Redner(in): Horst Köhler
Datum: 30. Mai 2008
Quelle: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2008/05/20080530_Rede.html
Sie haben es geschafft: Die 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt geht heute zu Ende. Harte Verhandlungen liegen hinter Ihnen und manch einer von Ihnen wird sich wieder einmal gefragt haben, warum bei internationalen Konferenzen die Ergebnisse immer erst um drei Uhr morgens, statt um drei Uhr nachmittags erzielt werden.
Ich danke Ihnen, dass Sie auf dieser Konferenz Ihre Bereitschaft bewiesen haben, globale Verantwortung gemeinsam zu übernehmen. Verantwortung dafür, den natürlichen Reichtum unserer Erde und damit eine wichtige Lebensgrundlage der Menschheit auch in Zukunft zu bewahren. Dass diese Lebensgrundlage nicht allein durch den Klimawandel, sondern auch durch einen dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt bedroht ist, wissen Sie viel besser als ich. Tier- und Pflanzenarten sterben aus, ganze Ökosysteme sind in Gefahr. Zwei Fünftel des tropischen Regenwaldes sind bereits vernichtet, und er schrumpft immer weiter: Jedes Jahr um eine Fläche von der Größe Süddeutschlands. Das alles lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Wir sägen - im wörtlichen Sinne - an dem Ast, auf dem wir sitzen.
Es war daher dringend notwendig, dass die internationale Staatengemeinschaft 1992 die Konvention über die biologische Vielfalt auf den Weg gebracht hat. Und es war ebenso dringend notwendig, dass die Staats- und Regierungschefs 2002 auf dem Johannesburg-Gipfel beschlossen, den Verlust der Biodiversität bis 2010 erheblich zu reduzieren. Doch passiert ist seitdem leider zu wenig, und bis 2010 bleibt nicht mehr viel Zeit. Wenn wir das Ziel noch erreichen wollen, müssen wir uns deutlich mehr anstrengen. Wir müssen alle - im Norden wie im Süden, im Westen wie im Osten - begreifen, dass die wunderbare Vielfalt der Natur ein gemeinsames Erbe ist, das wir auch nur gemeinsam bewahren können. Dabei sind für mich die entscheidenden Fragen: Wie schaffen wir es, dass der Erhalt biologischer Vielfalt zum Eigeninteresse der Industrieländer wie der Schwellen- und Entwicklungsländer wird? Wie beteiligen wir die Herkunftsländer genetischer Ressourcen fair an den Vorteilen, die sich aus ihrer Nutzung ergeben? Und schließlich: Wie können wir mit marktwirtschaftlichen Instrumenten dafür sorgen, dass am Schutz der Natur verdient wird statt an ihrer Zerstörung?
Ich begrüße es, dass die 9. Vertragsstaatenkonferenz bei der Lösung dieser Fragen ein gutes Stück vorangekommen ist. Die Bewahrung der Artenvielfalt und der Schutz des Klimas machen wie fast kein anderes Thema deutlich, dass es im 21. Jahrhundert keine vernünftige Alternative zu einer kooperativen Weltpolitik gibt. Ziel muss es sein, wirklich alle Länder unseres Planeten in diese Zusammenarbeit einzubinden. Daher stimmt mich auch die weltweite öffentliche Debatte um die globalen Umweltprobleme zuversichtlich. Mit einem Mal werden nämlich Erkenntnisse Allgemeingut, die tausende entwicklungspolitischer Schriften und Seminare bislang eher vergeblich zu verbreiten suchten: dass wir in einer Welt leben, dass unser tägliches Tun und Lassen Auswirkungen auf das Leben der Menschen in weit entfernten Regionen der Welt hat, und dass es Probleme gibt, die wir als Weltgemeinschaft nur gemeinsam lösen können. Die globalen Umweltprobleme zeigen besonders deutlich, dass die Nationen der Welt eine Schicksalsgemeinschaft sind. Wir müssen jetzt die große Chance nutzen, dass wir endlich auch zu einer Verantwortungs- und Lerngemeinschaft werden.
Lassen Sie mich zum Schluss all jenen danken, die zum Gelingen dieser Vertragsstaatenkonferenz beigetragen haben: den Delegierten, dem Sekretariat des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesumweltministerium und dem Auswärtigen Amt sowie der Stadt Bonn, die sich als echte VN-Stadt präsentiert hat. Dank auch den vielen engagierten Nichtregierungs-Organisationen und allen anderen, ohne deren tatkräftige Unterstützung eine solche internationale Großkonferenz nicht denkbar wäre.
Ich hoffe, dass Sie sich in Bonn wohl gefühlt haben und wünsche Ihnen eine gute Heimreise. Zuvor aber freue ich mich auf die Begegnung mit Ihnen und heiße Sie herzlich willkommen in der Villa Hammerschmidt!