Redner(in): Stephan Steinlein
Datum: 03.03.2016

Untertitel: Rede von Staatssekretär Steinlein beim ersten Deutsch-Iranischen Wirtschaftsforums der NMI
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2016/160303_Rede_StS_Steinlein_DEU_IRN_Wirtschaftsforum.html


Die Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft ( NMI ) lud am 3. März 2016 zum 1. Deutsch-Iranische Wirtschaftsforum in das Haus der Deutschen Wirtschaft ein. Nach der Rede des neuen NMI-Vorsitzenden Prof. Dr. Siegfried Russwurm würdigte Staatssekretär Stephan Steinlein als Vertreter der Bundesregierung in Anwesenheit des iranischen Energieministers, zahlreicher Verbandsvertreter und von mehr als 300 Repräsentanten deutscher und iranischer Unternehmen die historische 3-Einigung mit dem Iran und die dadurch bereits ermöglichte Aufhebung eines Großteils der internationalen Sanktionen gegen das Land.

Sehr geehrter Herr Minister Chitchian,

sehr geehrter Herr Botschafter Majedi,

sehr geehrter Herr Professor Russwurm,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

das Jahr 2016 war bisher nicht eben reich an positiven Nachrichten. Dies gilt für die Politik und das gilt auch für die Wirtschaft. Von der dramatischen Zuspitzung der Lage in Syrien über die ungelöste Flüchtlingskrise bis hin zum weltweiten Einbruch der Rohstoffpreise und der Börsenkurse sehen wir uns auf vielen Ebenen zugleich mit krisenhaften Zuspitzungen konfrontiert.

Ein deutlicher Lichtblick ist jedoch die Erreichung des "Completion Point" der E3 -Vereinbarungen mit dem Iran. Durch die Erfüllung der mit dem historischen Abkommen vom 14. Juli 2015 eingegangen Verpflichtungen hat Ihr Land, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Botschafter, in doppelter Hinsicht eine positive Richtungsentscheidung getroffen: Die weitgehende Aufhebung der internationalen Sanktionen mit dem Implementation Day am 16. Januar öffnet nicht nur den Weg für eine enge Zusammenarbeit bei der Lösung der Konflikte in der Region, sondern auch für eine Ära dynamischer Wirtschaftsentwicklung und wachsenden Wohlstands für die Bürger Irans.

Die Wahlen am Wochenende lesen wir als eine Bestätigung des Abkommens vom Juli 2015. Das Nuklearabkommen und die Frage, was es für die Zukunft Irans bedeutet, waren der bestimmende Faktor in der innenpolitischen Auseinandersetzung im Iran in den letzten Monaten und im Wahlkampf. Aus den Wahlen ging das starke Signal hervor, dass Iran seine Potentiale besser nutzen möge. Die Kräfte, die diesen historischen Schritt gehen wollten, gehen gestärkt aus den Wahlen hervor.

Deutschland zählt traditionell zu Irans wichtigsten Handels- und Investitionspartnern. Das bilaterale Handelsvolumen erreichte 2005 mit 4,8 Mrd. € einen Spitzenwert. Deutsche Firmen ließen über Jahrzehnte Fahrzeuge, Motoren und Maschinen in Iran fertigen. Ein Großteil der industriellen Infrastruktur stammt aus deutscher Produktion. Tausende iranischer Fachleute der unterschiedlichsten Branchen wurden in Deutschland ausgebildet. Sie wissen deutsche Spitzentechnik und deutsche Verläss-lichkeit zu schätzen. Kurzum: Deutsche Firmen blicken auf eine erfolgreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Iran zurück. An diese Tradition gilt es nun anzuknüpfen.

Die Voraussetzungen hierfür sind gut. Irans Volkswirtschaft ist die zweitgrößte der MENA-Region. Mit 77 Mio. Einwohnern erwirtschaftete das Land 2014/15 ein BIP von circa 416 Mrd. Dollar. Der Erdölsektor schlägt nur mit ca. 15 Prozent zu Buche: Das ist unter den heutigen Marktverhältnissen durchaus ein Vorteil. Die iranische Wirtschaft ist von der Ernährungswirtschaft bis zum IT-Bereich breit und auf solider Basis aufgestellt. So eröffnen sich für deutsche Unternehmen und ihre iranischen Partner ungeahnte Perspektiven.

Welches Potential in unseren bilateralen Wirtschaftsbeziehungen steckt, zeigt ein zahlenmäßiger Vergleich mit der Türkei: Bei gleicher Bevölkerungszahl und ähnlichem Entwicklungsstand erwirtschaftet die Türkei fast das doppelte BNE und der deutsch-türkische Handel erreicht fast das zehnfache Volumen. Um diese Potential auch auszuschöpfen, muss Iran freilich die von Präsident Rohani geplanten wirtschaftlichen Reformen zügig umsetzen. Nach ersten Fortschritten bei der Privatisierung gilt es nun, den Einfluss des Staates und para-staatlicher Interessengruppen zu reduzieren, Bürokratie abzubauen, Transparenz sicherzu-stellen und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Unsere Unternehmen müssen ihrerseits die historische Chance nutzen, auf einem der aussichtsreichsten Märkte des nächsten Jahrzehnts wieder eine führende Stellung einzunehmen. Sie können sich dabei der Unterstützung durch die Bundesregierung gewiss sein. Bereits bei den Verhandlungen zum Nuklearabkommen hat Deutschland eine aktive Rolle gespielt. Seither haben nicht nur die Bundesminister Steinmeier und Gabriel sowie hochrangige Vertreter anderer Bundesressorts den Iran besucht. Häufig wurden sie dabei von Wirtschaftsdelegationen begleitet, die vor Ort wertvolle Kontakte knüpfen konnten.

Anfang Mai wird unter Vorsitz von Bundesminister Sigmar Gabriel und unter Beteiligung einer dreistelligen Anzahl von Unternehmern erstmals nach fünfzehn Jahren wieder die Deutsch-Iranische Gemischte Wirtschaftskommission zusammentreten.

Sehr geehrter Herr Professor Russwurm,

Vor wenigen Wochen erst haben Sie den Vorsitz der Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft übernommen. Mit der Initiative zu dem heutigen Business Forum haben Sie die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen sogleich zur Chefsache gemacht. Hierfür danke ich Ihnen herzlich. Ich bin sicher, dass die NMI-Verbände und Sie persönlich in Zukunft dieses Engagement fortsetzen werden.

Wenn Iran wie ich selbst und sicher aller hier Anwesenden zuversichtlich hoffen den mit der Implemen-tierung des historischen Abkommens vom Juli 2015 eingeschlagenen Kurs entschlossen fortsetzt, mag die heutige Veranstaltung in einigen Jahren rückblickend als Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen Blütezeit der deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen erscheinen.

Ihnen allen, mein Damen und Herrn, wünsche ich beim Deutsch-iranischen Wirtschaftsforum anregende Gespräche und natürlich viel Erfolg auf einem der chancenreichsten Märkte unserer Zeit!

Vielen Dank!