Redner(in): Cornelia Pieper
Datum: 16.09.2011

Untertitel: Staatsministerin Cornelia Pieper anlässlich der Verleihung des Deutsch-Polnischen Preises
Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2011/110916-StM_Pieper_D_POL_Preis.html


Laudatio von Staatsministerin Cornelia Pieper anlässlich der Verleihung des Deutsch-Polnischen Preises an Jerzy Buzek und Hans-Gert Pöttering, Warschau, 16. September 2011

Sehr geehrter Herr Außenminister Sikorski,

Verehrter Herr Präsident des Europäischen Parlaments Jerzy Buzek,

Verehrter Herr ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments Hans-Gert Pöttering,

Sehr geehrte anwesende Angehörige und Freunde der Preisträger,

Sehr geehrter Herr Minister, lieber Wladislaw Bartoszewski,

Liebe Kollegin Grazyna Bernatowicz, Lieber Professor Hornhues,

Meine Damen und Herren,

Szanowni Panstwo,

es ist mir eine große Freude, dass der Deutsch-Polnische Preis, der für besondere Verdienste um die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen verliehen wird, heute vergeben wird. Es war dieses Jahr nicht so einfach, uns alle zu dieser Feierlichkeit an einem Ort zu versammeln, aber, wenn ich in die Runde bekannter Gesichter von Polen-und Deutschlandkennern schaue, denke ich, das lange Warten hat sich gelohnt.

Für die Vorbereitung des heutigen Tages möchte ich allen daran Beteiligten in Warschau und Berlin danken. Allen voran gilt mein besonders herzlicher Dank den beiden Vorsitzenden des deutsch-polnischen Preiskomitees, Minister Bartoszewski und Professor Hornhues, die sich, so kann man es fast sagen, die deutsch-polnischen Beziehungen und damit auch den Deutsch-Polnischen Preis zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben. Zu einer lohnenden, wie ich finde.

Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an die beiden Preisträger des Deutsch-Polnischen Preises des Jahres 2010, den amtierenden Präsidenten des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek und seinen Vorgänger in diesem Amt und jetzigen Präsidenten der Konrad-Adenauer Stiftung, Dr. Hans-Gert Pöttering. Meine Herren, haben Sie vielen Dank, dass Sie trotz Ihrer dicht gefüllten Terminkalender sich bei der schwierigen Terminfindung in so großer Geduld geübt haben. Dies zeichnet echte Preisträger und echte Europäer aus!

2011 ist ein besonderes Jahr für Deutschland und Polen. Nicht nur haben wir im Juni diesen Jahres das 20. Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages in Warschau erstmals mit einer gemeinsamen Kabinettsitzung begangen und dabei zukunftsgewandt eine gemeinsame politische Erklärung und ein fast 100 Vorhaben umfassendes Programm der Zusammenarbeit verabschiedet, sondern Polen hat zudem ab der zweiten Jahreshälfte den Vorsitz der EU-Präsidentschaft übernommen in herausfordernden Zeiten für Europa und seine Bürger. Wir feiern in diesem Jahr auch 20 Jahre Deutsch-Polnisches Jugendwerk, aber eben auch 20 Jahre Weimarer Dreieck. Das sogenannte "Weimarer Dreieck", also die trinationale Zusammenarbeit zwischen Frankreich, Deutschland und Polen beruht nicht allein auf enger politischer Zusammenarbeit, sondern auch auf zivilgesellschaftlichem Austausch und Begegnungen zwischen den Menschen. Darum wollen wir wollen das 20jährige Jubiläum nutzen, um die Möglichkeiten des Weimarer Dreiecks hierfür verstärkt auszuschöpfen. Eine "Kulturagenda Weimarer Dreieck" soll die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Jugend und Bildung verstärken und Trilaterale Jugendbegegnungen, gemeinsame Musikprojekte und Konzertveranstaltungen, einen trinationalen Mediendialog, und eine Verstetigung des trinationalen Filmfestivals, wie wir es in diesem Jahr ab dem 1. November in Cottbus erleben, umfassen. Auch in diesem Zusammenhang ist mir vor allem die junge Generation ganz wichtig, für die es ein gemeinsames europäisches Bewußtseins und europäisches Lebensgefühl zu schaffen gilt daher schlage ich auch ein "deutsch-französisch-polnisches Europalehrbuch" vor als Ergänzung zu dem bestehenden deutsch-französischen und dem geplanten deutsch-polnischen Geschichtsbuch vor. Denn das Bewusstsein und die Bereitschaft junger Menschen für den europäischen Gedanken und die verbindenden gesellschaftspolitischen und kulturellen Elemente sind das Kapital für die Zukunft. Die Jungen sind es, die das Zusammenleben in Europa und seine Visionen gestalten werden.

Dank all dieser Ereignisse ist diese Preisverleihung zugleich eine willkommene Gelegenheit, uns gemeinsam vor Augen zu führen, wo Deutschland und Polen heute stehen."Unsere Beziehungen waren noch nie so gut wie heute" haben Sie Herr Minister Sikorski bei einem Treffen mit dem deutschen Außenminister gesagt. Wir wollen die Beziehungen aber auch bewahren und weiter ausbauen. Erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung: Polen hat früh, schon zu meinen Studienzeiten, eine Faszination auf mich ausgeübt, die mich auch nun in meiner beruflichen Funktion als Koordinatorin für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit nicht mehr los lässt und mein Herz für die deutsch-polnischen Beziehungen schlagen lässt.

Vielen von Ihnen wird es ähnlich ergehen. Auf Jerzy Buzek übt, wenn man seinen Lebenslauf liest, der Gedanke der Freiheit, verwirklicht in und durch Europa, eine große Faszination aus. Ihm hat er sich verpflichtet. Geboren mitten im Krieg in Smilowitz, schloss er sein Studium 1963 an der Schlesischen Technischen Universität von Gleiwitz als Ingenieur für Chemie ab und widmete sich zunächst der wissenschaftlichen Tätigkeit als Professor für Technische Wissenschaften an der Universität von Oppeln. Die Ehrendoktorwürden der Universitäten von Seoul und Dortmund folgten später. Zudem ist Jerzy Buzek Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften und war Vertreter Polens in der Internationalen Energieagentur. Sein politisches Credo fand er früh. Die Entstehung der Gewerkschaft "Solidarnosc" nach der Streikwelle im Sommer 1980 trieb ihn, wie Millionen seiner Landsleute, an, in die Politik zu gehen. Bereits während der Zeit des Kriegszustandes in Polen gründete er eine Gewerkschaftszelle an seinem Chemie-Institut in Gleiwitz und kämpfte bald auch landesweit gegen die kommunistische Diktatur. In der Solidarnosc-Gewerkschaft blieb er engagiert, 1981 sogar als deren Vorsitzender auf dem ersten Solidarnosc-Kongress. Von 1997 bis 2001 führte Jerzy Buzek eine konservativliberale Regierung als Ministerpräsident. Seine Politik zielte -auch gegen innenpolitische Widerstände- mutig und entschlossen auf eine rasche Hinführung Polens zu Europäischen Union ab. Innerhalb seiner Amtszeit trat Polen der NATO bei und es wurde ein Neustrukturierung der polnischen Regionen in 16 Woiwodschaften erreicht.

Bei der Europawahl 2004 wurde Jerzy Buzek als Abgeordneter in das Europäische Parlament gewählt und gehörte dort dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie an. Nach seiner Wiederwahl in das Europäische Parlament 2009 ist er seit dem 14. Juli 2009 dessen Präsident, der erste aus den ehemaligen Ostblockstaaten und Nachfolger von Hans-Gert Pöttering, den wir heute ebenfalls ehren.

Wir waren somit Zeuge einer deutsch-polnische Rochade, die sich auf europäisch-parlamentarischer Bühne entfaltet. Wie wichtig und unentbehrlich der Parlamentarismus gerade in der heutigen Zeit geworden ist und wie widerstandsfähig er im Interesse eines starken Europas sein muss, erleben wir täglich. Dem Europäischen Parlament, das Sie beide, verehrte Herren Preisträger, besser als wir alle kennen, kommt hierbei eine besondere Verantwortung zu. Es ist ein Garant der demokratischen Freiheit und Legitimation und die entscheidende Institution für die Funktionsfähigkeit und Zukunftstauglichkeit Europas. Es ist auch die Verpflichtung, mit einem Mehr an Verantwortung und Entscheidungsfindung klug und umsichtig umzugehen. Dafür haben Sie sich während Ihrer Amtzeiten verbürgt. Dafür stehen Ihre beider Namen.

Jerzy Buzek hat, ebenso wie sein Vorgänger, die Menschenrechte zu einer Priorität seiner Amtszeit erklärt. Niemand versteht deren tiefe, freiheitssichernde Bedeutung besser als diejenigen, denen ihre eigene Freiheit menschenverachtend durch Mauern und Stacheldrahtzäune versperrt wurde. Durch die friedliche und unaufhaltsame Revolution von 1989/90 sind Mauern und Grenzen in den Köpfen der Menschen eingestürzt. Die friedliche Revolution hat uns, und hier spreche ich ausdrücklich als Bürgerin der "Neuen Bundesländer", Freiheiten lernen lassen, auf die wir lange gehofft hatten. Freiheiten des Reisens, des Kennenlernens und der Freundschaften wurden Stück um Stück möglich.

Jerzy Buzek hat dies anschaulich beim Festakt zum 20. Jubiläum des Mauerfalls im Deutschen Bundestag beschrieben: die Mauer, sagte er, sei eine "Mauer der Schande" und ein "Symbol für die Teilung Europas in einen freien und einen unterdrückten Teil. Doch der Freiheitstraum der Menschen ist stärker als alle Betonmauern gewesen." Auf Deutsch fügte er an, ich zitiere: "Die Menschen östlich des Eisernen Vorhangs hatten gegen die Panzer nur ihre großen Herzen. Aber sie siegten." Zitat Ende.

Für Jerzy Buzek, und deshalb ehren wir ihn heute, hat 1989 die europäische Identität gesiegt. Für ihn entstand 1989 der Gründungsmythos eines neuen Europas, das Ost und West verbindet. Dieses europäische Zusammenwachsen hat Jerzy Buzek als seine Aufgabe angenommen und setzt sich hierfür unermüdlich und leidenschaftlich ein. Gerade wir Deutsche wissen, welch ' großer Glücksfall es ist, dass Deutsche und Polen sich nun in voller Offenheit begegnen und gelernt haben, frei von Ängsten auch über Vergangenes zu sprechen. Die Aussöhnung mit Polen ist und bleibt eine zentrale Aufgabe deutscher Außenpolitik, unser Verhältnis zu Polen wird immer ein besonderes sein. Aber, und dies zeigt das Wirken der beiden heutigen Preisträger sehr deutlich: die deutsch-polnische Freundschaft dient auch dem europäischen Interesse. Viele von Ihnen werden die gemeinsame Erklärung und das Programm der Zusammenarbeit vom 21. Juni 2011 gelesen haben. Beide Dokumente enthalten Deutsches und Polnisches. Vor allem aber enthalten sie sehr viel Europa. Denn ein freies, friedliches, geeintes und wohlhabendes Europa ist in deutschem und polnischem Interesse.

Prägnanter als Jerzy Buzek dies auf seiner Homepage des Europäischen Parlaments dies tut, kann man unser aller gemeinsame Perspektive nicht zusammenfassen. Ich zitiere: "Nie ma nas i was. Mozemy mocno powiedziec: to jest nasza wspolna Europa. ( Es gibt nicht mehr uns und euch. Wir können überzeugt sagen: es ist unser gemeinsames Europa )" Zitat Ende. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Herzlichen Glückwunsch, verehrter Herr Präsident Buzek.