Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 26. März 2014

Untertitel: Bundespräsident Joachim Gauck hat am 26. März anlässlich des Staatsbesuchs der koreanischen Präsidentin Park Geun-hye eine Rede gehalten: "Wir Deutsche haben großen Respekt davor, wie es Ihrem Land gelungen ist, sich in wenigen Jahrzehnten vom Agrar- zum Hochtechnologie-Land zu wandeln, die Bevölkerung aus der Armut zu holen und eine freiheitliche Demokratie aufzubauen."
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2014/03/140326-Staatspraesidentin-Park-Korea.html


Ihnen Frau Präsidentin, ein herzliches Willkommen in Schloss Bellevue hier in Berlin. Ihnen und Ihrer Delegation ein ganz herzliches willkommen in Deutschland!

Zwischen unseren beiden Hauptstädten liegen mehr als 8.000 Flugkilometer und doch kommt es mir vor, als käme mit Ihnen, Exzellenz, eine Nachbarin zu Besuch.

Wenn wir einander unsere Geschichten erzählen, dann erkennen wir vieles wieder: die Erfahrung der Zerstörung nach einem langen Krieg, das Schicksal der Teilung, großes Leid, das damit einherging und in Korea weiterhin andauert. Ich fühle mit, wenn ich wie gerade vor einigen Wochen Bilder sehe von einem der seltenen Familientreffen, der Freude und den Tränen in den Gesichtern der Angehörigen, die einander seit Jahrzehnten nicht begegnen durften.

Unsere Länder teilen aber auch Erfahrungen, die uns froh und stark machen: das Gelingen von Wiederaufbau, Demokratisierung und wirtschaftlichem Aufschwung. Wir sind uns einig in der Wertschätzung von Bildung und Innovationsfreude, denn wir wissen, dass unser Wohlstand nicht im Rohstoffreichtum gründet, sondern von tatkräftigen, qualifizierten und motivierten Menschen erarbeitet wird. Wir Deutsche vergessen auch nicht, dass tausende koreanischer Bergleute und Krankenschwestern zum westdeutschen Wirtschaftswunder einst beigetragen haben und ihrerseits die Chance bekamen, Armut und Arbeitslosigkeit daheim zu entfliehen. Sie und ihre Nachkommen gehören inzwischen selbstverständlich zu Deutschland, so wie die vielen, die später kamen. Einige sind heute unter uns! Ich begrüße Sie ganz besonders. Andere Verbindungen sind mit der Globalisierung gewachsen: zwischen Unternehmen oder zwischen Forschungseinrichtungen oder auch zwischen den Jugendlichen unserer Länder.

Wir Deutsche haben großen Respekt davor, wie es Ihrem Land gelungen ist, sich in wenigen Jahrzehnten vom Agrar- zum Hochtechnologie-Land zu wandeln, die Bevölkerung aus der Armut zu holen und vor allem eine freiheitliche Demokratie aufzubauen. Es ist gut, dass Sie diese Erfahrungen in Ihrer Region und in die internationale Zusammenarbeit einbringen. Und es lohnt sich für unsere Länder, genau aufeinander zu sehen und voneinander zu lernen. Denn Südkorea und Deutschland stehen heute vor vielen ähnlichen Herausforderungen.

Nicht alles steht in unserer Macht. Der jüngste UN-Bericht zur Menschenrechtslage in Nordkorea dokumentiert die unvorstellbare Grausamkeit in den zahlreichen so genannten "Straf- und Umerziehungslagern", dort in Nordkorea. Ich selbst habe noch die erschütternden Worte von Shin Dong-hyuk im Ohr, einem ehemaligen Inhaftierten eines solchen Lagers, dem ich Anfang vergangenen Jahres in Genf bei meiner Menschenrechtsreise begegnet bin.

Trotz aller Provokationen von nordkoreanischer Seite zeigen Sie in Südkorea beharrlich Dialogbereitschaft wir sehen das mit Hochachtung. So schwierig die gegenwärtige Situation auch sein mag: Ich hoffe, wir können durch unseren fortlaufenden Gedankenaustausch auch zu Fragen der Wiedervereinigung einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass Ihr Land auf eine mögliche Annäherung, wenn sie denn kommt, gut vorbereitet ist. Wie heißt es in einer koreanischen Weisheit? "Der Anfang ist die Hälfte des Weges."

Ich bitte Sie nun, mit mir das Glas zu erheben auf die Gesundheit von Staatspräsidentin Park und auf die Freundschaft zwischen Korea und Deutschland.