Redner(in): Joachim Gauck
Datum: 2. April 2014
Untertitel: Bundespräsident Joachim Gauck hat bei einem Mittagessen mit der Genfer Kantonsregierung am 2. April während seines offiziellen Besuchs in der Schweiz einen Toast gehalten: "Je öfter ich Menschenrechtsaktivisten und Opfern von Menschenrechtsverstößen begegnet bin, desto stärker habe ich gespürt: Beide Gruppen und auch die internationalen Organisationen brauchen zur Durchsetzung der Menschenrechte deutlich mehr öffentliche Unterstützung als bisher."
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2014/04/140402-Toast-ME-Genf-Schweiz.html
Bonjour et merci bien. Je suis heureux d ' être parmi vous!
Erlauben Sie mir bitte, auf Deutsch fortzusetzen. Auf den Straßen Ihrer Stadt hört man ja auch weit mehr als eine Sprache. Genf ist für mich unvergleichlich nicht riesig und doch eine Metropole, typisch europäisch und zugleich eine Weltstadt. Und all das vor einer imposanten landschaftlichen Kulisse, die den Kanton so anziehend macht.
Nun bin ich als Bundespräsident schon zum zweiten Mal in Genf und erst heute mache ich Ihnen, der Regierung von Republik und Kanton Genf, meine Aufwartung. Ich danke Ihnen, dass Sie mir das nachsehen, und Daniela Schadt, meine Delegation und mich hier so freundschaftlich empfangen. Der Grund für diese ungewöhnliche Reihenfolge dürfte Ihnen nur allzu vertraut sein: Genf das Tor der Schweiz zur Welt ist Ziel zahlloser Staatsmänner und -frauen, die sich bei ihren Besuchen allzu häufig auf die internationalen Konferenzzentren beschränken, vielleicht beschränken müssen. Das ist ein Fehler, wie ich bei der Fahrt zu diesem wunderbaren Gebäude der Fondation Zoubov, in dem Sie mich begrüßen, bereits gemerkt habe.
Ich freue mich, dass ich heute Nachmittag noch Gelegenheit haben werde, mehr von der Genfer Altstadt zu sehen. Mein Rundgang wird mich vor allem an verschiedene Wirkungsstätten des großen Reformators Calvin führen: in die Kathedrale St. Pierre, zu Calvins Auditorium und ins Reformationsmuseum, in dem die Geschichte der Reformation und ihre Folgen bis in die Gegenwart beleuchtet werden. In Deutschland bereiten wir uns in der Reformationsdekade auf das Jubiläumsjahr 2017 vor. Deshalb interessieren mich die Schwerpunkte, die hier in der Schweiz gesetzt werden, ganz besonders.
Genf hat meine eigene Agenda schon einmal sehr bereichert. Mein erster Besuch führte mich im Februar vergangenen Jahres zum Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Es war mein erstes Treffen mit Hochkommissarin Pillay und das erste Mal, dass ich in meiner Rolle als Bundespräsident so ausführlich mit Menschenrechtsverteidigern sprechen konnte. Das Thema hat mich seither immer wieder beschäftigt. Es wird mich zweifellos bis zum Ende meiner Amtszeit begleiten.
Je öfter ich Menschenrechtsaktivisten und Opfern von Menschenrechtsverstößen begegnet bin, desto stärker habe ich gespürt: Beide Gruppen und auch die internationalen Organisationen brauchen zur Durchsetzung der Menschenrechte deutlich mehr öffentliche Unterstützung als bisher. Im Bereich des Völkerrechts ist in den vergangenen Jahrzehnten viel erreicht, ja, erkämpft worden. Aber wenn der wichtige Schritt zur tatsächlichen Einhaltung der Verpflichtungen weltweit gelingen soll, dann wird das nur durch Aufmerksamkeit und Druck der Gesellschaft möglich sein. Ich glaube, Genf ist einer der geeignetsten Orte, um diesem Anliegen immer wieder Nachdruck zu verleihen. Hier konzentrieren sich Fachwissen und vor allem Gestaltungskraft.
Die Menschenrechte sind natürlich nur eines von vielen bedeutenden Themen, die hier in Genf international bearbeitet und vorangebracht werden. Da sind die Vereinten Nationen mit ihrem europäischen Hauptquartier im ehemaligen Völkerbundpalast, die Internationale Arbeitsorganisation, die Welthandelsorganisation, ebenso das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, eine Erfindung des Genfer Bürgers Henri Dunant. Auch der Lutherische Weltbund hat seinen Sitz in Genf. Und noch größer: der Ökumenische Rat der Kirchen. All das kennen Sie weit besser als ich. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Organisationen bieten Stadt und Kanton Genf hervorragende Lebens- und Arbeitsbedingungen sicher auch so manche Inspiration. Jenseits der politischen Bühne floriert ebenfalls so vieles: die Wirtschaft, die Kunst und Kultur, nicht zu vergessen der Tourismus. Ich glaube, die Kantonsregierung hat allen Grund, voller Stolz auf das Erreichte zu blicken.
Vielleicht kann ich im Anschluss noch erfahren, welche Aufgaben und Themen Sie beim Blick in die Zukunft sehen? Wohin soll und kann Genf sich weiterentwickeln?
Jetzt möchte ich Sie aber bitten, mit mir das Glas zu erheben auf diese faszinierende, dynamische Region der Schweiz, auf das Gute, das von hier den Weg in die Welt gefunden hat und findet. Und natürlich auf alle Weltbürgerinnen und Weltbürger, die sich in diesem Kanton zu Hause fühlen!