Redner(in): Johannes Rau
Datum: 17. Januar 2001

Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2001/01/20010117_Rede.html


Ich freue mich sehr darüber, dass Sie - die Initiatoren, Unterstützer und jugendlichen Teilnehmer an der Aktion FairLink - heute hier ins Schloss Bellevue zu Ihrer Auftaktveranstaltung gekommen sind.

Wenn junge Menschen aus allen Teilen unseres Landes sich für Toleranz und Fairplay im Internet und gegen die Verbreitung von fremdenfeindlichen, gewaltverherrlichenden und menschenverachtenden Netzinhalten engagieren, dann ist das eine gute Sache, die ich gerne unterstütze.

Sie haben heute eine erste Bestandsaufnahme gemacht und über die bundesweite Ausdehnung Ihrer Kampagne beraten. Ich freue mich über das Engagement, das aus dieser Tatsache deutlich wird.

II. Das Problem, mit dem wir es zu tun haben, ist gewiss nicht neu. Seit es das weltweite Datennetz gibt, finden wir dort auch Seiten, auf denen extremistisches, meist rechtsextremistisches, Gedankengut verbreitet wird. Das Internet ist dadurch auch ein Nährboden für politisch motivierte Gewalttaten gegen ausländische und jüdische Mitbürger, gegen Menschen anderer Hautfarbe, gegen Behinderte und Obdachlose.

Ganz besonders muss uns die rasante Entwicklung der Angebote Anlass zur Sorge geben, mit denen im Internet geistige Brandstiftung betrieben wird. Mich hat eine Zahl erschreckt, die im vergangenen Monat zu lesen war: Die Zahl der vom Verfassungsschutz erfassten rechtsextremen Internet-Angebote ist im Jahr 2000 sprunghaft angestiegen von 330 auf rd. 800. 1996 waren es erst 32. Das ist eine ganz schlimme Entwicklung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass rd. 90 % dieser Seiten aus den USA ins Internet eingestellt werden.

Diese Internetangebote enthalten

rassistische Bilddarstellungen und Musikangebote,

Propagandamaterial rechtsextremer Straftäter,

volksverhetzende Schriften,

geschichtsverfälschende Materialien über den Nationalsozialismus und den Mord an den europäischen Juden.

Sie enthalten:

nationalsozialistische Schriften und Kennzeichen,

Aufrufe zu Gewalt und sogar so genannte "Todeslisten" und

mittlerweile auch Anleitungen zum Bau von Bomben, was eine völlig neue gefährliche Entwicklung ist.

Kurzum: Es ist bedrückend, welche Inhalte von seriösen Internetanbietern weltweit verbreitet werden.

III. Dieser Entwicklung dürfen Staat und Gesellschaft nicht tatenlos zusehen. Hass und Niedertracht dürfen wir nicht hinnehmen, gleich ob sie gedruckt, analog oder digital verbreitet werden. Im weltweiten Datennetz darf es keinen Platz für Rassismus und Antisemitismus oder für andere menschenverachtende Gedanken geben.

Ich halte es für unbedingt notwendig, dass wir zum Schutz der Menschenwürde, der Menschenrechte und der Grundrechte einen Rahmen schaffen, der für die Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationstechniken Grenzen setzt. Hier sind der Staat und die Politik gefordert, aber auch alle Kräfte der Gesellschaft. Das gilt umso mehr, als gerade Kinder und Jugendliche einen besonderen Anspruch darauf haben, dass sie vor menschenverachtenden Internetangeboten in prägenden Entwicklungsphasen geschützt werden.

Junge Menschen nutzen besonders häufig das Internet. Für sie ist das weltweite Datennetz inzwischen ein elementarer Bestandteil ihrer Erlebnis- , Gestaltungs- und Informationswelt.

Ich begrüße es sehr, dass mit der Aktion FairLink die Jugendlichen an der Diskussion über den Umgang mit gefährlichen Inhalten im Internet beteiligt werden. Wir müssen zu Regelungen kommen, die einerseits die großartigen Möglichkeiten sichern, die uns das Internet bietet, zugleich aber dessen Missbrauch wirksam einen Riegel vorschieben. Eine der Möglichkeiten sind technische Sicherungen, wie etwa Filter, mit denen der Empfang bestimmter Netzinhalte verändert, aber auch wieder freigegeben werden kann.

Ganz besonders erwarte ich aber von den Internetanbietern, dass sie selber etwas gegen die Verbreitung extremistischer und menschenverachtender Netzinhalte tun. Hier ist eine freiwillige Selbstdisziplinierung notwendig. Diese Einsicht scheint sich langsam durchzusetzen. Vor einigen Wochen hat einer der großen Internet-Anbieter, das amerikanische Unternehmen Yahoo, bekannt gegeben, dass es jetzt auch auf seinen Seiten in den USA Verkaufsangebote von Nazi-Material und anderen gewaltverherrlichenden Objekten verbietet. Auf den Internetseiten von Yahoo in Deutschland und Frankreich gilt das Verbot schon länger.

Das sind Schritte in die richtige Richtung. Sie können gewiss auch dadurch gefördert werden, dass möglichst viele professionelle Internetnutzer sich verpflichten, nicht mit Internetanbietern zusammen zu arbeiten, die im Netz Botschaften von Hass und Gewalt verbreiten.

IV. Auch "FairLink" setzt vor allem bei den Nutzern des Internet an.

Ich finde es großartig, dass Sie die Öffentlichkeit über gefährliche Inhalte und Angebote im Internet informieren und erörtern wollen, wie besonders Jugendliche, aber auch Erwachsene das Internet kompetent und kritisch nutzen können. Dazu wollen Sie einen Verhaltenskodex für Toleranz und Fairplay im Internet erarbeiten. Ich danke den Verantwortlichen der Jugendinitiative STEP 21 dafür, dass sie mit der Aktion FairLink dieses überaus wichtige Thema aufgreifen.

Ich wünsche mir, dass möglichst viele junge Menschen in unserem Land bei FairLink mitmachen und dass es Ihnen gelingt, Aufmerksamkeit und Sensibilität in der Gesellschaft zu wecken. Dafür haben Sie meine Sympathie und meine Unterstützung.

Ich bin gespannt darauf, mit welchen Vorschlägen und Ergebnissen Sie im Frühjahr des kommenden Jahres wieder hierher, zu mir in das Schloss Bellevue, kommen werden.

Weiterführende Informationen unterhttp:/ / www.fairlink.de/