Redner(in): Johannes Rau
Datum: 26. Oktober 2003
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Johannes-Rau/Reden/2003/10/20031026_Rede2.html
Was kann man noch sagen, wenn Sokrates schon zitiert ist!
Ich nenne Friedrich Nietzsche. Der hat gesagt: "Ein Leben ohne Musik ist ein Irrtum." Ich glaube, er hat Recht.
Ich glaube, dass wir in einer Zeit, in der wir miteinander zu Recht diskutieren: Kommt Deutschland nach vorn, bleibt Deutschland vorn? In einer Zeit, in der wir PISA-Studien analysieren und bewerten, einen Fehler nicht machen dürfen: Zu glauben, der Mensch bestehe nur aus Kopf und Intellekt und technischer Fähigkeit.
Der Mensch ist mehr als nur Kopf und nur technische Fähigkeit. Darum ist Musik so wichtig. Darum bin ich für Musikunterricht in den Schulen, und zwar als Pflichtfach. Darum bin ich für eine bessere Ausbildung der Musiklehrer. Darum habe ich immer wieder zu diesem Thema geredet.
Ich selber habe nicht mehr Musik gemacht. Ich habe früher Geige gespielt bis zum Schulorchester, aber dann kam die Lärmschutzverordnung und alles war zu Ende.
Am 9. September 2003 habe ich aber über 1000 Kinder ins Schloss Bellevue gebeten, damit dort Musik gemacht wird - von RAP bis Sir Simon Rattle. Das hatte eine große, große Ausstrahlung, das hat ein großes Echo gehabt. Jetzt folgt auf das Echo der Echo. Das freut mich sehr. Den würde ich sehr gerne teilen: Mit den Coolen Streichern aus Hamburg oder mit "Kirchenmaus und Schweinehund" aus Dresden oder mit den "Katzen vom Bellevue" aus Beckum-Warendorf, die da alle gewesen sind und die mit Freude musiziert haben.
Wir leben in einer Zeit, in der sind Kürzungen unvermeidlich. Das hat viele Gründe, über die ich jetzt nicht sprechen kann. Ich halte es für richtig, dass gekürzt wird, wo das nötig ist. Aber ich sage auch: Kürzt bitte nicht zuerst und nicht allein bei Kultur, Musik und Kunst. Das wäre eine Fehlentscheidung.
Jetzt muss ich doch noch zu dieser schönen Halle gratulieren, weil ich zur Einweihung nicht kommen konnte und weil ich uns allen noch einen schönen besinnlichen und sinnlichen Abend wünsche.
Alles Gute auch denen, die uns zusehen. Sie sollen mitbekommen: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, der Mensch lebt auch nicht vom Kopf allein. Er braucht alle Sinne und allen Verstand.
Herzlichen Dank!