Verbundenheit unserer beiden Länder Ausdruck verleihen.

Ich freue mich, dass Sie während Ihres Staatsbesuchs nicht nur Berlin, sondern auch die zwei Bundesländer Bremen und Sachsen besuchen werden in meinen Augen eine sehr gelungene Mischung. Zu Bremen unterhält Island fast tausend Jahre alte Beziehungen. Adalbert, der Bischof von Bremen, entsandte und weihte 1056 Ísleifur Gíssurarson zum ersten isländischen Bischof. Mit Leipzig besuchen Sie eine bedeutende Stadt in den neuen Bundesländern, die sich nicht nur mit ihrer Buchmesse einen Namen gemacht hat. Leipzig hat auch eine große musikalische Tradition. Aber vor allem spielte Leipzig 1989 bei der friedlichen Revolution in der DDR eine zentrale Rolle.

Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen unserer beiden Länder reichen über Jahrhunderte, unsere Kulturbeziehungen sogar über tausend Jahre zurück. Es ist bei weitem nicht nur der Dreiklang von "Kirche Kaufmann Kabeljau", der das Miteinander unserer Länder in der Geschichte geprägt hat. Aber am Anfang waren es tatsächlich vor allem diese drei Elemente, die Island und Deutschland miteinander verbanden. Im Zuge der Christianisierung kamen junge Männer aus Island zum Theologiestudium nach Herford und Magdeburg. Die ersten Bischöfe Islands erhielten ihre theologische Ausbildung und ihre Weihen im Bistum Bremen. Hansische Kaufleute ließen sich in Hafnarfjörður nieder. Von Anfang an bewegte der Handel zwischen Island und Deutschland nicht nur Waren, sondern auch Ideen: So brachte die 1412 gegründete Hamburger St. -Annen-Bruderschaft der Islandfahrer den Kabeljau und die ersten Isländersagas an die Elbe. Und später trugen die Schiffe der Hanse die neue Lehre Luthers und das Gedankengut der Reformation über den Nordatlantik nach Island.

Die Suche nach ihren eigenen kulturellen Wurzeln führte viele Deutsche Anfang des 19. Jahrhunderts nach Island. Die kräftige Sprache und die reiche Literatur der Insel die Sagas und die Edda begeisterten deutsche Germanisten ebenso wie den Tondichter Richard Wagner, dessen 200. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern. Ohne deutsche Übersetzungen der Edda wäre sein Hauptwerk, der Ring der Nibelungen, wahrscheinlich nie entstanden.

Lassen Sie mich heute aber auch dankbar daran erinnern, wie uns die Isländer in Zeiten der Not halfen. Nach dem Krieg, als Deutschland in Schutt und Asche lag, spendeten sie großzügig Fisch und Lebertran. So manchen Deutschen meiner Generation hat isländische Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft vor Hunger und Mangelkrankheiten bewahrt. Wir werden das in Deutschland nicht vergessen.

Viele meiner Landsleute schätzen Island außerordentlich. Die Zahl deutscher Touristen in Island steigt von Jahr zu Jahr. Eine der größten Vulkaninseln der Welt fasziniert uns mit ihren Gletschern und Fjorden, Sagas und Mythen.

Aber es sind nicht nur die Natur und die Sagen, die den guten Ruf Islands in Deutschland prägen. Die hohe Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und eine der höchsten Geburtenraten in Europa sind beeindruckende Belege einer innovativen Familien- und Gleichstellungspolitik. Mit gutem Beispiel gehen Sie auch beim Einsatz für den Schutz der Umwelt und des Klimas voran.

Dass Island auch in praktisch allen anderen Bereichen der Gegenwartskultur, vor allem in der klassischen Musik, einer vibrierenden Popszene wie auch in der bildenden Kunst Spitzenleistungen erbringt und weltweit bekannt ist, darf hier nicht unerwähnt bleiben.

Einen der herausragenden Exponenten der isländischen Gegenwartskultur, Ólafur Elíasson, möchte ich hier ganz besonders hervorheben. Ólafur Elíasson gehört zur ersten Garde der europäischen Künstler soeben ausgezeichnet mit dem Mies van der Rohe-Preis der Europäischen Union. Dazu gratuliere ich ganz herzlich. Wir sind stolz, dass er Berlin als Lebensmittelpunkt gewählt hat. Dass Sie, verehrter Herr Präsident, sein Studio für den informellen Auftakt Ihres Deutschlandbesuchs gewählt haben, zeigt, dass Sie ihn ebenso schätzen.

Ihr Land wurde von der Finanzkrise schon zu einem frühen Zeitpunkt im Jahre 2008 ganz besonders hart betroffen. Island wurde von einem Finanz-Tsunami ohne Beispiel heimgesucht, mit katastrophalen Folgen für die Wirtschaft und entsprechend großen Belastungen für die Isländer. Dass Island vergleichsweise schnell mit mutigen Sanierungsschritten einen Ausweg aus der Krise gefunden hat, hat international Anerkennung gefunden und nötigt uns großen Respekt ab.

Mit dem Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union hat Island 2009 eine weitere beachtliche Konsequenz aus der Krise gezogen. Sie wissen, dass Deutschland den Beitritt Islands zur EU von Anfang an nachdrücklich unterstützt hat. Der Deutsche Bundestag hat dies in einer Entschließung unterstrichen. Natürlich wissen wir aber auch, dass die Haltung der Isländer zum EU-Beitritt geteilt ist und dass nun eine Entscheidung über den Fortgang der Verhandlungen ansteht. Ich möchte den heutigen Abend nicht verstreichen lassen, ohne Ihnen zu sagen: Wir würden uns sehr freuen, Island als Teil der Europäischen Union begrüßen zu dürfen. Klar ist aber auch: Wie immer sich die neue Regierung Ihres Landes entscheidet, wir werden unsere Zusammenarbeit mit Island, sei es in der Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union oder der Fortsetzung der Zusammenarbeit im bestehenden Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums, konstruktiv fortsetzen.

Sehr geehrter Herr Präsident, wir Deutschen kommen leicht ins Schwärmen, wenn wir an Island denken. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass das gegenseitige Interesse und der Austausch, vor allem auch unter jungen Leuten, in den kommenden Jahren weiter wachsen.

Ich bitte Sie, mit mir das Glas zu erheben auf das persönliche Wohlergehen Seiner Exzellenz, Herrn Dr. Ólafur Ragnar Grímsson, von Frau Dorrit Moussaieff und auf die deutsch-isländische Freundschaft!